Arbeitszeit und Arbeitsschichten: Alleinerziehende keinen Anspruch auf bessere Arbeitsschichten

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„Werden die Arbeitszeiten von Beschäftigten mit Kindern festgelegt, müssen Arbeitgeber nach Möglichkeit auch Rücksicht auf die Kinderbetreuung nehmen. Arbeitgeber müssen andere Beschäftigte mit Kindern allerdings nicht für die ungünstigsten Schichten einteilen, um den Arbeitszeitwünschen einer Alleinerziehenden Rechnung zu tragen. Das zeigt eine Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern (Az.: 5 Sa 139/22).“ Quelle: Frankfurter Allgemeine Zeitung.de vom 08.September 2023.

Laut LAG Mecklenburg-Vorpommern, Urteil vom 13.07.2023, 5 Sa 139/22, wird diese Entscheidung wie folgt begründet: „Bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit muss der Arbeitgeber nach Möglichkeit auch auf die Personensorgepflichten des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen, sofern betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer/innen nicht entgegenstehen.“

Arbeitgeber muss familiäre Verhältnisse laut Gericht nicht in ihren Einzelheiten erforschen

LAG: „Der Arbeitgeber darf sich bei der Interessenabwägung auf die ihm ohne weiteres nachvollziehbaren persönlichen Umstände der Beschäftigten beschränken, ohne die familiären Verhältnisse in ihren Einzelheiten näher erforschen zu müssen. Das ist ihm schon aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre seiner Beschäftigten verwehrt. Zudem kann er regelmäßig nicht zuverlässig feststellen, welche Anstrengungen seine Mitarbeiter/innen jeweils unternehmen bzw. unternehmen müssen oder können, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Dass es anderen Mitarbeiterinnen gelingt, ihre arbeitsvertraglichen und ihre familiären Pflichten miteinander zu vereinbaren, rechtfertigt es nicht, diese durch die vermehrte Zuweisung ungünstiger Schichten zusätzlich zu belasten und gegenüber einer alleinerziehenden Arbeitnehmerin zu benachteiligen.“ Quelle: Beck-online.de

Was war passiert?

LAG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O.: „Die Parteien streiten über eine generelle Freistellung von Früh- und Spätschichten sowie von Samstagsarbeit aus Gründen der Kinderbetreuung. Die im Januar 1989 geborene Klägerin nahm im Jahr 2008 bei der Beklagten, die in Norddeutschland zahlreiche Bäckereifilialen betreibt, eine Ausbildung auf. Im Anschluss daran arbeitete sie als Bäckereiverkäuferin in einer Filiale der Beklagten in L-Stadt und wechselte später zu einer Filiale in S-Stadt…

Die Klägerin gebar am ... 07.2020 Zwillinge und befand sich bis zum 17.07.2021 in Elternzeit. Anschließend war sie zunächst arbeitsunfähig. Die Kinder besuchen eine in Wohnortnähe befindliche Kindertagesstätte, geöffnet montags bis freitags von 07:00 bis 17:00 Uhr.“ Quelle: Beck-online.de

Abmahnung erteilt, weil zur Arbeitsaufnahme nicht erschienen

LAG: „Mit Schreiben vom 27.09.2021 erteilte die Beklagte der Klägerin eine Abmahnung, weil sie an diesem Tag nicht zur Arbeitsaufnahme um 05:30 Uhr erschienen war und bis jedenfalls 12:15 Uhr eine weitere Arbeitsunfähigkeit nicht mitgeteilt hatte.

Sonderwunsch der alleinerziehenden Klägerin hätte zu einer wesentlichen Änderung des Organisationskonzeptes geführt

„Die von der Klägerin gewünschte Verteilung der Arbeitszeit führt nicht nur zu einer geringfügigen, sondern zu einer wesentlichen Beeinträchtigung des Organisationskonzepts. Das bisherige Schichtmodell mit einer annähernd gleichen Belastung aller Mitarbeiterinnen durch einen regelmäßigen Wechsel käme nicht mehr in Betracht. Die Beklagte wäre gezwungen, den Einsatz aller Beschäftigten von Grund auf neu zu organisieren….

Bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit muss der Arbeitgeber nach Möglichkeit auch auf die Personensorgepflichten des Arbeitnehmers Rücksicht nehmen, sofern betriebliche Gründe oder berechtigte Belange anderer Arbeitnehmer nicht entgegenstehen. Geht es um die Personensorge für ein Kind, hat der Arbeitnehmer eine durch Art. 6 GG geschützte Rechtsposition, was seine Rechtsposition in der Abwägung verstärkt“. – so das LAG Mecklenburg-Vorpommern, a.a.O., klarstellend. Quelle: Beck-online.de

Unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers ist bei der Interessenabwägung zu berücksichtigen

LAG: „Bei der Interessenabwägung ist aber auch die ebenfalls grundrechtlich geschützte unternehmerische Freiheit des Arbeitgebers (Art. 12, Art. 14 und Art. 2 Abs. 1 GG) zu berücksichtigen, zu der es gehört, die betrieblichen Abläufe unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Gesichtspunkte und Anforderungen festzulegen. Im Übrigen sind nicht nur die Interessen einzelner Beschäftigter, sondern diejenigen aller betroffenen Mitarbeiter/innen zu berücksichtigen.“ Quelle: Beck-online.de

Keine Verpflichtung für den Arbeitgeber, sich vor Erstellung des Schichtplans nach den jeweils aktuellen persönlichen Lebensverhältnissen seiner Beschäftigten zu erkundigen

LAG: „Der Arbeitgeber darf sich bei der Abwägung auf die ihm ohne weiteres nachvollziehbaren persönlichen Umstände der Beschäftigten beschränken, ohne die familiären Verhältnisse in ihren Einzelheiten näher erforschen zu müssen. Er muss sich nicht vor Erstellung des Schichtplans nach den jeweils aktuellen persönlichen Lebensverhältnissen seiner Beschäftigten erkundigen und diese ggf. überprüfen. Das ist ihm schon aus Gründen des Schutzes der Privatsphäre seiner Beschäftigten verwehrt. Zudem kann er in der Regel nicht zuverlässig feststellen, welche Anstrengungen seine Mitarbeiter/innen jeweils unternehmen bzw. unternehmen müssen oder können, um die Kinderbetreuung sicherzustellen. Insbesondere ist der Arbeitgeber nicht in der Lage zu prüfen, ob es nicht doch zumutbare anderweitige Möglichkeiten einer Betreuung gibt, sei es durch den anderen Elternteil, Lebenspartner, Angehörige, Verwandte, Freunde etc. oder eben durch Dienstleister wie Kindertagesstätten oder Tagesmütter.“ Quelle: Beck-online.de

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