Zwangsversteigerung bei Zahlungsverzug und Kündigung ? EuGH mahnt Ver­hältnismäßigkeit an

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Der Europäische Gerichtshof (EuGH) mahnt in einem aktuellen Urteil die Verhältnismä­ßigkeit an und erachtet die Zwangsversteigerung einer Bank als unzulässig.

Es ging lediglich um drei offene Kreditraten und rund EUR 1.000,00. Der EuGH stellte nunmehr in einem aktuellen Urteil vom 09.11.2023 (C-598/21) klar: Eine Vertragsklausel, die es einem Kreditinstitut ermöglicht, das gesamte Darlehen vorzeitig fällig zu stellen und das als Sicherheit gestellte Familienheim zu versteigern, ist missbräuchlich, wenn dies wie vorliegend außer Ver­hältnis zur Schwere der Pflichtverletzung des Verbrauchers steht.

Was war passiert ?

Eine slowakische Bank hat Kunden ein Darlehen gewährt, der innerhalb von 20 Jahren zu tilgen war und bei dem die Kunden ihr Familienheim als Sicherheit stellten. Bereits im ersten Jahr der Vertragslaufzeit gerieten die Kunden mit insgesamt drei Monatsraten und einem Ge­samtbetrag von etwa EUR 1.000,00 in Verzug. Die Bank stellte daraufhin – gestützt auf die von ihr verwendete Vertragsklausel – den Kredit sofort fällig, verlangte die vorzeitige Rückzah­lung des gesamten noch ausstehenden Betrags und veranlasste die Versteigerung des Fami­lienheims.

Dies ist nach slowakischem Recht unter bestimmten, hier wohl erfüllten, Voraussetzungen zu­lässig. Die Kunden beantragten beim Vollstreckungsgericht, die Versteigerung auszusetzen.

Nationales Gericht ruft EuGH an …

Das nationale Gericht rief bezüglich seines Prüfumfangs den Europäischen Gerichtshof (EuGH) an. Nach slowakischem Recht müssen nämlich Gerichte in einem solchen Fall nicht prüfen, ob eine Vertragsklausel mit Blick auf die Schwere der Pflichtverletzungen des Verbrau­chers im Verhältnis zu Höhe und Laufzeit des Kredits gerechtfertigt ist. Das Gericht möchte deshalb vom EuGH wissen, ob eine derartige gerichtliche Kontrolle mit dem Unionsrecht ver­einbar ist.

EuGH: Recht auf Achtung der Wohnung zu berücksichtigen

Diese Rechtsfrage hat der EuGH nunmehr in seinem Urteil vom 09.11.2023 verneint. Wenn Gerichte eine Vertragsklausel auf ihre etwaige Missbräuchlichkeit hin kontrollierten, müssten sie auch deren Verhältnismäßigkeit in den Blick nehmen. Im Rahmen dieser Kontrolle ist auch die Schwere des Verstoßes des Verbrauchers gegen seine Vertragspflichten zu prüfen.

Der Betrag der Raten, die nicht gezahlt wurden, müsse zum Gesamtbetrag des Kredits und der Laufzeit des Vertrags ins Verhältnis gesetzt werden.

Zudem muss das Gericht die Folgen berücksichtigen, die dem Kreditnehmer und seiner Fami­lie entstehen, wenn ihre Wohnung oder ihr Familienheim zwangsgeräumt und verstei­gert wird.

Der EuGH betonte in diesem Zusammenhang, dass die Achtung der Wohnung ein Grundrecht ist. Kommt das Gericht zu dem Ergebnis, dass die Vertragsklausel aus den o.a. Gründen miss­bräuchlich sei, habe sie es für unanwendbar zu erklären.

Auswirkungen auf ganz Europa …

Das Urteil des EuGH hat nicht nur in der Slowakei Bedeutung, sondern Einfluss und Auswir­kungen in der gesamten EU. Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofes sind in jedem Vertragsstaat und von jedem Gericht zu berücksichtigen, somit sind die vom EuGH aufgestell­ten Grundsätze auf jeden einzelnen Rechtsfall, auch in Deutschland, anwendbar.



Patrick M. Zagni

Rechtsanwalt

Fachanwalt für Erbrecht

Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Foto(s): pixabay


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