Approbation Ärzte: Gleichwertigkeit im Praktischen Jahr erreichen!

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Ich erhalte aktuell sehr viele Anfragen von Drittlandärzten, deren Gleichwertigkeit abgelehnt wurde, weil sie ein Defizit im Praktischen Jahr (PJ) hätten.

1. Ausgangslage: Was ist das Problem bei der Gleichwertigkeit?

Dazu folgendes: Früher wurde das PJ von den Behörden kaum geprüft. Der Fokus lag oft nur auf dem reinen Studium. Solange der Arzt ca. ein Jahr Berufserfahrung hatte (egal welche), gab es hier kein Defizit.

Nicht nur in Bayern, sondern auch in einigen anderen Bundesländern wie z. B. NRW hat sich das in den letzten Monaten komplett gedreht. Mittlerweile wird in vielen Fällen gesagt, das isolierte Studium sei gleichwertig. Dafür wird aber das PJ äußerst streng geprüft.

Aus Behördenperspektive ist das ein geschickter Schachzug. Ob ein Fach aus dem Studium defizitär ist und ob man das Defizit eventuell durch Berufserfahrung ausgleichen kann, darüber kann man sich lange streiten. Aber beim PJ ist das nicht so. Der Aufbau der Ausbildung und der Lebenslauf stehen meistens fest. Der Antragsteller hat in vielen Fällen gar keine Möglichkeit mehr, den Fall zu seinen Gunsten zu gestalten. Über diese Technik kann die Behörde viele Fälle schnell und unproblematisch rausprüfen.

2. Wie ist das PJ in Deutschland aufgebaut?

Das PJ in Deutschland besteht aus jeweils 4 Monaten Innere Medizin, Chirurgie und einem Wahlfach. Diese 12 Monate müssen Sie vom Aufbau und von der Länge so exakt wie möglich erfüllen. Es existiert eine Ausnahme für Ärzte, die insgesamt 12 Monate PJ hatten, wo nur der Aufbau anders ist. In den arabischen Ländern gibt es beispielsweise ein „Internship“ mit 12 Monaten, bei dem die Stationen sind kürzer, aber dafür vielfältiger sind. Das sei kein wesentlicher Unterschied.

Wenn Sie aber entweder gar kein Praktisches Jahr hatten (z. B. Aserbaidschan) oder nur 6 Monate (Ex-Jugoslawien) oder 12 Monate, aber nur in einem Fachgebiet (Internaturen in Russland/Weißrussland/Ukraine), dann haben Sie ein Problem.

3. Wie kann man das lösen? Kann ich mich „gleichwertig machen“?

Das Problem ist aber lösbar. Dafür müssen Sie Ihre max. 24 Monate Berufserlaubnis von Anfang an taktisch geschickt nutzen. Denn: Der maßgebliche Zeitpunkt für das Vorliegen der Gleichwertigkeit ist der Zeitpunkt der Entscheidung der Behörde (oder später des Gerichts). Sie müssen sich also gleichwertig machen. BEVOR Sie sich irgendwo bewerben, prüfen Sie, welche PJ-Abschnitte Ihnen fehlen und suchen sich danach Ihre Arbeitsplätze aus, damit Sie das Defizit durch Berufserfahrung ausgleichen können.

Mit Praktika oder Hospitationen zu arbeiten, ist gefährlich. Am sichersten fahren Sie, wenn Sie in diesen Zeiträumen eine Berufserlaubnis hatten. Auch das ist umstritten, aber wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, dann machen Sie das so. Das müssen Sie natürlich frühzeitig tun. Wenn Sie nur noch 2 Monate Berufserlaubnis haben und Sie müssten noch 4 Monate Chirurgie ausgleichen, dann reicht die Zeit nicht mehr.

4. In der Praxis paradoxe Ergebnisse

Was mich persönlich ärgert, weil ich mir nicht vorstellen kann, dass das im Sinne des Gesetzesgebers ist, ist folgender Aspekt. Das Praktische Jahr erfüllt verschiedene Aufgaben. Man muss sich überlegen, was Sinn und Zweck des praktischen Jahres ist. Sinn und Zweck ist nämlich nicht nur die in § 3 Abs. 4 S. 1 und 2 ÄApprO genannte Vertiefung und Erweiterung der im vorangegangenen Studium erworbenen ärztlichen Kenntnisse, Fähigkeiten und Fertigkeiten und deren Anwendung auf den einzelnen Krankheitsfall. Sinn und Zweck ist außerdem – und das ist mindestens genauso wichtig – die Befähigung, das theoretisch Erlernte zu kontrollieren, aufgrund eigener Einsicht am Patienten zu entscheiden und zu handeln und dadurch die schrittweise Übernahme ärztlicher Verantwortung.

Der Vergleichsmaßstab ist ein frischer Absolvent einer medizinischen Fakultät in Deutschland. Ohne echte Berufserfahrung. Jetzt gibt es Fälle mit sehr, sehr erfahrenen Ärzten, z. B. aus Russland mit 10-20 Jahren Berufserfahrung Chirurgie oder Anästhesiologie. Die schon tausende Patienten behandelt haben. Unendlich viele Dienste geschoben haben. Die seit Jahrzehnten Verantwortung übernehmen. Aber diese Ärzte haben oft Berufserfahrung nur in ihrem Fachgebiet.

Wenn jetzt die Behörde kommt und sagt, die Gleichwertigkeit läge nicht vor, weil z. B. 4 Monate Innere Medizin aus dem PJ fehlen, obwohl derjenige „nur“ 20 Jahre Berufserfahrung in der Chirurgie hat, dann ist das grob falsch. Und respektlos gegenüber den ausländischen Ärzten. Es kann nicht sein, dass von solch einem Arzt eine Patientengefährdung ausgeht, nur weil ihm 4 Monate Innere Medizin fehlen.

Solche paradoxen Ergebnisse gibt es nicht selten, weil die Gleichwertigkeit nach Schema F und schablonenartig geprüft wird, aber keiner hinterfragt, ob das Ergebnis Sinn ergibt. Bei solchen Konstellationen muss man sich zur Wehr setzen.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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