Aufmaßpflicht bleibt bei AN, außer AG verweigert grundlos Teilnahme

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KG, Urteil vom 24.09.2021 - 7 U 35/15; BGH, Beschluss vom 19.10.2022 - VII ZR 852/21 (Nichtzulassungsbeschwerde zurückgewiesen) BGB § 640; VOB/B § 14 Abs. 1

Die Feststellung der real erbrachten Bauleistungen erfordert in der Regel ein Aufmaß, welches vorzugsweise direkt am Bauort und nicht ausschließlich auf der Grundlage von Bauplänen durchgeführt werden sollte. Diese Praxis ist nicht nur eine formale Anforderung, sondern dient der genauen und fairen Erfassung der tatsächlich erbrachten Arbeiten und damit der korrekten Abrechnung zwischen den Vertragsparteien.
In Fällen, in denen das gemeinsam vereinbarte Aufmaß nicht zustande kommt, führt dies nicht automatisch zu einer Umkehr der Beweislast zugunsten des Auftragnehmers hinsichtlich der von ihm behaupteten Leistungserbringung. Die Grundregel besagt, dass die Beweislast für die Erbringung und die Korrektheit der abgerechneten Leistungen beim Auftragnehmer liegt. Diese Beweisführungspflicht bleibt bestehen, es sei denn, es kommt zu spezifischen Umständen, die eine Beweislastumkehr rechtfertigen könnten.
Eine solche Umkehr der Beweislast kann nur dann angenommen werden, wenn der Auftraggeber aktiv zur Teilnahme an einem Aufmaß aufgefordert wird, dieser die Teilnahme jedoch ohne triftigen Grund verweigert und die Durchführung eines neuen Aufmaßes aus praktischen Gründen nicht mehr möglich ist. Dies könnte beispielsweise der Fall sein, wenn das Bauwerk bereits durch einen Drittunternehmer fertiggestellt wurde oder wenn nachfolgende Bauarbeiten die ursprünglichen Zustände überdeckt haben, sodass eine nachträgliche genaue Erfassung nicht mehr machbar ist.
In dem konkret vom Kammergericht am 24. September 2021 unter dem Aktenzeichen 7 U 35/15 und vom Bundesgerichtshof am 19. Oktober 2022 unter dem Aktenzeichen VII ZR 852/21 beurteilten Fall forderte ein Auftragnehmer Restwerklohn aus einem vorzeitig beendeten VOB/B-Bauvertrag. Die Parteien konnten sich nicht auf ein gemeinsames Aufmaß einigen, was zu einer Auseinandersetzung darüber führte, welche Leistungsangaben als Grundlage für die Abrechnung dienen sollten. Der Bundesgerichtshof bestätigte die Entscheidung, dass die Beweislast für die Erbringung der abgerechneten Leistungen beim Auftragnehmer verbleibt, da der Auftraggeber die Teilnahme am Aufmaß nicht grundlos verweigerte. Der Auftragnehmer hatte die notwendigen Unterlagen nicht rechtzeitig vorgelegt, was die Teilnahme des Auftraggebers am Aufmaßtermin verhinderte.
Dieser Fall unterstreicht die Wichtigkeit der Kooperation zwischen den Vertragsparteien, insbesondere nach der Fertigstellung des Werks oder einer vorzeitigen Vertragsbeendigung durch Kündigung. Die VOB/B sieht vor, dass ein Aufmaß möglichst gemeinsam durchgeführt werden sollte, um späteren, aufwändigen Streitigkeiten vorzubeugen. Diese Empfehlung spiegelt das Interesse beider Parteien wider: Auf der einen Seite möchte der Auftragnehmer die erbrachten Leistungen korrekt feststellen und abrechnen können, auf der anderen Seite ermöglicht die genaue Dokumentation des Bauzustands dem Auftraggeber eine risikoärmere Fortsetzung des Bauvorhabens.

Foto(s): Udo Kuhlmann


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