Berücksichtigung ausländischer Lebensverhältnisse beim Kindesunterhalt für ein im Ausland lebendes Kind

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Lebt ein Unterhaltsschuldner in Deutschland und wird hier auf Kindesunterhalt gerichtlich in Anspruch genommen, bemisst sich der Kindesunterhalt grundsätzlich nach den deutschen materiellen Vorschriften auch dann, wenn das Kind im Ausland lebt. Dies ergibt sich aus Art. 4 Abs. 3 Haager Unterhaltsprotokoll (HUP).

Grundsätzlich wird also das Einkommen und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltsschuldners ganz normal nach dem BGB, genauer § 1601 ff. BGB, ermittelt. Lebt das unterhaltsberechtigte Kind jedoch im Ausland, können die auf die Lebensverhältnisse in Deutschland bezogenen Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle nicht unbesehen übernommen werden. 

So sah dies zuletzt auch das Amtsgericht Büdingen,  welches für ein in der Slowakei lebendes Kind berücksichtigte, welchen Betrag unter Einbeziehung der Kaufkraft und der Geldwertparität der Unterhaltsberechtigte (das Kind) an seinem Aufenthaltsort zur Deckung seines Bedarfs aufwenden muss. Für die danach erforderliche Umrechnung kann auf die sog. Ländergruppeneinteilung des Bundesfinanzminsteriums nach § 33a EStG zurückgegriffen werden.

In dieser Ländergruppenübersicht wurden diverse Länder weltweit in 4 Gruppen eingeteilt. Nämlich Lebenshaltungskosten im Vergleich zu Deutschland 100 % (Gruppe 1), 75 % (Gruppe 2), 50 % (Gruppe 3) oder 25 % (Gruppe 4) der deutschen Verhältnisse. Da die Slowakei in Gruppe 2 eingestuft ist, beträgt der Bedarf somit 75 % des Tabellenbetrages der Düsseldorfer Tabelle. 

Hinzu kommt, dass Grundsätzlich auch 50 % des Kindesgeldes auf den Bedarf des Kindes anzurechnen und somit vom Unterhaltsbetrag abzuziehen sind. Der Unterhaltsberechtigte hat nämlich vorrangige Sozialleistungen zu beantragen und ggf. auch durchzusetzen. In der Slowakei ist der staatliche Kindergeldanspruch zwar wesentlich geringer, allerdings hätte das Kind vorliegend einen Anspruch auf den Differenzbetrag gemäß § 62 EStG, § 1 BKKG und der Verordnungen (EG) Nr. 883/2004 (Art. 67 und 68) und 987/2009 (Art. 60 Abs. 1 Satz 2) von der deutschen Familienkasse gehabt. Trotzdem die Mutter des Kindes dieses Kindergeld aus Deutschland gar nicht beantragt hat, hätte sie dazu eine Verpflichtung gehabt. Ihr bzw. dem Kind wird das deutsche Kindergeld daher in Höhe von 50 % angerechnet, obwohl es dieses gar nicht erhalten hat.

Im Ergebnis hatte der Unterhaltsschulder also nur 75 % des Zahlbetrages aus der Düsseldorfer Tabelle zu zahlen.

Für ein in Thailand lebendes Kind beträgt laut Ländergruppeneinteilung der Tabellenbetrag aktuell übrigens 50 %, wobei aber zu berücksichtigen ist, dass ein Kind dort keinen Anspruch auf staatliche Leistungen wie Kindergeld etc. hat und auch kein deutsches Kindergeld erhalten kann, da Thailand kein EU-Mitglied ist. Daher kann auch kein Kindergeld bedarfsmindernd angerechnet werden.

Amtsgericht Büdingen, Beschluss vom 28.06.2021 - 53 F 55/21

So entschied im Übrigen auch bereits das Kammergericht durch Urteil vom 07.09.2001 - 3 UF 9399/00.

Übrigens kann die Zahlung von Kindesunterhalt auch steuerlich absetzbar sein, das heißt, die eigene Steuerlast reduzieren. 2021 liegt die absetzbare Höchstgrenze dafür bei 9.744 EUR. Dies geht aber nur dann, wenn von den Eltern weder ein Kinderfreibetrag noch staatliches Kindergeld in Anspruch genommen werden. Dann wird der tatsächlich gezahlte Kindesunterhalt als sog. außergewöhnliche Belastung anerkannt, § 33 EStG. Anderweitige Einkünfte des Kindes über aktuell 624 EUR im Jahr müssen gemäß § 33a Abs. 1 Satz 5 EStG allerdings auf den steuerlichen Freibetrag des Unterhaltsschuldners angerechnet werden. 

In jedem Fall muss der Empfänger des Unterhalts bzw. der betreuende Elternteil auch noch eine sog. zweisprachige Unterhaltserklärung gegenüber dem Finanzamt des Unterhaltschuldners abgeben.  Den entsprechenden Vordruck in zahlreichen Sprachen finden Sie hier:  Unterhaltserklärung zweisprachig.  

Nicole Rinau

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Sozialrecht

Foto(s): @buemlein

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