Kletteranfänger erhält Schadenersatz von erfahrener Begleitung nach Unfall in Kletterhalle

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Erfahrene Kletterin haftet, weil sie Ungeübten in die Kletterhalle "mitgenommen" hat.

Die Beklagte betreibt in ihrer Freizeit seit etwa drei Jahren sowohl in Kletterhallen als auch in der freien Natur regelmäßig Klettersport. Der Kläger interessierte sich für diesen Sport, hatte jedoch noch keinen Kletterkurs besucht. Er bat die Beklagte, gemeinsam mit seiner Freundin in der Kletterhalle klettern zu gehen, um auszuprobieren, ob dieser Sport etwas für ihn wäre. Dabei stürzte der Kläger beim Abseilen von einer Kletterwand ab und verletzte sich schwer. Die Beklagte wusste, dass der Kläger die Sicherungstechniken nicht beherrschte. 

Beim Besuch der Kletterhalle ist ein Formular auszufüllen, welches unter anderem Fragen nach Kletterkenntnissen enthält. Während die Beklagte alle Fragen mit „Ja“ ankreuzte, beantworteten der Kläger und dessen Freundin alle Fragen mit „Nein“. Nur weil die Beklagte erklärte, selbst versierte Kletterin zu sein und die beiden Unerfahrenen mitzunehmen, durfte sich der Kläger überhaupt Sicherungsmaterial in der Halle ausleihen und die Top-Rope-Wände benutzen.

Die Beklagte zeigte ihnen, wie man den Sitzgurt richtig anlegt, und erklärte, wie man sich sichern müsste und auch, dass man vor dem Beginn des Kletterns einen sogenannten Partnercheck durchführt, bei dem man jeweils gegenseitig beim Partner kontrolliert, ob der Klettergurt richtig sitzt, ob das Seil richtig, nämlich im Anseilring, befestigt ist und die Karabiner gut verschlossen und gegengleich eingehängt sind. Die Beklagte forderte die beiden auf, auf die relevanten Punkte selbst zu achten. 

Die Beklagte suchte für den Kläger eine passende Route in einer etwas höheren Wand. Der Kläger hängte das von der Decke herunterhängende Top-Rope mit zwei Karabinern irrtümlich statt im Anseilring seines Sitzgurtes in der rechten Materialschlaufe ein, obwohl ihm die Funktion der Materialschlaufe einerseits und des Anseilrings andererseits bereits erklärt worden war. 

Die Beklagte forderte die Freundin des Klägers zum Partnercheck beim Kläger auf und überprüfte diesen. Dabei fiel, obwohl sie den Partnercheck ansonsten gründlich durchführten, niemandem auf, dass die Karabiner in der falschen Schlaufe eingehängt waren, sondern man konzentrierte sich vor allem darauf, die Karabiner richtig, das heißt gegengleich einzuhängen und richtig zu verschließen. Der Kläger erkletterte daraufhin eine Wand. Als er oben angelangt war, fragte ihn die Beklagte, ob er zum Abseilen bereit sei, und forderte ihn auf, sich ganz ins Seil zu setzen. Der Kläger zögerte zunächst, setzte sich aber dann ganz ins Seil und ließ das Seil aus. Die Beklagte begann ihn abzuseilen. Als zum ersten Mal die Seilbremse wirksam wurde, riss die Materialschlaufe und der Kläger stürzte auf den Hallenboden.

Führer aus Gefälligkeit

Der Oberste Gerichtshof hat sich bereits in mehreren Entscheidungen mit der Haftung des Führers aus Gefälligkeit bei Bergtouren auseinandergesetzt. Demnach kann bei Bedachtnahme auf die beim Bergsteigen notwendige Eigenverantwortlichkeit bei einem Zusammenschluss mehrerer Personen zu einer Bergtour nie der Geübtere oder Erfahrenere allein deshalb verantwortlich gemacht werden, weil er die Führung übernommen oder das Unternehmen geplant hat. Anders liegen die Dinge, wenn jemand die Führung aus Gefälligkeit übernimmt, aber seinem unerfahrenen Begleiter die erst später auftretenden, für diesen vorher nicht erkennbaren Gefahren und Schwierigkeiten verschweigt oder wenn jemand einen Bergunerfahrenen zu einer für diesen schwierigen Bergtour bzw. zu einem schwierigen Abstieg dadurch, dass er deren Gefährlichkeit verniedlicht oder gar bestreitet, überredet.

