Vertragsfreiheit: Bedeutung und Grenzen im Überblick
- 5 Minuten Lesezeit
Experten-Autorin dieses Themas
Die Vertragsfreiheit ist ein Kernprinzip des deutschen Rechts, das im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) in § 311 Abs. 1 vorausgesetzt wird. Demnach steht es jeder Person frei, Verträge abzuschließen und dabei den Inhalt sowie die Parteien des Vertrags selbst zu bestimmen.
Dieser Grundsatz gibt den Parteien die Möglichkeit, ihre eigenen Interessen und Bedingungen in einem Vertrag festzulegen, solange sie nicht gegen gesetzliche Vorschriften oder die guten Sitten verstoßen. Als Ausdruck der allgemeinen Handlungsfreiheit, wird die Vertragsfreiheit grundrechtlich durch Artikel 2 Abs. 1 Grundgesetz (GG) geschützt.
Was umfasst die Vertragsfreiheit?
Die Vertragsfreiheit umfasst sowohl die Freiheit, einen Vertrag abzuschließen – positive Abschlussfreiheit – oder auch nicht abzuschließen – negative Abschlussfreiheit –, als auch die Freiheit, einen Vertrag inhaltlich frei zu gestalten. Abschlussfreiheit meint also die Freiheit, sich für oder gegen den Abschluss eines Vertrags zu entscheiden. Weder Verbraucher noch Unternehmen können – außer in seltenen Ausnahmefällen – zu Vertragsabschlüssen gezwungen werden. Die Abschlussfreiheit gibt den Parteien die Möglichkeit, ihre eigenen Entscheidungen zu treffen und Verträge nur dann einzugehen, wenn sie damit einverstanden sind. Generell ermöglicht die Vertragsfreiheit den Verbrauchern, ihre Rechte und Bedürfnisse bei Vertragsverhandlungen zu wahren. Sie können die Vertragsbedingungen aushandeln und auf ihre individuellen Bedürfnisse zuschneiden. Dieser Grundsatz trägt zur Förderung des Wettbewerbs bei und ermöglicht den Verbrauchern, aus einer Vielzahl von Angeboten das für sie günstigste auszuwählen.
Daneben umfasst die Vertragsfreiheit auch die Vertragsbeendigungs- oder Vertragsaufhebungsfreiheit. Das heißt, die Parteien können sich von einem Vertrag, der bereits geschlossen wurde, grundsätzlich auch wieder lösen, vorausgesetzt, es gibt ein Kündigungsrecht. Ein solches kann sich aus der vertraglichen Vereinbarung oder aus dem Gesetz ergeben.
Die Vertragsfreiheit beinhaltet auch die Formfreiheit, das heißt, die Freiheit der Parteien, den Vertrag in der von ihnen gewählten Form abzuschließen. Grundsätzlich können Verträge mündlich, schriftlich oder konkludent – sprich durch schlüssiges Verhalten – abgeschlossen werden. Es gibt jedoch bestimmte Verträge, für die das Gesetz eine besondere Form vorschreibt, um Rechtssicherheit zu gewährleisten. Beispielsweise müssen Grundstückskaufverträge notariell beurkundet werden, um wirksam zu sein.
Vertragsfreiheit anhand von Beispielen erklärt
Das Grundprinzip der Vertragsfreiheit erstreckt sich auf verschiedene Bereiche des täglichen Lebens. Am besten lässt sich dies anhand konkreter Anwendungsbeispiele aus der Praxis verdeutlichen:
Vertragsfreiheit im Kaufvertragsrecht
Beim Kauf von Produkten oder Dienstleistungen haben Verbraucher das Recht, die Vertragsbedingungen auszuhandeln. Dies umfasst den Preis, die Zahlungsbedingungen, Garantien und andere Vertragsklauseln.
Es spielt keine Rolle, ob es sich um einen Kaufvertrag mit einem Unternehmer oder einer Privatperson handelt. Der Grundsatz der Vertragsfreiheit gilt für alle Kaufverträge gleichermaßen.
Vertragsfreiheit im Mietvertragsrecht
Bei der Anmietung einer Wohnung oder eines Hauses können Mieter und Vermieter die Mietbedingungen verhandeln. Dazu gehört die Mietdauer, die Höhe der Miete, Nebenkosten und Reparaturpflichten. Es gibt aber insbesondere im Wohnungsmietrecht zum Schutz des Mieters auch Grenzen der Vertragsfreiheit, die es zu beachten gilt (§§ 549 f. BGB).
Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht
Beim Abschluss von Arbeitsverträgen ermöglicht die Vertragsfreiheit Arbeitgebern und Arbeitnehmern, die Bedingungen ihrer Beschäftigung auszuhandeln. Dies umfasst Gehalt, Arbeitszeit, Urlaubsanspruch und Kündigungsfristen. Auch im Arbeitsrecht gibt es jedoch Beschränkungen der Vertragsfreiheit, die sich unter anderem aus den Regelungen des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) ergeben.
Grenzen der Vertragsfreiheit
Obwohl die Vertragsfreiheit ein wichtiges Prinzip ist, unterliegt sie bestimmten Einschränkungen. Die Freiheit der Vertragsparteien bei der Gestaltung von Verträgen wird in der Praxis aufgrund gesetzlicher Regelungen begrenzt, um die Interessen der Allgemeinheit zu schützen und unfaire Verträge zu verhindern. Einschränkungen der Vertragsfreiheit gibt es beispielsweise in den folgenden Fällen:
Gesetzliche Verbote
Verträge, die gegen geltendes Recht verstoßen, sind nichtig und nicht durchsetzbar. Das Prinzip der Vertragsfreiheit gilt in solchen Fällen nicht.
Unzulässige AGB-Klauseln
Bestimmte Klauseln in Verträgen, die gegen das AGB-Recht verstoßen oder den Verbraucher unangemessen benachteiligen, sind unwirksam. Solche Klauseln können beispielsweise eine unangemessen hohe Haftung des Verbrauchers, eine einseitige Kündigungsmöglichkeit des Vertragspartners oder die Beschränkung der Gewährleistungsrechte des Verbrauchers beinhalten. Auch hier ist die Vertragsfreiheit im Hinblick auf die inhaltliche Gestaltungsfreiheit eingeschränkt.
Zwingende gesetzliche Vorschriften
In einigen Fällen gibt es zwingende gesetzliche Regelungen, die die Vertragsfreiheit beschränken, um bestimmte Schutzinteressen zu wahren. Beispielsweise gibt es im Mietrecht gesetzliche Vorgaben zur Zulässigkeit von Mieterhöhungen, die nicht einseitig verhandelbar sind. Auch das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) enthält Beschränkungen im Hinblick auf das Prinzip der Vertragsfreiheit.
Allgemeine Grundsätze des Rechts
Die Vertragsfreiheit findet ihre Grenzen darüber hinaus in allgemeinen Grundsätzen des Rechts, wie beispielsweise dem Schutz vor sittenwidrigen Verträgen oder der Treuepflicht der Vertragsparteien. Grenzen der Vertragsfreiheit können sich zudem aus dem Verbot der Diskriminierung aus Artikel 3 Abs. 3 S. 1 Grundgesetz (GG) ergeben.
Besonderheiten bei der Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht
Im Arbeitsrecht gilt der Grundsatz der Vertragsfreiheit ebenfalls, allerdings mit einigen Besonderheiten. Arbeitsverträge unterliegen bestimmten arbeitsrechtlichen Bestimmungen und Kollektivvereinbarungen, die den Schutz der Arbeitnehmerinteressen gewährleisten sollen. Einige wichtige Ausnahmen der Vertragsfreiheit im Arbeitsrecht, die es zu beachten gilt, sind:
Mindestarbeitsbedingungen
Es gibt gesetzliche Mindestvorgaben zu Arbeitszeit, Urlaubsanspruch, Kündigungsfristen und Mindestlohn, die nicht unterschritten werden dürfen.
Kollektivvereinbarungen
In bestimmten Branchen oder Unternehmen werden Tarifverträge zwischen Arbeitgeberverbänden und Gewerkschaften abgeschlossen. Diese Vereinbarungen können die Vertragsfreiheit der Einzelnen einschränken, da sie die Arbeitsbedingungen für eine größere Gruppe von Arbeitnehmern festlegen.
Kündigungsschutz
Das Kündigungsschutzgesetz (KSchG) schränkt die Vertragsfreiheit im Hinblick auf Kündigungen ein. Es gibt bestimmte Kündigungsfristen und Kündigungsgründe, die eingehalten bzw. geltend gemacht werden müssen, um eine rechtmäßige Kündigung durchzuführen.
Es gibt zahlreiche weitere Gesetze zum Schutz von Arbeitnehmern, die eine Vielzahl von Ausnahmen im Hinblick auf das ansonsten geltende Grundprinzip der Vertragsfreiheit enthalten. Zu nennen sind insbesondere:
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG)
Mutterschutzgesetz (MuSchG)
Schwerbehindertengesetz (SchwbG)
Fazit: Im Zweifelsfall rechtlichen Rat einholen
Egal, um welchen Vertrag es sich handelt: Vertragsparteien sollten die Bedingungen und Klauseln sorgfältig prüfen, um sicherzustellen, dass ihre Interessen angemessen berücksichtigt werden und der Vertrag fair und ausgewogen ist. Bei komplexeren Verträgen oder in Zweifelsfällen kann es ratsam sein, rechtlichen Rat einzuholen, um potenzielle Risiken zu erkennen und zu minimieren.
