Die Abwehr von Steuerschätzungen nach § 162 AO: Ein kurzer Überblick und taktische ​Überlegungen.

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1. Die Möglichkeit der Schätzung nach § 162 AO

In § 162 Abgabenordnung (AO) hat der Gesetzgeber das Finanzamt dazu berechtigt, die Steuerbemes-sungsgrundlagen zu schätzen, wenn diese nicht ermittelt werden können (aus welchen Gründen auch immer). Exemplarisch können die Fälle benannt werden, dass der Steuerpflichtige seine steuerlichen Pflichten nicht erfüllt hat oder dass die steuerrelevanten Unterlagen unvollständig oder fehlerhaft sind.


2. Die Notwendigkeit der Schätzung nach § 162 AO

Die Schätzung der Steuerbemessungsgrundlagen durch das Finanzamt ist ein Instrument, das dazu dient, die Steuergerechtigkeit zu wahren. 

Sie kommt zum Einsatz, wenn der Steuerpflichtige seine Mitwirkungspflichten verletzt hat und das Finanzamt deshalb nicht in der Lage ist, die tatsächlichen steuerlichen Verhältnisse zu ermitteln. Eine Steuerfestsetzung muss gleichwohl erfolgen.

In solchen Fällen hat das Finanzamt sodann das Recht und die Pflicht, die Steuerbemessungsgrund-lagen zu schätzen.


3. Häufigste Fälle von Steuerschätzungen

Es gibt verschiedene Konstellationen, in denen das Finanzamt zur Schätzung der  Steuerbemessungs-grundlagen greift. Nachfolgend finden Sie fünf der häufigsten Fälle, welche für die Auslösung einer Steuerschätzung von Relevanz sind:

  1. Verspätete Abgabe der Steuererklärung: Wenn der Steuerpflichtige seine Steuererklärung nicht fristgerecht abgibt, kann das Finanzamt die Steuerbemessungsgrundlagen schätzen.
  2. Unvollständige oder fehlerhafte Unterlagen: Wenn die vom Steuerpflichtigen eingereichten Unterlagen unvollständig oder fehlerhaft sind, kann das Finanzamt die Steuerbemessungsgrundlagen schätzen.
  3. Verletzung der Buchführungspflichten: Wenn der Steuerpflichtige seine Buchführungspflichten verletzt, kann das Finanzamt die Steuerbemessungsgrundlagen schätzen.
  4. Verweigerung der Mitwirkung: Wenn der Steuerpflichtige die Mitwirkung bei der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse verweigert, kann das Finanzamt die Steuerbemessungsgrundlagen schätzen.
  5. Verlust von Unterlagen: Wenn der Steuerpflichtige seine steuerrelevanten Unterlagen verloren hat, kann das Finanzamt die Steuerbemessungsgrundlagen schätzen.


4. Möglichkeiten Schätzungen durch das Finanzamt vorzubeugen und zu vermeiden

Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie Sie Steuerschätzungen durch das Finanzamt vorbeugen und vermeiden können:

  1. Fristgerechte Abgabe der Steuererklärung: Stellen Sie sicher, dass Sie Ihre Steuererklärung immer fristgerecht abgeben. Dies ist die einfachste Möglichkeit, eine Steuerschätzung zu vermeiden.
  2. Vollständige und korrekte Unterlagen: Stellen Sie sicher, dass Sie alle erforderlichen Unterlagen vollständig und korrekt einreichen. Dies beinhaltet auch die korrekte und vollständige Führung Ihrer Bücher, wenn Sie zur Buchführung verpflichtet sind.
  3. Mitwirkung bei der Ermittlung der steuerlichen Verhältnisse: Wenn das Finanzamt Sie um Mitwirkung bei der Ermittlung Ihrer steuerlichen Verhältnisse bittet, sollten Sie dieser Aufforderung nachkommen. Dies kann beispielsweise die Beantwortung von Fragen oder die Vorlage von Unterlagen beinhalten.
  4. Sorgfältige Aufbewahrung von Unterlagen: Bewahren Sie alle steuerrelevanten Unterlagen sorgfältig auf, um einen Verlust zu vermeiden. Dies beinhaltet auch die digitale Sicherung von Unterlagen.


5. Erfolgreiches Vorgehen und Rechtsmittel gegen eine Steuerschätzung nach § 162 AO

Wenn das Finanzamt eine Steuerschätzung vorgenommen hat, gibt es verschiedene Möglichkeiten, wie Sie darauf reagieren und dagegen vorgehen können:

  1. Einspruch einlegen: Gegen den Steuerbescheid, in dem die Schätzung vorgenommen wurde, können Sie Einspruch einlegen. Dies muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Bescheids geschehen. Der Einspruch ist ein "Universalinstrument" und sollte zur Wahrung der Rechtsposition bei Umstimmigkeiten immer ausgeübt werden.
  2. Nachweis der tatsächlichen Verhältnisse: Sie können versuchen, die tatsächlichen steuerlichen Verhältnisse nachzuweisen. Dies kann beispielsweise durch die Nachreichung von Unterlagen oder die Beantwortung von Fragen des Finanzamts geschehen.
  3. Klage vor dem Finanzgericht: Wenn der Einspruch nicht erfolgreich war, können Sie Klage vor dem Finanzgericht erheben. Dies muss innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Einspruchsentscheidung geschehen.


6. Fazit

Die Abwehr von Steuerschätzungen nach § 162 AO erfordert taktisches Geschick und insbesondere Kenntnisse im steuerrechtlichen Verfahrensrecht. Es ist wichtig, die eigenen Rechte und Pflichten zu kennen und diese auch wahrzunehmen. Mit der richtigen Strategie und dem richtigen Vorgehen können Sie Steuerschätzungen vermeiden oder erfolgreich dagegen vorgehen. Hierdurch können insbesondere "schädigende" Vollstreckungen auf Grundlage von Schätzungsbescheiden vermieden werden. Dies mit Anmerkung und Blick auch darauf, dass die Schätzung (und der erlassene Schätzungsbescheid) in einer Vielzahl in Insolvenzverfahren der Auslösungsgrund für die Antragstellung ist.



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. 


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Foto(s): Dr. Holger Traub


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