BGH: Mindestens 5 % bis 15 % des Kaufpreises als Schadenersatz im Abgasskandal

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Der Bundesgerichtshof (BGH) hat entschieden, dass Autokäufer, für deren Fahrzeug eine fahrlässig falsche EG-Übereinstimmungsbescheinigung erteilt worden ist, einen Teil des Kaufpreises zurückverlangen können. Den Schaden bemisst der BGH grundsätzlich mit 5 % bis 15 % des Kaufpreises. Autokäufer haben jedoch die Möglichkeit, auf der Grundlage eines Sachverständigengutachtens einen höheren Schadenersatz geltend zu machen. Damit steht Klägern im Abgasskandal grundsätzlich ein Schadenersatzanspruch zu, wenn deren Fahrzeuge mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen sind, der Hersteller unentschuldbar fahrlässig gehandelt hat und der Schadenersatz durch eine Wertsteigerung infolge eines Software-Updates nicht aufgezehrt wird.

Rückabwicklung des Kaufs nur bei vorsätzlich sittenwidriger Schädigung

Nachdem der Europäische Gerichtshof im März 2023 (Rechtssache C-100/21) entschieden hatte, dass Käufern von Fahrzeugen mit unrichtiger EG-Übereinstimmungsbescheinigung ein Schadenersatzanspruch zusteht, hat der BGH nunmehr seine Rechtsprechung angepasst und bejaht im Abgasskandal mindestens eine Teilerstattung des Kaufpreises. Fehlt es daneben an einer vorsätzlich sittenwidrigen Handlung des Herstellers (§ 826 BGB), scheidet eine vollständige Rückabwicklung des Kaufs (Rückgabe des Fahrzeugs gegen Erstattung des Kaufpreises) grundsätzlich aus. Denn der Schadenersatzanspruch aufgrund einer fahrlässig erteilten Übereinstimmungsbescheinigung (§§ 823 Abs. 2 i. V. m. § 6 Abs. 1, § 27 Abs. 1 EG-FGV) entschädige nur die hierdurch erfolgte Vermögensminderung. Diese bemisst der BGH grundsätzlich in Höhe von 5 bis 15 Prozent des Kaufpreises. Der Kläger hat jedoch die Möglichkeit, anhand eines Sachverständigengutachtens nachzuweisen, dass die Vermögensminderung höher ist. Dabei legt der BGH zugrunde, das der Käufer eines Fahrzeugs, das mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehen ist, stets einen Schaden erleidet. Denn mit der dann drohenden Betriebsbeschränkung ist die Nutzbarkeit des Fahrzeugs in Frage gestellt, so dass grundsätzlich anzunehmen ist, dass der Käufer ein solches Fahrzeug nicht zu dem vereinbarten Preis gekauft hätte.

Mögliche Einwände der beklagten Hersteller bei fahrlässigem Verhalten

Den beklagten Herstellern stehe laut BGH die Möglichkeit offen, ein fahrlässiges Verhalten wegen eines rechtlichen Irrtums zu entschuldigen. Da hieran in der Regel hohe Maßstäbe anzusetzen sind, sollte dies den Herstellern jedoch grundsätzlich nicht gelingen. Daneben werden die Hersteller voraussichtlich auf eine Aufwertung des Fahrzeugs durch das Software-Update verweisen. Sollte das Software-Update des Herstellers, das die unzulässige Abschalteinrichtung beseitigt, das Fahrzeug aufgewertet haben, sei dies auf den Schadenersatz anzurechnen, so der BGH. Dabei sind bei der Frage der Aufwertung aber auch etwaige mit dem Software-Update verbundenen Nachteile einzubeziehen (vgl. hierzu bereits BGH, Urteil vom 06.07.2021, Az. VI ZR 40/20). So geht mit den Updates häufig ein erhöhter Kraftstoffverbrauch bzw. ein erhöhter Ad-Blue-Verbrauch einher.

Chancen auf Schadenersatz erheblich gestiegen

Sofern der Käufer nachweisen kann, dass sein Fahrzeug eine unzulässige Abschalteinrichtung aufweist, sind die Chancen auf Schadenersatz für die Käufer solcher Fahrzeuge erheblich gestiegen. Sofern konkrete Anhaltspunkte bestehen, dass neben der regulären Vermögensminderung (bis 15 % des Kaufpreises) weitere Nachteile eintreten (ggf. technische Mängel infolge des Updates), ist ein höherer Schadenersatz als die Vorgabe von bis zu 15 % des Kaufpreises nicht auszuschließen. Dasselbe gilt, wenn das Fahrzeug am Markt aufgrund der Abschalteinrichtung erwiesenermaßen im Wert geringer bewertet wird.


Für den Fall von Fragen steht Ihnen Rechtsanwalt Philipp Neumann (Kanzlei 2vier2 in Frankfurt am Main) unter der Telefonnummer 069-770 394 690 bzw. per Mail unter neumann@kanzlei-2vier2.de zur Verfügung. Rechtsanwalt Philipp Neumann ist Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht und seit ca. 16 Jahren in der Prozessführung tätig. Er vertritt seit 2016 Geschädigte (Aktionäre und Autokäufer) im Abgasskandal.



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