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Alkohol und seine rechtlichen Grenzen: Koma-Saufen, Flatrate-Party und Tankstellenverbot

  • 7 Minuten Lesezeit
Monique Michel anwalt.de-Redaktion

ob Flatrate-Partys, Koma-Saufen, nächtliche Trinkgelage auf öffentlichen Plätzen oder vor Tankstellen – der Alkoholkonsum in unserer Gesellschaft, insbesondere unter Jugendlichen, wird zunehmend auch zu einem rechtlichen Problem. Grundsätzlich darf jeder im Rahmen der allgemeinen Handlungsfreiheit und des allgemeinen Persönlichkeitsrechts, die in Art. 2 Abs. 1 des Grundgesetzes als Grundrecht verankert sind, tun und lassen, was er möchte, solange er dadurch „nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die Verfassung oder das Sittengesetz verstößt“. Etwas so banales und alltägliches wie der Konsum von Alkohol ist selbstverständlich von dieser Freiheit auch erfasst. Dennoch hat in jüngster Zeit Alkohol viele negative Schlagzeilen verursacht, etwa im Zusammenhang mit sog. Flatrate-Partys, Koma-Saufen oder den Debatten um Alkoholverbot bei Sportveranstaltungen und an Tankstellen. Die Redaktion von anwalt.de gibt einen aktuellen Überblick über die rechtliche Aspekte dieser Themen.

[image] Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit

Wegen seiner weitreichenden Wirkungen auf den Menschen gelten trotz der allgemeinen Handlungsfreiheit schon lange besondere Schutzgesetze im Zusammenhang mit Alkoholkonsum. Die bekanntesten Beispiele sind etwa im Verkehrsrecht die gestaffelten Promillewerte und das Alkoholverbot für Fahranfänger oder im Jugendschutzrecht das Verbot, Alkohol an Kinder und Jugendliche zu verkaufen oder auszuschenken. Sogar im Strafrecht gibt es den „Vollrausch“ (§ 323a StGB), der unter Strafe stellt, wenn jemand sich vorsätzlich oder fahrlässig betrinkt und dann eine Straftat begeht, für die er wegen seiner Trunkenheit nicht bestraft werden darf.

Alkoholverbot in Innenstädten

Zu einem Kernproblem haben sich in vielen Städten öffentliche Plätze in den Innenstädten entwickelt. Dort halten sich zunehmend Gruppen v.a. von jungen Leuten auf, die in großen Mengen mitgebrachten Alkohol konsumieren. Hintergrund: Selbst gekaufter Alkohol aus dem Supermarkt ist wesentlich billiger als in Bars oder Kneipen und teilweise trinkt man sich auch zur Vorbereitung auf die Partynacht schon mal „warm“ , bekannt als sog. „Vorglühen“. In der Folge kommt es wegen der Enthemmung durch den Alkohol häufig zu gewalttätigen Ausschreitungen untereinander, zu Sachbeschädigung oder zum Anpöbeln anderer Passanten. In der Regel muss dann auch die Polizei einschreiten.

Um derartige Szenen zu verhindern, haben viele deutsche Städte inzwischen zeitlich und lokal begrenzte Alkoholverbote für Straßen, Plätze oder Stadtviertel erlassen, an denen häufig solche Trinkgelage stattfinden. Eine Vorreiterin war etwa die Stadt Freiburg, in der bis vor Kurzem ein Alkoholverbot für alle Freiflächen im „Bermuda-Dreieck“, dem innenstädtischen Kneipenviertel, von Freitag bis Sonntag zwischen 22 Uhr und 6 Uhr galt. Die Gewalt- und Alkoholdelikte sind daraufhin in diesem Gebiet auch erheblich zurückgegangen, doch der VGH Baden-Württemberg entschied mit Urteil vom 28.07.2009 (Az.: 1 S 2200/08), dass diese Regelung der städitischen Polizeiverordnung unwirksam ist. Die Richter gaben der Klage eines Jura-Studenten statt und erklärten, dass ein solches pauschales Verbot nur auf der Grundlage eines Ländergesetzes möglich sei, nicht aber aufgrund einer lediglich städtischen Verordnung. Eine andere Regelung, wonach der „Aufenthalt zum Trinken außerhalb von Freischankflächen oder Grillstellen verboten ist, wenn dies andere belästigt“ wurde in einem weiteren Urteil vom gleichen Tag ebenfalls als unwirksam eingestuft, weil sie zu wenig konkret sei (Urteil v. 28.07.2009, Az.: 1 S 2340/08).

Reaktionen auf baden-württembergisches Urteil

Die Reaktionen anderer Städte und Bundesländer auf das Urteil des baden-württembergischen VGH waren unterschiedlich. Zwar ist sich die Politik im Wesentlichen einig darüber, dass derartige Verbote möglich sein sollen. Wie dies geschieht, richtet sich jedoch nach der jeweiligen Gesetzeslage der Bundesländer.

