EuGH stärkt Arbeitnehmerrechte beim Urlaub

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EuGH, Urteil vom 22.09.2022 (Az. C-120/21)


Das europäische Urlaubsrecht sieht vor, dass die Mitgliedstaaten die erforderlichen Maßnahmen treffen, damit jeder Arbeitnehmer einen bezahlten Mindestjahresurlaub von vier Wochen erhält (Art. 7 Abs. 1 der europäischen Richtlinie 2003/88). Nach Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie darf der Mindestjahresurlaub außer bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses nicht durch eine finanzielle Vergütung ersetzt und das Urlaubsrecht als solches auch nur in besonderen Situationen eingeschränkt werden. Deutschland hat sicherzustellen, dass sich die Maßgabe der Richtlinie im deutschen Urlaubsrecht entsprechend widerspiegeln.


Im Jahr 2018 verursachte eine Entscheidung des europäischen Gerichtshofs (EuGH) einigen Wirbel: Der EuGH entschied damals, dass der nach deutschem Recht rechtmäßige Verfall des nicht genommenen Urlaubs zum Jahresende rechtswidrig sei, wenn nicht der Arbeitgeber die Arbeitnehmer zuvor über ihre Ansprüche informiert und die Inanspruchnahme des Urlaubs ermöglicht habe. Bis dato ungeklärt war, ob der so übernommene Urlaub stattdessen zu einem anderen Zeitpunkt verfallen würde oder ob der Anspruch unbegrenzt übertragen würde. Diese Frage hat der EuGH nun beantwortet


Der Fall: Arbeitgeber macht Verjährung von Urlaubsansprüchen geltend


Geklagt hatte eine Arbeitnehmerin, die nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses für die vergangenen fünf Jahre finanzielle Abgeltung von 101 Urlaubstagen geltend machte. Nach deutschem Recht hätte gegolten, dass nur für die vergangenen drei Jahre Urlaubsansprüche geltend gemacht werden können (Paragraphen 194, 195 BGB). Allerdings stellte das Bundesarbeitsgericht fest, dass die Arbeitnehmerin durch den Arbeitgeber zu keinem Zeitpunkt in die Lage versetzt worden war, den Urlaub tatsächlich zu nehmen. Aus diesem Grunde legt das Gericht den Fall dem europäischen Gerichtshof mit der Frage vor, ob die deutschen Verjährungsregeln in diesem Falle mit dem europäischen Recht übereinstimmen.


Das Urteil des EuGH: keine Verjährung, wenn keine Möglichkeit zum Urlauben


Der EuGH entschied, dass Urlaub dann nicht verloren gehen kann, wenn der Arbeitgeber, die Inanspruchnahme des Urlaubs gar nicht veranlasse. Andersherum: Nur, wenn der Arbeitnehmer tatsächlich die Möglichkeit hatte, den Anspruch auf Urlaub rechtzeitig aus zu üben, können Urlaubsansprüche verfallen. Dass der Arbeitgeber gegebenenfalls noch nach langer Zeit mit zurückliegenden Ansprüchen konfrontiert werde, habe er anderenfalls selbst verschuldet (EuGH, Urteil vom 22.09.2022 (Az. C-120/21).


Fazit


Das Urteil überrascht nicht, der europäische Gerichtshof urteilt traditionell zum Thema Urlaub arbeitnehmerfreundlich. An den Aussagen des Urteils von 2018 ändert sich daher auch nichts: Arbeitgeber sind nach wie vor gehalten, ihre Arbeitnehmer über deren Urlaubsansprüche zu informieren und sie in die Lage zu versetzen, den Urlaub dann auch zu nehmen. Tun sie dies nicht, laufen sie Gefahr, mit Urlaubsansprüchen auch aus Vorjahren und nach dem aktuellen Urteil für unbegrenzt lange Zeit konfrontiert zu werden. Interessant wird sein, wie das Bundesarbeitsgericht das Urteil seinerseits umsetzt; hier bestünde seitens des Gerichts die Möglichkeit, etwa Aussagen zur Beweislast Verteilung zu treffen.


Weitere Hinweise zum Thema und zum Urteil können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/blog/urlaub-verfaellt-und-verjaehrt-nicht-eugh-staerkt-erneut-urlaubsanspruch/ nachlesen.



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