Zum Arzt während der Arbeitszeit: Muss der Arbeitgeber zahlen?

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Mitarbeiter dürfen auch während der Arbeitszeit Arzttermine wahrnehmen und bekommen während dieser Zeit weiterhin ihr Gehalt vom Arbeitgeber - wenn sie einige wenige Grundsätze beachten. Wer aber die Spielregeln nicht einhält, riskiert eine Abmahnung und bei Wiederholung sogar eine Kündigung. Aber auch der Chef darf nicht machen, was er will: Bei kurzen Unterbrechungen der Arbeit darf er nicht den Lohn kürzen oder Nacharbeit für die ausgefallene Arbeitszeit verlangen.

Eine akute Krankheit tritt auf - Der Mitarbeiter erhält immer sein Gehalt

Klar ist: Wenn ein Mitarbeiter plötzlich krank wird, dann darf er natürlich sofort zum Arzt gehen und sich behandeln lassen. In diesem Fall ist er arbeitsunfähig und das Entgeltfortzahlungsgesetz (EntgFG) schreibt die Gehaltszahlung vor.

Arztbesuche sind grundsätzlich Privatsache

Nur im oben genannten Fall darf ein Mitarbeiter ohne Weiteres den Arbeitsplatz verlassen. Es gibt kein Gesetz, dass den Arztbesuch während der Arbeitszeit erlaubt. Deshalb muss die Behandlung möglichst in der Freizeit erfolgen, gerade bei Vorsorgeuntersuchungen, für die es keine akute Notwendigkeit gibt. Das gelingt aber nicht immer. Manchmal lässt es eine feste Arbeitszeit nicht zu, manchmal müssen auch in der Praxis die Mitarbeiter und Geräte gleichmäßig über den Tag verteilt ausgelastet werden. Wenn erst nach Wochen ein Wunschtermin außerhalb der Arbeitszeit frei ist, dann ist es für den Mitarbeiter unzumutbar, darauf zu warten. Je nach den Umständen kann der Arbeitnehmer aber verpflichtet sein, auch bei anderen Ärzten nach Terminen zu fragen. Das kommt entscheidend auf die konkreten Umstände an. Wer laufend bei einem Arzt behandelt wird, muss eher nicht wechseln. Wer z. B. nur eine Impfung benötigt, kann auch einen anderen als den vertrauten Hausarzt aufsuchen. Ist eine Behandlung (z.B. wegen der Praxisöffnungszeiten) nicht möglich oder unzumutbar, hat der Mitarbeiter einen Freistellungsanspruch. Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, ihn gehen zu lassen.

Praxistipp: Teilen Sie Ihrem Arbeitgeber vorher mit, warum Sie während der Arbeitszeit zum Arzt müssen und nicht in die Freizeit ausweichen können.

Was gilt, wenn eigene Kinder oder Angehörige zum Arzt müssen?

Wenn Kinder oder nahe Angehörige des Mitarbeiters krank sind, gelten keine anderen Regeln. Arztbesuche müssen möglichst in der Freizeit erfolgen, das darf aber nicht unzumutbar sein. Zusätzlich muss der Kranke auf Begleitung angewiesen sein. Dabei werden Alter und Art der Krankheit berücksichtigt. Bei Grundschülern gelten andere Maßstäbe als bei Teenagern. Schließlich muss es ausgeschlossen sein, dass noch ein anderer die Begleitung übernehmen könnte. Liegen diese Voraussetzungen vor, hat der Mitarbeiter ebenfalls einen Freistellungsanspruch.

Praxistipp: Auch in diesen Fällen sollten Sie Ihren Arbeitgeber (möglichst vorab) informieren, dass eine Begleitung notwendig ist und Sie diese Pflicht nicht auf jemand anderes übertragen können.

Welche Folgen ziehen unberechtigte und berechtigte Arztbesuche nach sich?

Unberechtigte Arztbesuche

Das Verlassen des Arbeitsplatzes ohne zwingenden Grund verletzt die Arbeitspflicht. Es liegt auf der Hand, das dies mit einer Abmahnung geahndet werden kann. Wiederholte Verstöße trotz Abmahnung berechtigen den Arbeitgeber zu einer fristgemäßen verhaltensbedingten Kündigung. Er kann auch die Fortzahlung des Gehalts verweigern.

Berechtigte Arztbesuche

Bei berechtigten Arztbesuchen ist der Mitarbeiter entschuldigt, er versäumt nicht grundlos seine Arbeitszeit. Deshalb verpflichtet § 616 BGB zur Fortzahlung des Gehalts.  Bittere Pille: Die Wirkung des § 616 BGB kann ausgeschlossen werden. Klarheit schafft hier ein Blick in den Arbeits- oder Tarifvertrag. Wichtig ist auch: Eine Nacharbeit darf der Arbeitgeber nicht verlangen; die Arbeit fällt ersatzlos aus.

Wichtig ist, dass der Arbeitgeber über den Grund und die Dauer der Abwesenheit im Betrieb informiert werden muss. Den Mitarbeiter treffen also Informationspflichten - das ist leicht nachzuvollziehen. Wenn der Arbeitgeber es verlangt, muss der Arzt die Behandlung durch eine Bescheinigung bestätigen.  Wer diese Pflichten vernachlässigt, riskiert aus diesem Grund eine Abmahnung.

Erfahrung aus unserer Praxis: Bitte vergessen Sie nicht, sich rechtzeitig bei akuten Erkrankungen bei Ihrem Arbeitgeber zu melden. Sie könnten abgemahnt werden. § 5 EntgFG verlangt von Ihnen zweierlei:

  1. Ihre Arbeitsunfähigkeit und deren voraussichtliche Dauer müssen unverzüglich mitgeteilt werden - und zwar der dafür zuständigen Person. Ihr Arbeitgeber muss wissen, warum Sie nicht zur Arbeit erscheinen und vielleicht für Ersatz sorgen. Deshalb schnellstmöglich informieren. Die Dauer dürfen Sie aufgrund Ihrer Erfahrung schätzen, Sie werden möglicherweise erst noch zum Arzt gehen. Den Krankheitsgrund selbst müssen Sie nicht angeben.
  2. Mit Ablauf des dritten Tages, also am vierten Tag, musste bislang laut Gesetz die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung dem Arbeitgeber vorliegen. Mittlerweile ist der Arbeitgeber verpflichtet, die Daten elektronisch bei Ihrer Krankenkasse abzurufen - die in vielen Arbeitsverträgen noch enthaltene Pflicht zur Vorlage verstößt also jetzt gegen das Gesetz und ist unwirksam. Ein Verstoß dagegen kann nicht mehr abgemahnt werden. Viele Ärzte drucken aber für Ihre Patienten als Serviceleistung Bescheinigungen aus, die dem Arbeitgeber vorgelegt werden können. Zur Vorlage eines solchen Ausdrucks kann der Mitarbeiter aber nicht verpflichtet werden.

Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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