Baden-Württemberg plant nun eine Änderung seines Polizeigesetzes, die es den Gemeinden erlauben soll, derartige lokale Alkoholverbote künftig auszusprechen – diese Ermächtigung soll noch vor der nächsten Freiluftsaison 2010 in Kraft treten. Keine Änderungen wird es in Bayern, Berlin und Bremen geben: In Bayern kann Trinken in der Öffentlichkeit bereits auf Grundlage des Straßen-, Wege- und Gaststättenrechts eingeschränkt werden, in Berlin dürfen sogar die zwölf Bezirke unabhängig von der Stadtverwaltung eigenständig handeln (bekanntestes Verbot: Alexanderplatz) und Ähnliches gilt in Bremen.

In Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen und Sachsen-Anhalt (Verbot auf Magdeburger Partymeile) sollen zwar mögliche Konsequenzen des süddeutschen Urteils geprüft werden, eine Änderung der Polizeigesetze bzw. Gesetze über Sicherheit und Ordnung steht jedoch nicht an. Thüringen (Verbote in Gera, Erfurt, Altenburg und Suhl) prüft hingegen bereits, ob Gesetzesänderungen notwendig scheinen.

In Schleswig-Holstein, Hamburg und Mecklenburg-Vorpommern hingegen gelten keine Alkoholverbote und sind auch keine Änderungen der Sicherheits- und Ordnungsgesetze geplant. Lediglich auf der Reeperbahn hat Hamburg den Verkauf von Getränken in Glasflaschen untersagt, um dadurch schwere Verletzungen bei Schlägereien einzuschränken.

Der Deutsche Städte- und Gemeindebund hat nach den beiden Urteilen zum Freiburger Verbot die Schaffung einer Rechtsgrundlage in allen Bundesländern für Alkoholverbote verlangt, weil nur so wirksam gegen Alkoholexzesse in der Öffentlichkeit vorgegangen werden könne. Unterstützt wird er dabei von der Polizeigewerkschaft, die betont, dass Alkohol nicht generell, sondern nur dort verboten werden soll, wo er regelmäßig zu Gewalt- und Straftaten führt.

Komasaufen und Flatrate-Party

Nicht nur im Freien spielen Alkoholexzesse zunehmend eine Rolle, sondern auch im Rahmen von Veranstaltungen in Szene-Lokalen, Bars, Diskotheken und Clubs. Das „Koma-Saufen“ erfreut sich bedenklicher Beliebtheit bei Jugendlichen und Gastwirte locken die Kundschaft mit sog. „Flatrate-Partys“, bei denen gegen einen einmaligen Pauschalpreis unbegrenzt auch alkoholische Getränke ausgeschenkt werden.

Richtig bekannt wurde das Koma-Saufen durch den Fall eines Berliner Jugendlichen, der sich mit einem Kneipenwirt einen Trinkwettstreit lieferte. Wer als erstes beim Tequila-Trinken bewusstlos würde, hätte verloren. Während der Jugendliche 48 Tequila trank, hatte sich der Wirt unbemerkt meist nur Wasser einschenken lassen, der 16-Jährige fiel schließlich mit einem Alkoholwert von 4,4 ‰ ins Koma und verstarb wenig später im Krankenhaus an den Folgen.

Das Berliner Schwurgericht verurteilte den 28-jährigen Wirt wegen Körperverletzung mit Todesfolge und Verstoß gegen das Jugendschutzgesetz zu einer Freiheitsstrafe von 3 Jahren und 5 Monaten (Urteil v. 03.07.2009). Die Richter berücksichtigten dabei das Geständnis und die bisherige Straffreiheit des Angeklagten strafmildernd, ebenso wie die Tatsache, dass die Initiative zum Wetttrinken vom Verstorbenen ausgegangen war. Noch während des Prozesses hatte das Bundesverfassungsgericht über die Bild- und Fernsehberichterstattung zu entscheiden und erlaubte diese, soweit dabei das Gesicht des Angeklagten anonymisiert bleibe (Beschluss vom 03.04.2009, Az: 1 BvR 654/09). Der verurteilte Wirt hat inzwischen Revision gegen das Strafurteil eingelegt.

