Aufhebungsvertrag - Beseitigung bei Geistesstörung des Arbeitnehmers oder bei Verstoß gegen faires Verhalten durch den Arbeitgeber

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Viele Arbeitnehmer unterzeichnen voreilig, in einer Drucksituation, auf Zwang des Arbeitgebers, überrumpelt oder unüberlegt einen Aufhebungsvertrag.

Nicht selten fragen sich Arbeitnehmer dann, was sie unternehmen können, wenn sie den Aufhebungsvertrag doch nicht unterzeichnen wollten.

                                                                                                                                                                                                                                                                                                               

Geisteszustand

Ein Aufhebungsvertrag kann deswegen unwirksam sein, wenn ein Arbeitnehmer die Annahme des entsprechenden Vertragsangebots in einem Zustand vorübergehender Störung ihrer Geistestätigkeit im Sinne von. § 105 Abs. 2 Alt. 2 BGB erklärt hat und die Willenserklärung deshalb nichtig ist.

Hier ist die Messlatte sehr hochgesteckt, denn der Arbeitnehmer muss möglichst durch ärztliche Atteste belegen und beweisen, dass er bei der Unterschrift unter dem Aufhebungsvertrag geistesgestört war.

 

Verstoß gegen das sog. Gebot fairen Verhandelns 

Der Aufhebungsvertrag könnte jedoch unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen und deshalb unwirksam sein.

Die Gefahr einer möglichen Überrumpelung des Arbeitnehmers bei Vertragsverhandlungen, zB weil diese zu ungewöhnlichen Zeiten oder an ungewöhnlichen Orten stattfinden, kann mit dem Gebot fairen Verhandelns begegnet werden.

Bei dem Gebot fairen Verhandelns handelt es sich im Zusammenhang mit der Verhandlung eines arbeitsrechtlichen Aufhebungsvertrags um eine durch die Aufnahme von Vertragsverhandlungen begründete Nebenpflicht iSd. § 311 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 241 Abs. 2 BGB, weil der Aufhebungsvertrag ein eigenständiges Rechtsgeschäft ist.

Bei der Bestimmung der Pflichten nach § 241 Abs. 2 BGB ist jedoch zu berücksichtigen, dass sich die Parteien eines Aufhebungsvertrags zum Zeitpunkt der Vertragsverhandlungen bereits in einem Schuldverhältnis, nämlich ihrem Arbeitsverhältnis, befinden.

Die aus dem Arbeitsverhältnis stammenden Verpflichtungen zur wechselseitigen Rücksichtnahme gemäß § 241 Abs. 2 BGB strahlen auf die Verhandlungen bzgl. der Beendigung des Arbeitsverhältnisses aus.

Das Gebot fairen Verhandelns schützt unterhalb der Schwelle der von §§ 105, 119 ff. BGB erfassten Willensmängel die Entscheidungsfreiheit bei Vertragsverhandlungen.

Nach § 241 Abs. 2 BGB kann das Schuldverhältnis nach seinem Inhalt jeden Teil zur Rücksicht auf die Rechte, Rechtsgüter und Interessen des anderen Teils verpflichten.

Bei Verhandlungen über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags kann eine Seite gegen ihre Verpflichtungen aus § 241 Abs. 2 BGB verstoßen, wenn sie eine Verhandlungssituation herbeiführt oder ausnutzt, die eine unfaire Behandlung des Vertragspartners darstellt

Eine Verletzung stellt es dar, wenn eine der Vertragsparteien z.B. eine psychische Drucksituation schafft, die eine freie und überlegte Entscheidung des Vertragspartners über den Abschluss eines Aufhebungsvertrags erhebliche erschwert.

In seinen Grundzügen soll das Gebot fairen Verhandelns also vor zumindest ähnlichen Fehlentscheidungen schützen, die auch mit dem Widerrufsrecht für Verbraucher adressiert werden.

Eine psychische Drucksituation kann in der krankheitsbedingten Schwäche eines Arbeitnehmers gesehen werden könnte, die der Arbeitgeber zu seinen Gunsten ausgenutzt hat.

Liegt ein schuldhafter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns im Sinne einer Nebenpflichtverletzung gemäß § 241 Abs. 2 BGB vor, ist der Aufhebungsvertrag im Regelfall unwirksam.

Verletzt der Arbeitgeber das Gebot fairen Verhandelns und damit eine vertragliche Nebenpflicht (§ 280 Abs. 1 S. 1 BGB), ist gem. § 249 Abs. 1 BGB grundsätzlich Naturalrestitution zu leisten.

Daraus folgt, dass der Arbeitnehmer so zu stellen ist, als wenn der Aufhebungsvertrag nicht geschlossen worden wäre.

Im Ergebnis führt der Schadensersatzanspruch zum Fortbestand des Arbeitsverhältnisses.

Damit kann festgehalten werden, dass arbeitsrechtliche Aufhebungsverträge nunmehr nicht ausschließlich im Lichte des Anfechtungsrechts betrachtet werden müssen.

Auch aus dem allgemeinen Schadensersatzrecht können sich Auswirkungen auf das rechtliche Schicksal des Aufhebungs- und damit auch Arbeitsvertrags ergeben, nämlich dann, wenn der Aufhebungsvertrag unter Verstoß gegen das Gebot fairen Verhandelns zustande gekommen ist.

                                           

Foto(s): kanzlei JURA.CC

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