Verpflichtung zu gegenseitiger Hilfeleistung und Unterstützung

Besondere Sorgfaltspflichten können sich aber nicht nur aus der Übernahme einer „Führerrolle“, sondern ganz allgemein aus der Übernahme von Pflichten ergeben. Die Mitglieder einer Bergsteigergruppe sind demnach bei der Bergtour im Rahmen objektiver Zumutbarkeit zu gegenseitiger Hilfeleistung und Unterstützung bei der Bewältigung alpiner Gefahren verpflichtet, wobei die Intensität der daraus konkret erfließenden Handlungspflicht von der mit der jeweiligen Situation verbundenen Schwierigkeit und Gefahr abhängt.

Partnercheck ist Verkehrsnorm

Ein Partnercheck beim Klettern ist seit vielen Jahren üblich. Dabei handelt es sich bereits um eine Verkehrsnorm.

Im vorliegenden Fall hat die Beklagte durch ihre Erklärung, den Kläger „mitzunehmen“, wodurch diesem erst die Benützung der Kletterhalle eröffnet wurde, freiwillig Sorgfaltspflichten übernommen. Dabei ist schadenersatzrechtlich lediglich die freiwillige Pflichtenübernahme entscheidend.

"Einweisung und Kontrolle der Sicherung sind notwendig für weitgehend gefahrloses Klettern."

Die Beklagte war ohne entsprechende Vereinbarung natürlich nicht verpflichtet, den Kläger in die Kletterhalle mitzunehmen und dort zu betreuen; weil sie dies aber tat, übernahm sie damit auch entsprechende Sorgfaltspflichten. Diese umfassten nicht nur eine entsprechende Einweisung, sondern auch eine Kontrolle der ordnungsgemäßen Sicherung, ist diese doch Grundvoraussetzung für ein weitgehend gefahrloses Klettern. Dabei ist auch wesentlich, dass der Beklagten bekannt war, dass der Kläger keine einschlägigen Vorkenntnisse hatte.

In Anbetracht der fehlenden Erfahrung des Klägers und dessen Freundin reichte es nicht aus, wenn die Beklagte die beiden zu einem Partnercheck anhielt; vielmehr war die Beklagte auch verpflichtet, unabhängig davon ihrerseits zu überprüfen, ob der Kläger entsprechend gesichert war. Aufgrund der Unerfahrenheit des Klägers hätte die Beklagte in Erwägung ziehen müssen, dass ihm Fehler unterlaufen können. Dies galt in gleicher Weise für die Kontrolle durch die ebenso unerfahrene Freundin.

Im Ergebnis betonte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung auch die Eigenverantwortung des Klägers und legte ihm ein Mitverschulden von 1/4 zur Last. Immerhin hatte die Beklagte dem Kläger vorher das verwendete Material erklärt und auch, wie man einen Partnercheck richtig durchführt.

Tipp:

Unfälle in den Bergen oder auch beim Klettern in der Halle sind oft komplex. Es empfiehlt sich daher, direkt nach einem Unfall einen auf Bergsportunfälle spezialisierten Rechtsanwalt zu kontaktieren. Machen Sie ohne Rechtsanwalt keine Angaben gegenüber der Polizei - lassen Sie sich vorher beraten! 

Gerne betreue ich Sie nach einem Bergsportunfall und berate Sie über die rechtlichen Möglichkeiten Schadenersatz geltend zu machen oder gegen Sie erhobene Forderungen abzuwehren.

Foto(s): MMag. Florian Stachowitz


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