BGH: Familiengerichte dürfen Schulen keine Anordnungen hinsichtlich Coronamaßnahmen erteilen

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Das höchste deutsche Zivilgericht, der Bundesgerichtshof, hat am 06.10.2021 durch einen jetzt erst veröffentlichten Beschluss entschieden, dass es keine Zuständigkeit von Familiengerichten für den Erlass von Anordnungen gegenüber Schulen für das Unterlassen von Corona-Schutzmaßnahmen gibt. 

Eine erziehungsberechtigte Person hatte bei einem Familiengericht, dem Amtsgericht Wesel, ein sogenanntes Kinderschutzverfahren nach § 1666 BGB eröffnet und beantragt, dass das Gericht gegenüber Lehrkräften und Schulleitung anordnet, dass insbesondere das Tragen einer Maske, Abstandsgebote und Coronatests bei dem 15-jährigen Kind nicht verpflichtend bzw. durchzuführen sind.

Die oben genannten Maßnahmen waren schulintern angeordnet worden und beruhten mutmaßlich auf entsprechenden Corona-Schutzverordnungen.

Bei einem Verfahren nach § 1666 Abs. 1, Abs. 4 BGB kann das Gericht bei der Gefährdung des Kindeswohls Maßnahmen anordnen, die zur Abwendung einer Gefahr für das Kind erforderlich sind. Diese Schutzanordnungen können auch Dritte betreffen. 

Der BGH hat nunmehr jedoch ausgeführt, dass diese Vorschrift nicht umfasst, dass das Familiengericht gegenüber einer Schule Maßnahmen anordnen kann, auch wenn sie der Durchsetzung des Kindeswohls dienen sollen. Behörden seien immer an Grundrechte gebunden und die gerichtliche Kontrolle des Behördenhandels, vor allen Dingen auch hinsichtlich Infektionsschutzmaßnahmen, obliegt allein den Verwaltungsgerichten. 

So hatte das im Übrigen auch das zuerst angerufene Familiengericht Wesel angenommen und die Angelegenheit an das zuständige Verwaltungsgericht verwiesen. Dieses wiederum nahm die Verweisung nicht an und verwies auf die Zuständigkeit der Familiengerichte und sendete faktisch die Akten zurück. Unterm Strich stritten sich also hier zwei Gerichtszweige um die sachliche Zuständigkeit. Daher rief das Amtsgericht Wesel den Bundesgerichtshof zur Bestimmung des zuständigen Gerichtszweigs an. 

Dieser stellte wie oben dargelegt fest, dass jedenfalls nicht die Familiengerichte zuständig sind. Interessanterweise ging er aber auch davon aus, dass ein fälschlicherweise angerufenes Familiengericht die Akte dann auch nicht an das Verwaltungsgericht abgeben müsste, sondern das Verfahren sei "ersatzlos" vom Familiengericht einzustellen. Die Antragsteller müssen sich daher mit einem neuen Antrag direkt an das Verwaltungsgericht wenden.

Deutschlandweit waren durch eine höchst umstrittene Entscheidung des Amtsgerichts Weimar derartige Anträge nach § 1666 BGB bei den Familiengerichten eingegangen und hatten zu den interessantesten rechtlichen Fragen, wie hier beispielsweise der Verweisungsbefugnis und der Zuständigkeit, geführt. 

Der BGH dürfte diese Angelegenheit dahingehend nunmehr ein für alle Mal abschließend geklärt haben.

Bundesgerichtshof, Beschluss vom 06.10.2021 - XII ARZ 35/21

Nicole Rinau

Rechtsanwältin

Fachanwältin für Familienrecht

Fachanwältin für Sozialrecht





Foto(s): @buemlein

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