Nur kurz nach dem Tod des 16-jährigen Berliners hatte das VG Hannover sog. Flatrate-Partys untersagt. Die Richter stellten fest, dass die zuständige Behörde einem Gastwirt durch Auflage zur Gaststättenerlaubnis untersagen kann, alkoholische Getränke ohne Mengenbegrenzung zum einmaligen Pauschalpreis oder zu nicht kostendeckenden Preisen auszuschenken. Dem entschiedenen Fall lag eine sog. „10-Cent-Veranstaltung“ einer Diskothek zugrunde, bei der zusätzlich zum Eintrittspreis sämtliche alkoholischen Getränke lediglich 0,10 EUR kosteten (Beschluss v. 11.07.2007, Az.: 11 B 3480/07). Auch der Gewerberechtsausschuss von Bund und Ländern stellte klar, dass bereits zum damaligen Zeitpunkt nach dem allgemein geltenden Recht Werbung mit Flatrate-Angeboten für Alkohol unzulässig ist, weil die Partys sichtlich auf die Abgabe von Alkohol an bereits Betrunkene abzielen, was §§ 4 Abs. 1 Nr. 1 und 15 Abs. 2 Gaststättengesetz jedoch verbieten.

Alkoholverkauf an Tankstellen bald verboten?

Ein weiterer Schritt in der Bekämpfung von Alkoholexzessen sind zeitlich beschränkte oder unbeschränkte Verbote zum Alkoholverkauf an Tankstellen, die derzeit die Politik beschäftigen. Auch hier treffen sich zunehmend spätabends oder nachts Jugendliche, um sich mit Alkoholika zu versorgen, die sie teilweise direkt vor Ort konsumieren.

Bereits jetzt gelten in einigen Gemeinden Verkaufsverbote oder -beschränkungen an Tankstellen für Alkohol außerhalb der allgemeinen Ladenöffnungszeiten. So hatte etwa die Stadt Frankenthal den Tankstellen in ihrem Gebiet untersagt, Alkohol außerhalb der Ladenschlusszeiten zwischen 22 Uhr und 6 Uhr zu verkaufen. Nach dem § 6 des rheinland-pfälzischen Ladenöffnungsgesetz sei der Verkauf von Alkohol zu diesen Zeiten nur in kleinen Mengen und nur an Reisende erlaubt. Gestattet war ein Getränkeverkauf von 2 Liter mit bis zu 8% Alkohol, von 1 Liter mit über 8% bis 14% Alkohol sowie 0,1 Liter bei mehr al 14% Alkoholgehalt je Person.

Die Tankstellenbetreiber wehrten sich hiergegen gerichtlich wegen befürchteter Umsatzeinbußen, jedoch ohne Erfolg. Sowohl das VG Neustadt in erster Instanz (Urteile v. 13.11.2008, Az.: 4 K 797/08, 4 K 816/08, 4 K 817/08) als auch das OVG Koblenz hielten das städtische Verbot für rechtens. Zum einen aufgrund des Ladenöffnungsgesetzes, zum anderen wegen des Konkurrenzschutzes – Tankstellen sollten nicht als „nächtlicher Minisupermarkt“ auch für Einheimische gelten, sondern nur den Bedarf von Reisenden decken. Das Verbot gelte darüberhinaus auch an Sonn- und Feiertagen sowie am 24.12. ab 14 Uhr (OVG Koblenz, Urteile v. 19.03.2009, Az.: 6 A 11324/08.OVG, 6 A 11235/08.OVG, 6 A 11335/08.OVG, 6 A 11357/08.OVG).

Das Land Baden-Württemberg hat sogar ein allgemeines Verbot für den Alkoholverkauf zwischen 22 Uhr und 5 Uhr an Tankstellen, Kiosken und in Supermärkten beschlossen, das zum 01.01.2010 in Kraft treten soll. Bis dahin soll auch der freiwillige Aktionsplan der Tankstellen gegen die Alkoholausgabe an Jugendliche umgesetzt sein. Die Tankstellen verpflichten sich dabei, elektronische Warnhinweise beim Scannen von Alkohol an der Kasse zu installieren und das Personal anzuhalten, sich von jungen Leuten bis ca. 25 Jahren den Ausweis zeigen zu lassen.

Fazit: Die offensichtliche Tendenz zum exzessiven Umgang mit der „legalen Droge“ Alkohol ist erschreckend. Dass Gesetzgebung und Rechtsprechung hier bereits eingreifen müssen, ist wohl darauf zurückzuführen, dass bereits im Vorfeld die Gesellschaft versagt. Hier sind schließlich alle gefragt, durch den eigenen sorgfältigen und kontrollierten Umgang mit Alkohol anderen und insbesondere Kindern und Jugendlichen ein Vorbild zu sein und sie gezielt über die Risiken und Gefahren von Alkohol aufzuklären. Es bleibt also abzuwarten, wie sich das Alkoholverhalten entwickelt und ob der Gesetzgeber dem Alkoholmissbrauch weiter entgegensteuern muss, sei es durch präventive Aufklärung oder auch durch Verdopplung der Steuer, wie manche Suchtforscher es verlangen.

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(MIC)

Foto(s): ©iStockphoto.com

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