EUGH bestätigt neuen Widerrufsjoker

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Kaskadenverweisung auf nationale Vorschriften ist unvereinbar mit der Europäischen Richtlinie für Verbraucherkreditverträge

Die meisten Banken orientieren sich an der gesetzlichen Muster-Widerrufsinformation. Diese enthält eine sogenannte Kaskadenverweisung. Es heißt dort:: „Die Frist beginnt nach Abschluss des Vertrages, aber erst, nachdem der Darlehensnehmer alle Pflichtangaben nach § 492 Abs. 2 BGB (z. B. Angabe zur Art des Darlehens, Angabe zum Nettodarlehensbetrag, Angabe zur Vertragslaufzeit) erhalten hat.“ 

Das bedeutet, dass dort lediglich teilweise die notwendigen Pflichtangaben aufgeführt sind, die der Darlehensnehmer erhalten haben muss, damit die Frist für den Widerruf der Vertragserklärung des Darlehensnehmers zum Abschluss des Darlehensvertrages anläuft. Welche weiteren Angaben jedoch der Darlehensnehmer noch erhalten muss, ist dort und auch sonst nicht beschrieben. Damit ist aber nicht klar, wann die Frist zum Widerruf der Vertragserklärung des Darlehensnehmers an und damit die 14-tägige Widerrufsfrist abläuft.

Mit Beschluss vom 17.01.2019 hat das Landgericht Saarbrücken (Aktenzeichen: 1 O 164/18) in einem Rechtsstreit über die Wirksamkeit des Widerrufs eines Darlehensvertrages aus dem Jahr 2012 das Verfahren ausgesetzt und dem Europäischen Gerichtshof zur Klärung vorgelegt. Konkret hält das Landgericht die gängige Formulierung, mit der der Verbraucher über den Beginn der Widerrufsfrist „aufgeklärt“ werden soll, für europarechtswidrig. Es handele sich um eine sog. Kaskadenverweisung. Ohne rechtlichen Beistand könne ein Verbraucher nicht klären, ob die Widerrufsfrist zu laufen begonnen habe oder nicht.

Der Europäische Gerichtshof hat nun mit Urteil vom 26.03.2020 (Rechtssache C-66/19) die Auffassung des Landgerichts Saarbrücken bestätigt. Mit seinem Urteil von heute stellt der Gerichtshof fest, dass die europäische Richtlinie für Verbraucherkreditverträge, die darauf abzielt, allen Verbrauchern ein hohes Maß an Schutz zu gewährleisten, dahin auszulegen ist, dass Verbraucherkreditverträge in klarer und prägnanter Form die Modalitäten für die Berechnung der Widerrufsfrist angeben müssen. Andernfalls würde die Wirksamkeit des Widerrufsrechts ernsthaft geschwächt. Außerdem sieht der Europäische Gerichtshof es als mit der Richtlinie unvereinbar an, dass ein Kreditvertrag hinsichtlich der Pflichtangaben, deren Erteilung an den Verbraucher für den Beginn der Widerrufsfrist maßgeblich ist, auf eine nationale Vorschrift verweist, die selbst auf weitere Rechtsvorschriften des betreffenden Mitgliedstaats verweist. Im Fall einer solchen Kaskadenverweisung kann der Verbraucher auf der Grundlage des Vertrags nämlich weder den Umfang seiner vertraglichen Verpflichtung bestimmen noch überprüfen, ob der von ihm abgeschlossene Vertrag alle erforderlichen Angaben enthält, und erst recht nicht, ob die Widerrufsfrist, über die er verfügen kann, für ihn zu laufen begonnen hat.

Genau dies tut aber die deutsche Muster-Widerrufsinformation, an die sich die deutschen Banken in der Regel orientieren.

Was bedeutet das für mich?

Aufgrund dieser Klarstellung des Europäischen Gerichtshofes dürften Tausende der seit dem 11.06.2010 von den deutschen Banken verwendeten Widerrufsbelehrungen in Immobilienkrediten nicht wirksam sein. Der Lauf der 14-tägigen Widerrufsfrist hängt davon ab, dass die Bank Sie ordnungsgemäß belehrt hat. Hat Sie das nicht getan, können Sie sich von teuren Kreditverträgen in vielen Fällen auch nach Jahren noch lösen. 

Für nicht grundpfandrechtlich gesicherte Verbraucherkredite gilt: Diese können bei nicht ordnungsgemäßer Widerrufsbelehrung unbefristet widerrufen werden. 

Für grundpfandrechtlich gesicherte Kredite, mit denen ein Immobilienkauf finanziert wurde, gilt: Verträge, die im Zeitraum 11.06.2010 bis zum 21.03.2016 abgeschlossen worden sind, können bei falscher Widerrufsbelehrung unbefristet widerrufen werden. Für ab dem 22.03.2016 abgeschlossene Immobiliarkreditverträge beträgt die Widerrufsfrist 1 Jahr und 14 Tage.

Rechtsanwältin Dr. Birte Eckardt aus der auf Bank- und Kapitalmarktrecht spezialisierten Kanzlei Dr. Eckardt und Klinger empfiehlt nun jedem Darlehensnehmer, die Widerrufsbelehrung in seinem Darlehensvertrag von einem auf Bankrecht spezialisierten Rechtsanwalt prüfen zu lassen. Die Kanzlei Dr. Eckardt und Klinger steht Ihnen gerne für die Prüfung und Durchsetzung Ihrer Ansprüche zur Verfügung.



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