Handwerksrecht: Zulassungspflichtige handwerkliche Tätigkeiten im Reisegewerbe und im stehenden Gewerbe

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1. Einleitung

Sowohl im Reisegewerbe als auch im stehenden Gewerbe können zulassungspflichtige handwerkliche Tätigkeiten ausgeübt werden. „Zulassungspflichtig“ bedeutet, dass es sich um ein Handwerk der Anlage A zur Handwerksordnung wie z.B. Maler und Lackierer, Dachdecker, Tischler, Fliesenleger, usw. handelt, bei dem im stehenden Gewerbe eine Eintragung in die Handwerksrolle vorausgesetzt wird. Sowohl bei einer Tätigkeit im Reisegewerbe als auch bei der Ausübung zulassungspflichtiger handwerklicher Tätigkeiten ohne Eintragung in die Handwerksrolle ergeben sich aus dem Wettbewerbsrecht Konsequenzen in Bezug auf die Werbemöglichkeiten für diese Tätigkeiten.

2. Unlauterer Wettbewerb

Nach den §§ 3 Abs. 1, 3a UWG sind unlautere geschäftliche Handlungen unzulässig. Unlauter handelt, wer einer gesetzlichen Vorschrift zuwiderhandelt, die dazu bestimmt ist, im Interesse der Marktteilnehmenden das Marktverhalten zu regeln. Dies ist besonders im Rahmen des § 5 Abs. 1. 2 Nr. 3 UWG relevant. Demnach liegt eine unlautere Handlung vor, wenn diese in Bezug auf Umstände nach § 5 Abs. 2 Nr. 3 UWG irreführend ist und den Markteilnehmer/Verbraucher so zu einer Entscheidung veranlasst, die er andernfalls nicht getroffen hätte. Im Falle der Zuwiderhandlung gegen diese Regelungen, droht gem. § 8 Abs. 1 S. 1 UWG die Inanspruchnahme auf Unterlassung und/oder Beseitigung.

3. Reisegewerbe

Das Reisegewerbe bietet nach § 55 Abs. 1 GewO die Möglichkeit, ohne vorherige Bestellung und gewerbliche Niederlassung handwerkliche Tätigkeiten (ausgenommen Gesundheitshandwerk) anzubieten. „Ohne vorherige Bestellung“ meint hier, dass der Auftrag allein aufgrund der Vorsprache des Reisegewerbetreibenden und nicht auf Kundeninitiative zustande gekommen sein muss. Denn nur das stehende Gewerbe darf auf Bestellung durch den Kunden handeln. Das bedeutet, dass Werbung, die es dem Kunden ermöglicht, wie im stehenden Gewerbe, in Kontakt mit Reisegewerbetreibenden zu treten, um diesen zu beauftragen, eine irreführende Handlung gem. § 5 Abs. 1, 2 Nr. 3 UWG darstellt. Es muss daher stets beachtet werden, dass die Werbung nicht den Anschein erwecken darf, dass ein stehendes Gewerbe vorliegt.

Zum Beispiel: Ein Dachdecker im Reisegewerbe beschriftete sein Firmenfahrzeug mit seinem Firmenlogo, seinem Namen und E-Mail-Adresse sowie dem Hinweis „Dachdecker im Reisegewerbe“.

In der darauffolgenden Abmahnung wurde die Nennung der E-Mail-Adresse beanstandet, da diese eine iniative Beauftragung durch Kunden ermöglichte (OLG Jena, Urteil vom 26.11.2008, 2 U 438/08, Rn. 22).

Indes ist eine Nennung von Kontaktdaten nicht gänzlich ausgeschlossen: Sofern sich deutlich durch einen ausdrücklichen Hinweis ergibt, dass die Kontaktdaten nicht für die Beauftragung durch Kunden, sondern z. B. nur für allgemeine Informationen vorgesehen sind, kann auch die Nennung von Kontaktdaten zulässig sein.

Ähnlich ist die Sachlage, wenn sich an der Hauswand eines Dachdeckers im Reisegewerbe ein Schild befindet, dass das Logo (mit Namen und Hinweis auf die gewerbliche Tätigkeit) und eine Telefonnummer aufweist. Aufgrund der Möglichkeit der Beauftragung ist dies auch hier grundsätzlich wettbewerbswidrig (OLG Jena, Urteil vom 26.11.2008, 2 U 438/08, Rn. 22). Zwar war die Telefonnummer nur zur Kontaktaufnahme durch etwaige Lieferanten angebracht, jedoch wurde darauf nicht hingewiesen. Sofern dies allerdings als schriftlicher Hinweis auf dem Schild mitaufgenommen wird, kann auch eine solches Schild zulässig sein.  

