Keine Beschlusskompetenz zur Begründung von Leistungspflichten der Wohnungseigentümer

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Aus der Kompetenz, den Gebrauch, die Verwaltung und die Instandhaltung oder Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums durch Mehrheitsbeschluss zu regeln, folgt nicht die Befugnis, den Wohnungseigentümern außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten Leistungspflichten aufzuerlegen.

Dies hat der BGH mit Urteil vom 18. 6. 2010 - V ZR 193/09 entschieden.


1. Sachverhalt

Der Beklagte hatte als Mitglied der klagenden Wohnungseigentümergemeinschaft zwei in einer Garage befindliche Kfz-Stellplätze 2006 von der übrigen Garage durch Anbringung von Gitterelementen und eines Rolltors abgetrennt, nachdem eines seiner Fahrzeuge entwendet und zumindest ein weiteres beschädigt worden war.

In der Eigentümerversammlung beschlossen die Wohnungseigentümer mehrheitlich, den Beklagten seitens der Gemeinschaft zum Rückbau der Garagenbox aufzufordern und zu verpflichten. Komme er einer befristeten Rückbauanforderung der Verwaltung nicht fristgerecht nach, so solle ein Rechtsanwalt mit der Durchsetzung des gemeinschaftlichen Rückbauanspruches beauftragt werden, der diesen gegebenenfalls auch vor Gericht verfolgen und durchsetzen soll.

Beide Beschlüsse wurden bestandskräftig. Der Aufforderung des Verwalters, die Gitterbox zu beseitigen, kam der Beklagte nicht nach.


2. Entscheidung

Der BGH hielt den Eigentümerbeschluss, mit dem der Beklagte zum Rückbau der Garagenbox verpflichtet werden sollte, nicht nur für anfechtbar, sondern sogar für nichtig. Er führte hierzu aus:

Eine Leistungspflicht gegen den Willen des Schuldners kann durch einen Mehrheitsbeschluss der Wohnungseigentümer nicht konstitutiv begründet werden. Ist eine Angelegenheit weder durch das Gesetz noch durch eine Vereinbarung dem Mehrheitsprinzip unterworfen, fehlt den Wohnungseigentümern von vornherein die Beschlusskompetenz; ein gleichwohl gefasster Mehrheitsbeschluss ist nichtig.

Die gesetzlichen Vorgaben können nur durch Vereinbarung aller Wohnungseigentümer, nicht aber im Beschlusswege abbedungen werden. Was danach zu vereinbaren ist, kann nicht beschlossen werden, solange nicht vereinbart ist, dass auch dies beschlossen werden darf.

Für Beseitigungsansprüche, mit denen die Beseitigung einer baulichen Veränderung gefordert wird, gilt nichts anderes. Die im WEG genannten Kompetenzen begründen nicht die Befugnis, den Wohnungseigentümern außerhalb der gemeinschaftlichen Kosten und Lasten Leistungspflichten – etwa die Verpflichtung zur tätigen Mithilfe bei der Reparatur eines beschädigten Gebäudes – aufzuerlegen.

Beschließen die Wohnungseigentümer Maßnahmen wie etwa eine Instandhaltungsmaßnahme, können die damit verbundenen Kosten zwar notfalls auch unter Abänderung des laufenden Wirtschaftsplans durch Mehrheitsbeschluss auf die Mitglieder der Wohnungseigentümergemeinschaft umgelegt werden. Eine Kompetenz zur Begründung darüberhinausgehender – von gesetzlichen Schuldgründen losgelöster – Leistungsverpflichtungen durch Mehrheitsbeschluss geht damit jedoch nicht einher.

Insoweit können die Wohnungseigentümer durch Mehrheitsbeschluss lediglich festlegen, ob und in welchem Umfang ein ihrer Meinung nach bereits bestehender Anspruch gerichtlich geltend gemacht und gegebenenfalls durchgesetzt werden soll.


3. Praxishinweis

Ein Beschluss, mit dem ein Wohnungseigentümer bspw. zur Beseitigung einer baulichen Veränderung aufgefordert wird, begründet keine eigenständige Grundlage für den Beseitigungsanspruch. In vielen Fällen wird ein entsprechender Beschluss allerdings keinen Anspruch begründen wollen, sondern dient lediglich der Vorbereitung des gerichtlichen Verfahrens.


Dr. Martin Winkelmann

Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Essen

(Stand 1.8.2023)


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