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Keine Verjährung bei Stundung des Pflichtteilsanspruchs?

  • 3 Minuten Lesezeit
Sandra Voigt anwalt.de-Redaktion

Streitigkeiten zwischen Eltern und Kindern gibt es in den besten Familien. Eskaliert die Situation jedoch, wird mit Enterbung oftmals nicht nur gedroht – die Kinder werden tatsächlich von der Erbfolge ausgeschlossen, indem z. B. in einem Testament einfach eine andere Person als Alleinerbe eingesetzt wird. Von ihr können die Enterbten dann nur noch den sog. Pflichtteil verlangen. Hierzu haben sie ab dem Erbfall allerdings lediglich drei Jahre Zeit. Der Pflichtteilsanspruch verjährt dagegen nicht, wenn der Erbe und der Pflichtteilsberechtigte eine sog. Stundung vereinbart haben, wonach der Pflichtteil für eine bestimmte Zeit nicht geltend gemacht wird.

Pflichtteil berechnen – Streit um Pflichtteil

Eine Witwe hatte ein Testament errichtet und darin ihre Tochter als Alleinerbin eingesetzt, da ihr Sohn bereits vor einigen Jahren verstorben war. Dieser hatte jedoch eine Tochter, die nach dem Tod der Erblasserin im Jahr 2001 auf ihre Tante zukam und sie auf ihren Pflichtteilsanspruch ansprach. Daraufhin erwiderte die Alleinerbin, dass sie derzeit den Pflichtteil wohl nur auszahlen könnte, wenn sie ihre Eigentumswohnung verkaufen würde. Sie bat ihre Nichte daher, vorläufig keinen Pflichtteil zu verlangen. Im Übrigen würde die Nichte nach dem Ableben der Tante ohnehin alles erben, sodass auch der Pflichtteil in diesem Erbe verankert sei. Aufgrund dieser Aussagen verlangte die junge Frau zunächst keinen Pflichtteil.

Im Jahr 2014 kamen ihr jedoch Zweifel an dem Versprechen der Tante. Sie erkundigte sich daher erneut nach ihrem Pflichtteil und verlangte Auskunft über den Nachlasswert. Die Tante verweigerte daraufhin schriftlich jegliche Angaben – etwaige Ansprüche der Nichte seien schließlich längst verjährt. Nun zog die Pflichtteilsberechtigte vor Gericht.

Stundung hemmt Verjährung

Das Oberlandesgericht (OLG) Karlsruhe verpflichtete die Alleinerbin sowohl zur Auskunftserteilung über den Nachlasswert als auch zur Zahlung des Pflichtteils.

Der Pflichtteilsanspruch ihrer Nichte nach den §§ 2303 I, 1924 I, III, IV Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) war nicht verjährt. Zwar beträgt die Verjährungsfrist drei Jahre und der im Jahr 2001 entstandene Anspruch wäre damit eigentlich 2004 verjährt. Vorliegend jedoch kam es bereits im Jahr 2001 zu einer Hemmung – also einem vorläufigen „Halt“ – der Verjährung. Die Tante hatte ihre Nichte gebeten, ihren Pflichtteilsanspruch vorläufig nicht durchzusetzen. Die wiederum kam der Bitte nach – vor allem deshalb, weil ihre Tante sie zu ihrer Alleinerbin erklärt hatte. Die zwei hatten wirksam eine sog. Stundung des Pflichtteils vereinbart.

Somit hat die Nichte nicht endgültig auf ihren Anspruch verzichtet, sondern seine Geltendmachung nur aufgeschoben. Weil zur Zeit der Klageerhebung die dreijährige Verjährungsfrist noch lief, war der Anspruch auch noch durchsetzbar.

Ferner musste die Tante über den Wert des Nachlasses ihrer Mutter Auskunft geben. Diesen Auskunftsanspruch haben die beiden Frauen nämlich ebenfalls gestundet, mit der Folge, dass die dreijährige Verjährungsfrist nicht abgelaufen ist. Zwar fehlte eine explizite Vereinbarung zwischen der Tante und ihrer Nichte über die Stundung dieses Anspruchs. Ohne sie hätte die Nichte aber nur einen Anspruch auf Zahlung eines Pflichtteils, den man mangels Kenntnis über den Nachlasswert nicht beziffern könnte. Es ist deshalb davon auszugehen, dass die Frauen eine Stundung des Auskunftsanspruchs vereinbart hätten, wenn ihnen bekannt gewesen wäre, wie wichtig dies für den Pflichtteilsanspruch ist.

Fazit: Nach dem Tod des Erblassers sollten Enterbte relativ schnell ihren Pflichtteil verlangen, da sonst die Verjährung des Anspruchs droht. Allerdings kann der Alleinerbe die Stundung des Pflichtteils verlangen, wenn er z. B. sein Familienheim aufgeben müsste, um den geschuldeten Betrag zu zahlen. Für die Dauer der Stundung läuft die dreijährige Verjährungsfrist nicht weiter.

(OLG Karlsruhe, Urteil v. 15.10.2015, Az.: 9 U 149/14)

(VOI)

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