Das müssen Sie über den Beweiswert von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen wissen

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Grundsätzlich besitzen von Ärzten ausgestellte Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen im deutschen Arbeitsrecht einen hohen Beweiswert. In bestimmten Konstellationen kann dieser Beweiswert jedoch vom Arbeitgeber erschüttert werden. Wenn der Arbeitgeber Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit eines seiner Arbeitnehmer hat, kann er eine Überprüfung der Arbeitsunfähigkeit durch den Medizinischen Dienst der jeweiligen Krankenkasse verlangen. Dieses Recht des Arbeitgebers folgt aus § 275 Abs. 1a S. 3 des Fünften Buches des Sozialgesetzbuches (SGB V).

Gemäß § 275 Abs. 1a SGB V können insbesondere in den folgenden Fällen Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit bestehen:

  1. Auffällig häufige Arbeitsunfähigkeit (§ 275 Abs. 1a a) SGB V)
  2. Auffällig häufige Arbeitsunfähigkeit für kurze Dauer (§ 275 Abs. 1a a) SGB V)
  3. Der Beginn der Arbeitsunfähigkeit fällt häufig auf einen Arbeitstag am Beginn oder am Ende einer Woche (§ 275 Abs. 1a a) SGB V)
  4. Die Arbeitsunfähigkeit wurde von einem Arzt festgestellt, der bereits durch die Häufigkeit der von ihm ausgestellten Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen auffällig geworden ist (§ 275 Abs. 1a b) SGB V)

Diese Liste ist nicht abschließend. Demnach kann es auch weitere Konstellationen geben, in denen Zweifel an einer Arbeitsunfähigkeit berechtigt sind.

Auch vor Gericht kann der Arbeitgeber den Beweiswert einer Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung erschüttern, wenn er berechtigte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers hat. Dabei trägt jedoch der Arbeitgeber die Darlegungs- und Beweislast. Wenn dem Arbeitgeber dieser Beweis gelingt, geht die Beweislast auf den Arbeitnehmer über. Dieser muss dann vor Gericht nachweisen, dass tatsächlich eine Arbeitsunfähigkeit bestanden hat. In der Praxis geschieht dies in der Regel dadurch, dass der die Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ausstellende Arzt durch den Arbeitnehmer von seiner Schweigepflicht entbunden wird und dann vor Gericht als Zeuge aussagt.  

Ein aktuelles Urteil des Bundesarbeitsgerichts verdeutlicht diese Beweislastverteilung (Bundesarbeitsgericht, Urteil v. 08.09.2021 – 5 AZR 149/21). Eine kaufmännische Angestellte reichte am Tag ihrer Kündigung eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung bei ihrem Arbeitgeber ein. Die bescheinigte Dauer der Arbeitsunfähigkeit umfasste dabei den kompletten Zeitraum ihrer Kündigungsfrist. Der Arbeitgeber hatte Zweifel an der Arbeitsunfähigkeit der kaufmännischen Angestellten und verweigerte daraufhin die Entgeltfortzahlung. Schließlich erhob die Arbeitnehmerin eine Zahlungsklage gegen ihren Arbeitgeber und gewann auch in den ersten beiden Instanzen.

Das Bundesarbeitsgericht entschied anders als die Vorinstanzen und wies die Klage der kaufmännischen Angestellten ab. Der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei im vorliegenden Fall erschüttert, da die Dauer der bescheinigten Arbeitsunfähigkeit passgenau den Zeitraum der Kündigungsfrist abdecke. Der Arbeitgeber habe somit plausibel dargelegt, warum Zweifel an der Echtheit der Arbeitsunfähigkeit der kaufmännischen Angestellten bestehen. Nach den oben erläuterten Grundsätzen ging somit die Beweislast wieder auf die Klägerin über. Diese konnte jedoch im Prozess ihrer Beweislast trotz Hinweis der Richter nicht nachkommen. Da der Beweiswert der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung durch den Arbeitgeber somit erfolgreich erschüttert wurde, besteht auch kein Anspruch der Arbeitnehmerin auf Entgeltfortzahlung.

Bitte beachten Sie, dass diese Informationen keine Beratung im Einzelfall ersetzen können. Gerne berate ich Sie persönlich oder auch online zu Ihren Rechtsthemen im Arbeitsrecht.

Foto(s): Rechtsanwältin Trixi Hoferichter


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