Ausbildungszeit bei Kündigung und Abfindung – Wird die Ausbildungszeit berücksichtigt?
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Bei einer Kündigung und der Berechnung einer möglichen Abfindung stellen sich viele Arbeitnehmer die Frage, ob die Zeit der Ausbildung im Betrieb angerechnet wird und somit die Betriebszugehörigkeit und damit eventuell auch die Höhe einer Abfindung beeinflusst. Eine solche Anrechnung der Ausbildungszeit hängt von verschiedenen Faktoren ab, und es gibt dabei rechtliche Feinheiten zu beachten.

Ausbildungszeit und deren Auswirkungen auf die Betriebszugehörigkeit
Nach dem deutschen Berufsbildungsgesetz (§ 22 BBiG) endet das Ausbildungsverhältnis formal mit Bestehen der Abschlussprüfung. Ab diesem Zeitpunkt handelt es sich rechtlich nicht mehr um ein Ausbildungsverhältnis, sondern um ein beendetes Beschäftigungsverhältnis, das nicht automatisch in ein festes Arbeitsverhältnis übergeht. Hierfür wäre ein gesonderter Arbeitsvertrag erforderlich, durch den der ehemalige Auszubildende in ein reguläres Beschäftigungsverhältnis übernommen wird.
In der Praxis kommt es häufig vor, dass Arbeitgeber den ehemaligen Auszubildenden nach erfolgreichem Abschluss in ein Arbeitsverhältnis übernehmen. Allerdings bedeutet dies nicht zwingend, dass die Ausbildungszeit für die Betriebszugehörigkeit angerechnet wird. Die meisten Arbeitgeber und auch die Rechtsprechung sehen die Ausbildungszeit eher als Sonderfall an, der häufig nicht direkt auf die Betriebszugehörigkeit zählt.
Gesetzliche Regelung zur Betriebszugehörigkeit und Abfindungsberechnung
Nach § 1 des Kündigungsschutzgesetzes (KSchG) spielt die Betriebszugehörigkeit eine wichtige Rolle bei der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung und der Berechnung einer möglichen Abfindung. Bei vielen Abfindungsregelungen wird für jedes vollendete Jahr der Betriebszugehörigkeit eine halbe Bruttomonatsvergütung als Basisbetrag für die Abfindung herangezogen.
Da die Ausbildungszeit im rechtlichen Sinne oft als befristetes Sonderverhältnis angesehen wird, bleibt sie bei der Berechnung der Betriebszugehörigkeit meist unberücksichtigt. Dies kann sich nachteilig auf die Höhe der Abfindung auswirken.

Wann kann die Ausbildungszeit angerechnet werden?
In bestimmten Fällen kann die Ausbildungszeit dennoch in die Berechnung der Betriebszugehörigkeit und somit auch in die Abfindung einfließen:
- Individuelle Vereinbarungen: Wenn im Arbeitsvertrag eine Vereinbarung getroffen wurde, die die Ausbildungszeit als Betriebszugehörigkeit anrechnet, zählt diese mit.
- Betriebliche Regelungen und Tarifverträge: Es gibt Tarifverträge oder innerbetriebliche Regelungen, die festlegen, dass die Ausbildungszeit für die Betriebszugehörigkeit berücksichtigt wird. Ob dies auf Ihren Fall zutrifft, hängt vom Betrieb und den geltenden Tarifverträgen ab.
- Übergang nahtlos in ein Arbeitsverhältnis: Wenn der Arbeitnehmer nach der Ausbildung unmittelbar in ein festes Arbeitsverhältnis übernommen wurde, besteht unter Umständen die Möglichkeit, dass man argumentieren kann, dass die Zeit durchgehend anzurechnen ist.
Rechtliche Einordnung und potenzielle Abfindung
Die Berechnung einer Abfindung unterliegt keinen starren gesetzlichen Vorgaben, sondern ist oftmals Verhandlungssache. Die Faustregel, dass eine halbe Bruttomonatsvergütung pro Jahr der Betriebszugehörigkeit gezahlt wird, dient häufig nur als Orientierung. So kann die Anrechnung der Ausbildungszeit im Einzelfall eine Verhandlungsbasis bieten, insbesondere, wenn der Arbeitnehmer über viele Jahre hinweg im Unternehmen tätig war. Auch eine längere Betriebszugehörigkeit wirkt sich unter Umständen positiv auf die sozialen Gesichtspunkte aus, die bei einer Kündigung berücksichtigt werden müssen (wie z. B. Alter und Dauer der Betriebszugehörigkeit).

Rechtstipp
Ob Ihre Ausbildungszeit tatsächlich auf die Betriebszugehörigkeit angerechnet wird und damit die Höhe der Abfindung beeinflusst, hängt von zahlreichen Faktoren ab, insbesondere von den Regelungen in Ihrem Arbeitsvertrag, möglichen Tarifvereinbarungen oder innerbetrieblichen Regelungen. Um Ihre Rechte im Kündigungsfall bestmöglich zu sichern und eine realistische Einschätzung zur Höhe einer möglichen Abfindung zu erhalten, ist es ratsam, anwaltlichen Rat einzuholen. Ein Fachanwalt für Arbeitsrecht kann prüfen, ob die Ausbildungszeit im Rahmen Ihrer individuellen Situation berücksichtigt werden kann und Ihnen bei der Verhandlung einer fairen Abfindung zur Seite stehen.

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