Abgasskandal: der aktuelle Status Quo zum „Thermofenster“ bei EuGH und BGH

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Der Bundesgerichtshof (BGH) sowie der Generalanwalt des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) haben Stellung bezogen, wann der Fahrzeughersteller wegen eines im Fahrzeug verbauten Thermofensters auf Schadenersatz haftet. Laut BGH kann man von einem verbauten Thermofenster allein nicht auf Haftung des Herstellers schließen. Beim EuGH deutet sich ein günstiges Urteil zugunsten der Käufer an:

BGH: Kläger haben sittenwidriges und vorsätzliches Verhalten des Herstellers darzulegen

Der BGH stellte klar, dass allein der Umstand, dass der Hersteller eine unzulässige Abschalteinrichtung – hier in Gestalt eines Thermofensters - verbaut habe, nicht allein den Schluss zulasse, dass der Hersteller sittenwidrig gehandelt habe. Ebenso lasse sich daraus allein nicht schließen, dass der Hersteller des Fahrzeugs einen künftigen Käufer willentlich habe schädigen wollen.

Der BGH blieb mit seinen Urteilen vom 16. September 2021 (Az. VII ZR 190/20; Az. VII ZR 286/20, Az. VII ZR 321/20 und Az. VII ZR 322/20) seiner bisherigen Linie weitgehend treu. Er stellte nunmehr allerdings klar, dass die Rechtsfrage, ob ein Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung sei, bislang nicht sicher habe beantwortet werden können. Folglich habe der jeweilige Käufer als Kläger vielmehr ergänzend darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, dass der Hersteller bewusst gegen Recht verstoßen habe und in Kauf genommen habe, hierdurch künftige Käufer zu schädigen.

Hingegen schließt der BGH eine Haftung wegen verbauter Thermofenster nicht kategorisch aus. Entscheidend bleibt vielmehr der Inhalt der jeweiligen Klage und die individuelle Prozesslage. Für eine Haftung der Hersteller spricht, wenn das Thermofenster vom Hersteller gegenüber dem Kraftfahrtbundesamt im Genehmigungsverfahren für die Vermarktung des Fahrzeugs unerwähnt geblieben ist.  

Generalanwalt des EuGH: Thermofenster sind unzulässige Abschalteinrichtungen

Der Schlussantrag des Generalanwalts Santos vom 23.09.2021 (Rechtssachen C‑128/20, C‑134/20 und C‑145/20) lässt auf ein käufergünstiges Urteil des EuGH hoffen:

Der Generalanwalt bestätigt, dass ein Thermofenster eine unzulässige Abschalteinrichtung sei. Entscheidend hierfür sei, dass das Thermofenster unter realen Betriebsbedingungen – also außerhalb des Prüfstandes – die Abgasgrenzwerte nicht einhalte.

Weiterhin könnten Hersteller die Abschalteinrichtung nur dann rechtfertigen, wenn hierdurch unmittelbare bzw. plötzlich eintretende Schäden vermieden werden sollen. Häufigere und auch kostspielige Wartungsarbeiten rechtfertigen eine Abschalteinrichtung gerade nicht.

Eine unzulässige Abschalteinrichtung kann nach Auffassung des Generalanwalts auch dann gegeben sein, wenn ein Thermofenster nachträglich – also nach dem Kauf z. B. per Update – verbaut bzw. programmiert werde.

Zudem sei ein Fahrzeug mit unzulässiger Abschalteinrichtung auch dann mangelhaft, wenn die EG-Typgenehmigung für das Fahrzeug noch vorliege bzw. der Käufer das Fahrzeug auch in Kenntnis des Thermofensters erworben hätte.

Sollte sich der Europäische Gerichtshof den Ausführungen des Generalanwalts anschließen, wären den Herstellern (insbesondere Volkswagen AG und Daimler AG) einige Argumente aus der Hand geschlagen und Erfolgsaussichten von Klagen würden sich deutlich verbessern. Dies gilt insbesondere für Kläger, die Fahrzeuge unmittelbar vom Hersteller gekauft haben.   

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Für den Fall von Fragen steht Ihnen Rechtsanwalt Philipp Neumann (Kanzlei 2vier2 in Frankfurt am Main) unter der Telefonnummer 069-770 394 690 bzw. per Mail unter neumann@kanzlei-2vier2.de zur Verfügung. Rechtsanwalt Philipp Neumann ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und seit über 15 Jahren in der Prozessführung tätig. Er vertritt seit 2016 Geschädigte (Aktionäre und Autokäufer) im Abgasskandal.



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