Insbesondere ist es wichtig zu beachten, dass die Vertragsfreiheit durch rechtliche Rahmenbedingungen und den Schutz der Allgemeinheit begrenzt ist. Bei Fragen oder Unsicherheiten im Zusammenhang mit Verträgen sollten Verbraucher und Unternehmer sich anwaltlich beraten lassen, um eine rechtssichere Vertragsbeziehung einzugehen.
Artikel teilen:
Sie benötigen persönliche Beratung zum Thema Vertragsfreiheit?
Rechtstipps zu "Vertragsfreiheit" | Seite 6
-
26.11.2019 anwalt.de-Redaktion„… . 3 GG geregelten allgemeinen Gleichbehandlungsgrundsatz sowie die über Art. 2 GG geschützte Vertragsfreiheit von Mieter und Vermieter. Da die Frage der verfassungsrechtlichen Bewertung …“ Weiterlesen
-
12.12.2017 Rechtsanwalt Johannes Meyer„… . Dies führt im Ergebnis zwar zu einer Einschränkung der Vertragsfreiheit, bringt jedoch auch erheblich mehr Rechtssicherheit für die betroffenen Arbeitnehmer und Arbeitgeber. So stellt …“ Weiterlesen
-
29.11.2017 Rechtsanwalt Jörg Diebow„… auch nur hätte erbringen müssen oder dürfen. Wegen des im Schuldrecht geltenden Grundsatzes der Vertragsfreiheit kann die Verpflichtung zur Zahlung einer Provision auch unabhängig vom Vorliegen …“ Weiterlesen
-
26.11.2019 anwalt.de-Redaktion„… , innerhalb dessen sie sich bewegen. Damit bilden sie die rechtliche Grundlage für eine Vielzahl gerichtlich durchsetzbarer Ansprüche. Aufgrund der verfassungsrechtlich geschützten Vertragsfreiheit haben …“ Weiterlesen
-
24.09.2020 Rechtsanwalt Matthias H. Bernds„… verantwortlich ist und dergleichen. Allerdings sind solche Regelungen eher als Absichtserklärungen zu verstehen. Sie sind weder einklagbar noch vollstreckbar. 5. Vertragsfreiheit und ihre Grenzen …“ Weiterlesen
-
16.08.2017 Sandra Voigt, anwalt.de-Redaktion„… unterfällt, können die Parteien aufgrund der sog. Vertragsfreiheit einen sog. Rückruf vereinbaren – allerdings muss diese Absprache noch vor Urlaubsantritt erfolgen. In diesem Fall …“ Weiterlesen
-
15.02.2018 anwalt.de-Redaktion„… sind das eigentlich? Die Arbeitszeit an Werktagen Grundsätzlich herrscht auch im deutschen Arbeitsrecht Vertragsfreiheit. Das heißt, Arbeitnehmer und Arbeitgeber vereinbaren, wie viel gearbeitet …“ Weiterlesen
-
26.11.2019 anwalt.de-Redaktion„… das Ergebnis für den Kunden, nicht aber seine tatsächlich bestehende rechtliche Pflicht. Das deutsche Vertragsrecht ist vom Grundsatz der Vertragsfreiheit geprägt. Zur Vertragsfreiheit gehört nicht nur …“ Weiterlesen
-
26.05.2017 Rechtsanwalt & Mediator Giuseppe M. Landucci„… die Vertragsfreiheit, die sich auch auf den Ehevertrag erstreckt. Doch die Rechtsprechung sieht dort die Grenzen der Vertragsfreiheit im Hinblick auf die Gestaltung des Ehevertrags, wo ein Partner …“ Weiterlesen
-
26.11.2019 anwalt.de-Redaktion„… dies mit Siegel und Unterschrift beurkundet, ist der Ehevertrag rechtswirksam geschlossen. Grenzen der Vertragsgestaltung Nach dem Grundsatz der Vertragsfreiheit steht es Ehepartnern grundsätzlich …“ Weiterlesen
-
26.11.2019 anwalt.de-Redaktion„Seit das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) im Jahr 2001 ausdrücklich festgestellt hat, dass die Rechtsprechung zu den Grenzen der Vertragsfreiheit auch bei Eheverträgen gilt, können Eheverträge …“ Weiterlesen
-
