Gekündigt bei Air Berlin, welche Ansprüche haben die Betroffenen Mitarbeiter?

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Bin ich arbeitslos, wechsele ich in Transfergesellschaften, welche Ansprüche habe ich?

1. Kündigung des Arbeitsverhältnisses:

Ich empfehle meinen Mandanten, sich gegenüber der Kündigung mit einer Kündigungsschutzklage zu wehren. Hierbei ist zu beachten, dass die Klage innerhalb von drei Wochen seit Zugang des Kündigungsschreibens bei den betroffenen Mitarbeitern beim zuständigen Arbeitsgericht eingereicht werden muss.

Diesbezüglich besteht kein Anwaltszwang. Die Klage können Sie selbst einreichen bzw. über die Rechtsantragsstelle des Arbeitsgerichtsgerichts.

Diesen Weg würde ich empfehlen, um kein weiteres Kostenrisiko einzugehen, da offen ist, inwieweit aus der Insolvenzmasse bei Air Berlin noch Verbindlichkeiten beglichen werden können, wie z. B. Löhne und Abfindungen.

Sollte eine Rechtsschutzversicherung bestehen, empfiehlt sich natürlich die Beauftragung eines Fachanwalts für Arbeitsrecht.

Die Kündigungsschutzklage und Sozialwidrigkeit der Kündigung kann unter anderem damit begründet werden, dass hier ein Betriebsübergang auf die Lufthansa im Sinne des § 613 a BGB vorliegt und demzufolge das Arbeitsverhältnis – so wie es besteht – von der Lufthansa weitergeführt werden müsste. Für den Fall dieser Feststellung und den Fortbestand des Arbeitsverhältnisses mit der Lufthansa haftet diese auf sämtliche Ansprüche seit Insolvenzeröffnung.

2. Verfrühungsschaden im Sinne des § 113 S. 3 InsO:

Der Insolvenzverwalter ist berechtigt, das Arbeitsverhältnis ohne Berücksichtigung längerer Kündigungsfristen, die aufgrund längeren Bestandes des Arbeitsverhältnisses einzuhalten sind, gemäß § 113 InsO mit einer Frist von drei Monaten zu kündigen, sofern die maßgebliche Kündigungsfrist nicht ohnehin kürzer ist.

Wäre die gesetzliche oder vertragliche Kündigungsfrist jedoch länger als drei Monate, entstünde gemäß § 113 S. 3 InsO ein Schadenersatzanspruch zugunsten des Mitarbeiters für die Zeitspanne von der tatsächlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses (drei Monate) bis zum Ablauf der Frist, mit der ohne den Insolvenzfall vertragsmäßig hätte gekündigt werden können.

Dieser Schadenersatzanspruch stellt eine Masseforderung dar und hängt dann von der Massezulänglichkeit im Zuge des Insolvenzverfahrens ab. Der Anspruch sollte jedoch gerichtlich geltend gemacht und tituliert werden.

3. Nachteilsausgleich gemäß § 113 BetrVG:

Infolge der Betriebsänderung, hier: der behaupteten Betriebsstilllegung, ist Air Berlin gehalten und verpflichtet, einen Interessenausgleich herbeizuführen, zumindest hinreichend zu versuchen und mit dem Betriebsrat über einen Sozialplan zu verhandeln und diesen herbeizuführen.

Ein Interessenausgleich kann vom Betriebsrat entgegen eines Sozialplans nicht erzwungen werden. § 113 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sieht jedoch finanzielle Sanktionen gegen den Arbeitgeber vor, der nicht zumindest einen Interessenausgleich mit dem Betriebsrat versucht hat. Die Vorschrift sieht vor, in welcher Weise ein Ausgleich für die betroffenen Mitarbeiter gefunden werden muss, die ihren Arbeitsplatz verlieren oder andere Nachteile erleiden, weil der Arbeitgeber ohne zwingenden Grund von einem Interessenausgleich abweicht bzw. diesen nicht hinreichend versucht.

Abschließende Ergebnisse hierzu liegen noch nicht vor.

Die Sanktion zulasten des Arbeitgebers besteht darin, dass er entsprechend § 10 KSchG eine Abfindung zahlen muss. Über die Höhe der Abfindung entscheidet das Arbeitsgericht nach freier Überzeugung unter Würdigung aller Umstände. Hierbei kann auch der Grad der Zuwiderhandlung eine Rolle spielen. Der Rahmen bewegt sich hier bis zu 18 Monatsverdiensten gemäß § 10 KSchG.

4. Urlaubsabgeltungsanspruch:

Sollte das Arbeitsverhältnis infolge einer Kündigung beendet werden, so haben die Mitarbeiter Anspruch auf die Abgeltung des noch nicht in Freizeit gewährten Jahresurlaubes. Auch dieser Anspruch stellt eine Masseforderung dar, dessen Durchsetzbarkeit wiederum vom Umfang der Masse abhängt.

