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Betriebliche Rente 2.0: gezillmerte Verträge

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In unserem letzten Rechtstipp ging es um die Haftung von Arbeitgebern gegenüber Arbeitnehmern in Bezug auf die betriebliche Rente. Nun beschäftigen wir uns detailliert mit der Zillmerung der Vertragsschlusskosten. Wir erklären, warum Zillmerung in der betrieblichen Rente für Arbeitnehmer große Gefahren birgt und was diese dagegen unternehmen können.

Ein Fallbeispiel:

Ein Kläger hatte bis zu seinem Ausscheiden aus dem Unternehmen nach knapp drei Jahren insgesamt 6.230,00 € im Wege der betrieblichen Altersvorsorge gezahlt. Zum Zeitpunkt des Ausscheidens belief sich der Rückkaufswert des Versicherungsvertrags jedoch nur auf 639,00 €. Das Landgericht München entschied, dass dem Kläger der Differenzbetrag vom Arbeitgeber zu erstatten sei. 

Wie kann zwischen der Summe der Einzahlungen und dem Rückkaufswert eine so hohe Differenz entstehen?

Es kann, je nach Versicherungsvertrag, einige Jahre dauern, bis der Ansparvorgang eines Vertrags tatsächlich beginnt und ein Rückkaufswert gebildet wird. Dies ist bei gezillmerten Verträgen der Fall.

Was sind gezillmerte Verträge?

Unter Zillmerung versteht man den Umstand, dass der wirtschaftliche Wert eines Versicherungsvertrags anfangs deutlich geringer ist als die Summe der bereits gezahlten Beiträge. Die ersten Jahresprämien werden bei solchen Verträgen, gänzlich oder in Teilen, für die Provision des Vermittlers und die Abschlussgebühr verwendet. Der Rückkaufswert ist daher in den ersten Jahren deutlich geringer als die Summe der gezahlten Prämien.

Scheidet ein Arbeitnehmer also aus dem Betrieb aus, bevor der Rückkaufswert die eingezahlten Prämien übersteigt, drohen ihm hohe Verluste.

Rechtsprobleme der Zillmerung

Tatsächlich verstößt Zillmerung gegen einige gesetzliche Vorschriften und Gebote, z. B.:

  • Verletzung der arbeitsvertraglichen Fürsorgepflicht (§ 611 i.V.m. § 241 Abs. 2 BGB)
  • Verstoß gegen das Wertgleichheitsgebot
  • Einschränkung der gesetzlichen Flexibilität (§ 1a Abs. 1 Satz 5 BetrAVG)
  • Widerspruch zu den Vorschriften zur Portabilität (§ 4 BetrAVG)
  • Unvereinbarkeit mit der Zielsetzung des Gesetzgebers (Ziel des Gesetzgebers ist es, der Altersarmut entgegenzuwirken und Versorgungslücken zu schließen.)

Was kann ich als Arbeitnehmer dagegen tun?

Der Arbeitnehmer hat für gewöhnlich Leistungs-, Erfüllungs- und u. U. Unterlassungsansprüche, die er einklagen kann.

Vereinfacht ausgedrückt:

Entstehen dem Arbeitnehmer aus einem gezillmerten Vertrag Nachteile in seiner betrieblichen Altersvorsorge, so hat er Anspruch darauf, dass diese ausgeglichen werden. Nicht selten handelt es sich dabei um hohe Geldbeträge.

Auch das Landesarbeitsgericht München hat besagten Erfüllungsanspruch des Arbeitnehmers in seinem Urteil vom 15.03.2007 – Az. 4 Sa 1152/06 – bestätigt. So musste eine Arbeitgeberin (Beklagte) ihrem Arbeitnehmer (Kläger) insgesamt 5.591,00 € zahlen.

Wer sind die Betroffenen?

Da bei gezillmerten Verträgen in der Regel erst nach mehreren Jahren ein positives Vertragsguthaben entsteht, ergibt sich vor allem für Arbeitnehmer, die häufig den Arbeitsplatz wechseln bzw. wechseln müssen, das Risiko, dass nur geringe Versorgungsanwartschaften angesammelt werden.

Wo kommt Zillmerung zum Einsatz?

Gezillmerte Verträge sind in allen fünf möglichen Versicherungsarten wiederzufinden:

  • Direktzusage/Pensionszusage
  • Direktversicherung
  • Pensionsfonds
  • Pensionskasse
  • Unterstützungskasse

Es dürfte daher eine beachtliche Zahl von Fällen geben, bei denen der Arbeitnehmer seinen Anspruch erst noch geltend machen muss. Das dürfte unter anderem darauf zurückzuführen sein, dass gezillmerte Verträge meistens nicht ohne tiefere Sachkenntnis als solche zu erkennen sind. Eine Vertragsprüfung und eine Vergleichsberechnung durch einen Fachanwalt können dem Arbeitnehmer Aufschluss darüber geben, ob eine „verdeckte“ Zillmerung und folglich eine Haftung des Arbeitgebers vorliegt.

Arbeitnehmer sollten ihren Versicherungsvertrag daher unbedingt prüfen lassen, um ihre betriebliche Rente zu retten bzw. zu sichern.



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