Die qualifizierte Rangrücktrittserklärung zur Abwendung der bilanziellen Überschuldung im Insolvenzfall: Muster

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1. Die Begrifflichkeit und Definition eines qualifizierten Rangrücktritts

Eine qualifizierte Rangrücktritt stellt einen Schuld- und Schuldänderungsvertrag dar, nach dessen Inhalt die Forderung des Gläubigers nicht mehr passiviert wird und nur im Falle eines die Verbindlichkeiten übersteigenden Aktiv-Vermögens (wieder) befriedigt werden darf.

Bei einer Rangrücktrittsvereinbarung handelt es sich um einen Schuldänderungsvertrag im Sinne des § 311 Abs. 1 BGB zugunsten Dritter (§ 328 Abs. 2 BGB).

Die maßgeblichen Anforderungen und Rahmenbedingungen gab der BGH im Urteil vom 05.03.2015, Az. IX ZR 133/14, vor.

Über einen Rangrücktritt kann der Gläubiger eine im Raum stehende Überschuldungsthematik auflösen ohne endgültig auf seine Forderung verzichten zu müssen. 

Ein qualifizierter Rangrückritt eignet sich somit hervorragen als ein schnell einsetzbares Sanierungsinstrument.


2. Rechtsfolge eines qualifizierten Rangrücktritts

Bei einem wirksam erklärten qualifizierten Rangrücktritt sind Gesellschafterdarlehensansprüche für die Begrifflichkeit der Überschuldung nach § 19 Abs. 2 InsO in der Überschuldungsbilanz nicht als Verbindlichkeiten zu berücksichtigen, wenn zwischen Gläubiger und Schuldner gemäß § 39 Abs. 2 InsO der Nachrang im Insolvenzverfahren hinter den in § 39 Abs. 1 InsO bezeichneten Forderungen vereinbart ist. 

Der gewünschte Sanierungseffekt im Rahmen einer Überschuldung kann steuerrechtlich nachteilige Folgen gemäß § 5 Abs. 2a EStG auslösen. Denn es entsteht ein steuerlicher Buchgewinn, wenn die Verbindlichkeit in der Steuerbilanz nicht mehr passiviert werden müssen.


3. Musterformulierung eines qualifizierten Rangrücktritts

Exemplarisch kann ein qualifizierter Rangrücktritt dem Grunde nach wie folgt lauten:


Rangrücktrittsvereinbarung


Zwischen


Max Mustermann

(nachfolgend „Gläubiger“ genannt)


und


der Mustermann GmbH

(nachfolgend „Schuldnerin“ genannt)

Präambel

Der Gläubiger hat derzeit aus gewährten Darlehen Rückzahlungsansprüche gegen die Schuldnerin in Höhe von EUR 500.000,00. Bei der Erstellung des Jahresabschlusses zum XX.XX.XXXX wurde die rechnerische Überschuldung der Schuldnerin festgestellt. Die Vertragsparteien sind sich darüber einig und bewusst, dass der Schuldnerin diese Verbindlichkeiten aktuell nicht in vollem Umfang begleichen kann. Vor diesem Hintergrund vereinbaren die Parteien, dass der Gläubiger seine Forderung als im Rang hinter allen anderen Gläubigern der Schuldnerin geltend macht.

§ 1   Forderungen

Die derzeit fälligen Verbindlichkeiten des Gläubigers aus Gesellschafterdarlehen gegenüber der Schuldnerin belaufen sich auf EUR 500.000,00.

Die Gesellschafterverbindlichkeiten sind nicht zur Zahlung fällig.

§ 2   Rangrücktritt

Der Gläubiger tritt mit seinem Anspruch gegen die Schuldnerin auf Rückzahlung der Darlehensverbindlichkeiten aus Darlehensvertrag vom XX.XX.XXXX sämtliche Forderungen, einschließlich aller aufgrund dieser Forderungen angefallenen Zinsen und Kosten, hinter sämtliche Forderungen aller übrigen Gläubiger auf die Stufe des § 199 Satz 2 InsO im Rang zurück, mit der Maßgabe, dass eine Tilgung der Forderungen lediglich aus einem künftigen Bilanzgewinn (Jahresüberschuss abzüglich Verlustvorträge und Einstellungen in gesetzliche Rücklagen) oder einem etwaigen Liquidationsüberschuss vorgenommen werden kann.

Bei Eintreten des Besserungsfalles sind die aufgrund des Darlehensverhältnisses zwischen Wirksamkeit dieser Vereinbarung und Eintritt des Besserungsfalles angefallenen Zinsen ebenfalls zu bezahlen.

Der Gläubiger verpflichtet sich, seine Forderungen gegen den Schuldner solange nicht geltend zu machen, wie eine solche Befriedigung zu einer rechnerischen Überschuldung des Schuldners i. S. von § 15a Abs. 1 InsO führt.

§ 3   Schlussbestimmung

Falls einzelne Bestimmungen dieser Vereinbarung unwirksam, undurchsetzbar oder nichtig sein sollten oder diese Vereinbarung Lücken enthält, wird dadurch die Wirksamkeit der übrigen Bestimmungen nicht berührt. Anstelle einer unwirksamen, undurchsetzbaren oder nichtigen Bestimmung gilt diejenige wirksame Bestimmung als vereinbart, welche dem Sinn und Zweck der unwirksamen, undurchsetzbaren oder nichtigen Bestimmung entspricht. Im Falle von Lücken gilt diejenige Bestimmung als vereinbart, die dem entspricht, was nach Sinn und Zweck dieser Vereinbarung vereinbart worden wäre, hätte man die Angelegenheit von vornherein bedacht.

Änderungen und Ergänzungen einzelner Bestimmungen der Vereinbarung bedürfen zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, soweit nicht kraft Gesetzes eine strengere Form vorgeschrieben ist. Dies gilt auch für einen etwaigen Verzicht auf das Schriftformerfordernis.

Auf diese Vereinbarung findet das Recht der Bundesrepublik Deutschland Anwendung. Gerichtsstand ist, soweit gesetzlich zulässig, Musterstadt.



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Ort, Datum, Unterschriften



Dieser Artikel stellt keine konkrete und individuelle Rechtsberatung dar, sondern gibt lediglich einen groben Erstüberblick über die geschilderte und sehr komplexe rechtliche Materie. Rechtliche Sicherheit für Ihre konkrete Fallkonstellation können Sie nur durch abgestimmte Prüfung und Beratung eines fachkundigen Rechtsanwalts erhalten. Insbesondere wird klargestellt, dass eine qualifizierte Rangrücktrittserklärung auf den konkreten Fall angepasst werden muss. Ansonsten kann schlimmstenfalls der gewünschte "Entlastungseffekt" bei der Beseitigung der Überschuldung ausbleiben.

Gerne stehe ich Ihnen als Rechtsanwalt und Fachanwalt für eine rechtliche Beurteilung und Einschätzung Ihres Falles zur Verfügung und berate Sie fachkundig in Krisensituationen und bei drohenden Insolvenzereignissen. Kontaktieren Sie mich telefonisch oder Schreiben Sie mich an.

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Foto(s): Dr. Holger Traub

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