4. Zulassungspflichtige handwerkliche Tätigkeiten im stehenden Gewerbe

Aus § 1 Abs. 1 S. 1 HwO folgt, dass ein zulassungspflichtiges Handwerk nur durch in der Handwerksrolle eingetragene Personen ausgeübt werden darf. Besteht eine Eintragung in die Handwerksrolle, dann darf für dieses Handwerk auch ohne Einschränkungen geworben werden. Besteht keine Eintragung in die Handwerksrolle ist zu berücksichtigen, dass sich die Eintragungspflicht nur auf wesentliche Tätigkeiten zulassungspflichtiger Handwerke bezieht (§ 1 Abs. 2 S. 2 HwO). Daraus folgt, dass eine „unwesentliche Tätigkeit“ eines zulassungspflichtigen Handwerks ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt und beworben werden kann. Die Wesentlichkeit einer Tätigkeit ist grds. gegeben, „wenn diese nicht nur fachlich zu dem betreffenden Handwerk gehört, sondern gerade den Kernbereich des Handwerks ausmacht und ihm sein essenzielles Gepräge verleiht“ (OLG Hamm, Urteil vom 27.08.2020 – 4 U 48/19, Rn. 66). Für die Beurteilung der Wesentlichkeit kommt es nicht darauf an, welche Arbeitsschritte konkret erforderlich sind, um ein handwerklich vollständiges Bild zu leisten. Vielmehr müssen die konkret vorgenommenen Arbeitsschritte evaluiert werden (OLG Hamm, Urteil vom 27.08.2020 – 4 U 48/19, Rn. 49). „Insbesondere“ kann die Wesentlichkeit aber auch aus den § 1 Abs. 2 S. 2 Nr. 1-3 HwO genannten Gründen entfallen.

Einer unserer Fälle, die "Brillenparty", verdeutlicht die rechtlichen Feinheiten im Handwerksrecht und Wettbewerbsrecht. Bei dieser Veranstaltung wurden Brillen zur Ansicht und Anprobe angeboten, begleitet von modischer Beratung und der Messung der Pupillendistanz durch eine Person, die nicht in die Handwerksrolle als Optiker eingetragen war. Dies führte zu einer Abmahnung und einem darauffolgenden Gerichtsverfahren.

Das Gericht urteilte, dass die modische Beratung und die Distanzmessung nicht das spezifische Gepräge des Optikerhandwerks trägt und lediglich einen Randbereich der Tätigkeit darstellt. Daher kann sie nicht als wesentliche Tätigkeit des Optikerhandwerks angesehen werden. Interessanterweise wurde auch die Pupillendistanzmessung als unwesentlich eingestuft, da gemäß § 1 Abs. 2 Nr. 1 HwO und den entsprechenden Berufsbildungsvorschriften, diese Tätigkeit innerhalb eines Zeitraums von bis zu drei Monaten erlernt werden kann. In diesem spezifischen Fall war ein Lernzeitraum von sechs Wochen (neben anderen Tätigkeiten) vorgesehen, was die Einordnung als unwesentliche Tätigkeit unterstreicht. Aufgrund dieser Bewertungen konnte das Verfahren erfolgreich abgeschlossen werden.

Dieser Fall unterstreicht die Bedeutung der Unterscheidung zwischen wesentlichen und unwesentlichen Tätigkeiten im Handwerksrecht, nicht nur für die Ausübung der Tätigkeit selbst, sondern auch für die Werbung. Grundsätzlich ist es erlaubt, vollumfänglich für die Vornahme einer unwesentlichen Tätigkeit eines zulassungspflichtigen Handwerks zu werben. Probleme treten jedoch auf, wenn für wesentliche Tätigkeiten eines zulassungspflichtigen Handwerks geworben wird, ohne dass eine Eintragung in die Handwerksrolle vorliegt. In solchen Fällen kann eine Irreführung gemäß §§ 5 Abs. 1, 2 Nr. 3 UWG vorliegen. Häufig kommt es sowohl auf der Seite der Werbenden als auch auf der Seite der Abmahnenden zu Missverständnissen bei der Einstufung einer Tätigkeit als wesentlich oder unwesentlich.

Abschlussbetrachtung

In der Ausübung handwerklicher Tätigkeiten, sei es im Reisegewerbe oder im stehenden Gewerbe, bestehen rechtliche Einschränkungen hinsichtlich der Werbung für zulassungspflichtige Tätigkeiten, wenn keine Eintragung in die Handwerksrolle vorliegt. Nichtsdestotrotz ist eine (werbliche) Präsentation für handwerkliche Leistungen innerhalb gewisser rechtlicher Grenzen zulässig.

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