5. Zeugnisanspruch:

Im Falle der Beendigung des Arbeitsverhältnisses haben Sie einen Zeugnisanspruch. Auch das Arbeitszeugnis muss vom Insolvenzverwalter erteilt werden.

In diesen Fällen schlage ich vor, dass der Mitarbeiter selbst ein Zeugnis formuliert, das dem Insolvenzverwalter als Vorlage oder zur Orientierung für das von ihm zu erteilende Zeugnis zugrunde gelegt wird.

6. Transfergesellschaft:

Einen Übergang in eine Transfergesellschaft halte ich bei der vorliegenden Konstellation nicht für empfehlenswert.

Der Übergang in eine Transfergesellschaft (Qualifizierungsgesellschaft) bedeutet, dass Sie einen dreiseitigen Vertrag abschließen, d. h. zum einen die sofortige Aufhebung des Arbeitsverhältnisses mit Air Berlin ohne Einhaltung einer Kündigungsfrist und direkt übergeleitet werden in die Transfergesellschaft. Dort erhalten Sie das Transferkurzarbeitergeld, das nach mir vorliegenden Informationen nicht oder nur geringfügig aufgestockt wird. Damit nehmen Sie sich die Möglichkeit einer Kündigungsschutzklage; es entfällt der Lohnanspruch während der Kündigungsfrist und – wie oben ausgeführt – auch der Verfrühungsschaden. Diese Ansprüche stehen – wie bereits ausgeführt – unter dem Vorbehalt der Massezulänglichkeit.

Der Vorteil einer Transfergesellschaft besteht nur darin, dass Sie für diese Phase nicht arbeitslos sind, sondern nach Beendigung Ihres Arbeitsverhältnisses mit der Transfergesellschaft noch die volle Anspruchsdauer auf den Bezug von Arbeitslosengeld innehaben.

Eine Qualifizierung während des Transferarbeitsverhältnisses erfolgt nach meinen Erfahrungen in der Regel nicht.

7. Kann oder soll ich mich arbeitslos melden?

Am 01.11.2017 hat das Amtsgericht Charlottenburg die Insolvenz über das Vermögen der Air Berlin PLC, der Air Berlin PLC & Luftverkehrs KG sowie der Air Berlin Technik GmbH eröffnet.

Soweit noch Lohnansprüche für die Monate August, September und Oktober 2017 offen sind, werden diese über das Insolvenzgeld der Bundesagentur für Arbeit zu 100 Prozent ausgeglichen. Der Insolvenzverwalter ist gehalten, für die einzelnen Mitarbeiter die Insolvenzbescheinigungen zu erteilen und die Auszahlung des Insolvenzgeldes zu veranlassen.

Ab November 2017 sollten Sie sich – falls noch nicht geschehen – eiligst arbeitslos melden und Arbeitslosengeld beantragen.

Zwar besteht das Arbeitsverhältnis noch fort (sofern Sie nicht in die Transfergesellschaft gewechselt sein sollten). Sie haben jedoch Anspruch auf Arbeitslosgengeld im Wege der sogenannten Gleichwohlgewährung. Zwar besteht das Arbeitsverhältnis fort, jedoch werden Sie mit Wirkung vom 01.11.2017 kein Arbeitsentgelt mehr von Air Berlin erhalten, es sei denn, Sie werden noch tatsächlich beschäftigt und nicht von Ihrer Arbeitsverpflichtung freigestellt.

Der Anspruch ist begründet in § 157 Abs. 3 SGB III, d. h. unter der Voraussetzung, dass Sie das Arbeitsentgelt im bestehenden Arbeitsverhältnis tatsächlich nicht erhalten.

Melden Sie sich daher unverzüglich arbeitslos und beanspruchen Sie Arbeitslosengeld, da dieses für einen zurückliegenden Zeitraum rückwirkend nachträglich nicht mehr gewährt werden kann.

Sollten Sie in einem gegen Air Berlin gerichteten Kündigungsschutzverfahren obsiegen und Sie noch Arbeitsentgelt aus der Insolvenzmasse erhalten, würde dieses mit dem bezogenen Arbeitslosengeld verrechnet werden. Dafür beginnt jedoch Ihr Arbeitslosenstatus erst mit der Beendigung des Arbeitsverhältnisses.

8. Krankengeld:

Sofern Sie arbeitsunfähig erkrankt sind, haben Sie einen sofortigen Anspruch auf Krankengeld gegenüber Ihrer Krankenkasse neben dem sechswöchigen Entgeltfortzahlungsanspruch gegenüber Air Berlin, da Air Berlin nicht zahlen kann.

Der Anspruch auf Krankengeld besteht bei fortwährender Arbeitsunfähigkeit auch über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses hinaus fort.

Im Zweifel hilft anwaltlicher Rat.

Friedemann Koch

Fachanwalt für Arbeitsrecht, Berlin


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