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BGH-Urteil - Versicherte können auf Reparatur in Fachwerkstatt bestehen

  • 4 Minuten Lesezeit
Christian Günther anwalt.de-Redaktion

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Sein Fahrzeug in einer markengebundenen Fachwerkstatt reparieren lassen? Das ist auch eine Kostenfrage für Kfz-Versicherer. Muss eine Versicherung höhere Kosten auch dann erstatten, wenn eine nicht markengebundene Fachwerkstatt bei der fiktiven Abrechnung nach Gutachten billiger ist? Diese Frage hatte der Bundesgerichtshof zu klären.

Versicherung verwies auf „freie“ Werkstatt

Auslöser des Rechtsstreits war der Unfallschaden an einem Mercedes. Für dessen Reparatur hatte der Besitzer ein Sachverständigengutachten eingeholt. In einer Mercedes-Fachwerkstatt sollte die Schadensbeseitigung an die 9400 Euro kosten. Auf diese Reparatur wollte der Mann dabei verzichten und den Schaden auf Gutachtenbasis mit seiner Kaskoversicherung abrechnen.

Die Kasko zahlte zwar. Statt der 9400 Euro bekam der Mann allerdings nur knapp 6400 Euro. Denn aus Sicht der Versicherung genügte es hier, von der fiktiven Reparatur in einer ortsansässigen, allerdings nicht markengebundenen und damit freien Werkstatt auszugehen. Den Nachweis für die 3000 Euro billigere Reparatur erbrachte die Versicherung durch ein entsprechendes Gegengutachten. Doch genügte das? Für Versicherte bedeutet ein derart zulässiger Verweis auf die in der Regel günstigere freie Werkstatt mitunter erhebliche finanzielle Nachteile.

Keine Werkstattbindung vereinbart

Auch der betroffene Mercedesfahrer wollte nicht einfach auf die 3000 Euro verzichten. Aus seiner Sicht fehlte es an einer Vertragsgrundlage, die die Versicherung zur „Werkstattwahl“ berechtigt. Eine Werkstattbindung, wie manche Versicherer sie verbunden mit einem Prämienrabatt anbieten, hatte er jedenfalls nicht vereinbart.

Aber auch den Allgemeinen Bedingungen für die Kraftfahrtversicherung (AKB) 2008, die seinem Versicherungsvertrag zugrunde lagen, ließ sich nichts Konkretes dafür entnehmen. Darin geregelt waren lediglich Obergrenzen für die Übernahme von Reparaturkosten. Für den Fall der Nichtreparatur musste die Versicherung nur den um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswert des Fahrzeugs ersetzen. Dieser Grund für die Leistungskürzung lag hier allerdings nicht vor.

Erforderliche Kosten im Einzelfall zu ersetzen

Das vor dem BGH mit dem Fall befasste Landgericht Berlin hatte der Versicherung dennoch Recht gegeben. Sofern auch eine freie Werkstatt zu einer vollständigen und fachgerechten Reparatur in der Lage sei, dürfe die Versicherung deren Reparaturkosten als erforderliche Kosten bei der Schadensregulierung zugrunde legen. Schließlich gehe es nur darum, einen gleichwertigen Zustand herzustellen. Eine solche Pflicht, den Schaden gering zu halten, lehnt der BGH allerdings ab. Denn sie ist Haftpflichtfällen entlehnt, in denen jemand kraft Gesetz zum Schadensersatz verpflichtet ist. So z. B., wenn jemandem die Vorfahrt genommen wird. Hier ist der vorfahrtsberechtigte Unfallgegner, der keine Schuld am Unfall trägt, dem Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherung gegenüber dennoch verpflichtet, den Schaden, den ihm der Unfallverursacher zu ersetzen hat, gering zu halten. Andernfalls kann einen Geschädigten, der diese Obliegenheit missachtet, eine Mitschuld treffen, die eine Kürzung des Ersatzanspruchs rechtfertigt. Aus diesem Grund kann der Unfallverursacher bzw. dessen Haftpflichtversicherer Geschädigte unter anderem auf eine günstigere Reparaturmöglichkeit in einer freien Werkstatt in seiner Nähe verweisen, sofern diese eine einer Fachwerkstatt qualitativ vergleichbare Leistung erbringt. Dass das der Fall ist, muss der Unfallgegner bzw. dessen Haftpflichtversicherung beweisen. Nur für Fahrzeuge, die nicht älter als drei Jahre sind oder „scheckheftgepflegte“ Fahrzeuge, die durchgängig in einer markengebundenen Fachwerkstatt repariert und gewartet wurden, ist das laut einer früheren BGH-Entscheidung nicht möglich.

Neueres Fahrzeug oder bisheriger Fachwerkstattbesuch

Um einen solchen gesetzlichen Schadensersatzanspruch geht es in dem hier vorliegenden Kaskofall jedoch nicht, wie der BGH vorab feststellt. Diesem liegt vielmehr ein vertraglicher Anspruch des Versicherten aufgrund des mit seiner Kaskoversicherung abgeschlossenen Versicherungsvertrags zugrunde.

Dennoch sieht der BGH auch in diesen Fällen eine mögliche Beschränkung der Versicherungsleistung. Er kommt zu diesem Ergebnis durch eine Auslegung der Versicherungsbedingungen. Demnach können Versicherte auch in diesen Fällen nur die erforderlichen Kosten ersetzt verlangen, wenn diese darauf verweisen. Das war bei der im Fall vereinbarten Klausel, die der Ziffer A.2.7.1. b) AKB 2008 entsprach, gegeben. Demnach zahlt die Kfz-Versicherung bei Nichtreparatur des Fahrzeugs die „erforderlichen Kosten einer vollständigen Reparatur bis zur Höhe des um den Restwert verminderten Wiederbeschaffungswerts“.

Als konkrete Fälle, die eine Schadensregulierung auf Grundlage der Reparaturkosten einer Markenwerkstatt erforderlich machen, nennt der BGH demnach, eine nur dort mögliche vollständige und fachgerechte Instandsetzung des Fahrzeugs. Des Weiteren müssen Versicherungen die Reparaturkosten einer Fachwerkstatt ersetzen, wenn es sich um ein neueres Fahrzeug oder ein bislang nur in einer Fachwerkstatt gewartetes bzw. repariertes Fahrzeug handelt. Inwiefern das im Fall des Mercedes vorliegt, muss nun das Landgericht Berlin abschließend klären.

Fazit: Kaskoversicherungen müssen die Reparaturkosten einer Markenwerkstatt zugrunde legen, wenn sich ein Fahrzeug nur in einer solchen vollständig und fachgerecht instand setzen lässt. Außerdem ist das regelmäßig bei neuen Fahrzeugen und bislang nur in Markenwerkstätten gewarteten bzw. reparierten Fahrzeugen der Fall.

(BGH, Urteil v. 11.11.2015, Az.: IV ZR 426/14)

(GUE)

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