17.11.2022 Rechtsanwalt Søren Hauschild Locher„… an Vertragsfreiheit zusteht, über die Bedingungen für ihre Zusammenarbeit zu entscheiden. Bei der Auslegung des Vertrages kann man sich an das dänische Handelsvertretergesetz (handelsagentloven) anlehnen …“ Weiterlesen
-
17.11.2022 Rechtsanwalt Søren Hauschild Locher„… , dass die gleichen Regeln mit einzelnen Modifikationen für Handelsvertreter aller Mitgliedstaaten der EU gelten. Für Handelsvertreter gilt nicht die gleiche Vertragsfreiheit wie für Alleinvertriebshändler …“ Weiterlesen
-
10.03.2017 Rechtsanwalt Guido Lenné„… Die Vertragsfreiheit ist eines der bedeutenden Prinzipien des Zivilrechts. Welche Vereinbarungen vertraglich getroffen werden, ist grundsätzlich allein Sache der Vertragsparteien, in unserem Fall genauer …“ Weiterlesen
-
03.03.2017 anwalt.de-Redaktion„… angeboten wird. Grundsätzlich gilt die Vertragsfreiheit und niemand ist verpflichtet, solche überteuerten Verträge abzuschließen. Nutzt jemand allerdings eine Zwangslage oder die Unerfahrenheit …“ Weiterlesen
-
18.02.2017 Rechtsanwalt & Mediator Giuseppe M. Landucci„… Entwicklungen, die die Ehegatten bei Vertragsabschluss noch nicht vorhergesehen haben. Grundsätzlich gilt auch für den Inhalt eines Ehevertrags die Vertragsfreiheit. Diese Abschluss- und Inhaltsfreiheit …“ Weiterlesen
-
31.10.2016 anwalt.de-Redaktion„… Laufzeit bezahlt werden mussten. AGB trotz Auswahlmöglichkeit Im Grundsatz gilt in Deutschland Vertragsfreiheit. Das bedeutet, wer einen Vertrag über 72 Monate ohne Möglichkeit einer vorzeitigen Kündigung …“ Weiterlesen
-
19.10.2016 Rechtsanwalt Markus Jansen„… -rechtlichen Prüfung unterliegen. Trotz aller Regeln und aller arbeitsrechtlichen Hintergründe unterliegt ein Arbeitsvertrag grundsätzlich der Vertragsfreiheit. Ein Arbeitgeber darf hier niederschreiben, was ihm …“ Weiterlesen
-
14.09.2016 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„Ein Beitrag von Alexander Bredereck, Fachanwalt für Arbeitsrecht Berlin und Essen . Vertragsfreiheit: Ausgangsbasis der rechtlichen Betrachtung im Zusammenhang mit der Einordnung …“ Weiterlesen
-
29.08.2016 Rechtsanwalt Heiko Effelsberg LL.M.„… .) rügte die Verletzung seiner Vertragsfreiheit. Das Bundesverfassungsgericht hat sich in seiner Entscheidung im Wesentlichen mit der Einschränkung der Berufsfreiheit der Beschwerdeführer zu 1.) und 2 …“ Weiterlesen
-
22.08.2016 KUCKLICK dresdner-fachanwaelte.de„… ansehen, argumentieren wie folgt: Grundrechtlich liegt die Entscheidung, ob es zu einem weiteren Vertrag kommt, aufgrund der geschützten Vertragsfreiheit gemäß Art. 2 Abs. 1 GG bei beiden Vertragsparteien …“ Weiterlesen
-
18.08.2016 Rechtsanwalt Alexander Bredereck„… aber auf die tatsächliche Durchführung an. Umwandlung Arbeitsverhältnis in „freies Mitarbeiterverhältnis“ und umgekehrt grundsätzlich zulässig: Folge der grundrechtlich geschützten Vertragsfreiheit …“ Weiterlesen
-
25.07.2016 Rechtsanwalt Philipp Obladen„… Markenproduktes beruht. Viele fragen sich, was zu tun ist, wenn sich der Lieferant/Großhändler/Hersteller weigert, einen zu beliefern, bzw. die Lieferung einfach einstellt. „Vertragsfreiheit!“ rufen …“ Weiterlesen
-
21.07.2016 Christian Günther, anwalt.de-Redaktion„… beschränkten seine Vertragsfreiheit. Über die daher von ihnen gegen das Bestellerprinzip eingelegte Verfassungsbeschwerde entschied nun das Bundesverfassungsgericht. Eingriff in die freie …“ Weiterlesen