Können auch Teilzeitbeschäftigte unter besonderer Arbeitsbelastung leiden?

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Können auch Teilzeitbeschäftigte unter besonderer Arbeitsbelastung leiden?

 

Teilzeitarbeit ist viel mehr als vor einigen Jahren üblich geworden und wird inzwischen aus unterschiedlichen Gründen quer durch die Arbeitnehmerschaft genutzt. Der Gesetzgeber hat sich des Themas zuletzt bei der Einführung der Brückenteilzeit angenommen. Wir möchten daher ein paar Teilzeit-Basics vorstellen und einen Blick auf einen neuen Beschluss des Bundesarbeitsgerichts werfen.

 

Was ist Teilzeitarbeit?

 

Der Begriff Teilzeitarbeit definiert ein Arbeitsverhältnis, in dem Mitarbeiter weniger Stunden arbeiten als andere Mitarbeiter in demselben Unternehmen oder derselben Branche. Das klassische Vollzeitarbeitsverhältnis orientiert sich ca. an einer 40-Stunden-Woche.

 

Auch sog. Minijobber (geringfügig Beschäftigte) sind reguläre Teilzeitbeschäftigte, auf die nur in Bezug auf Steuer und Sozialversicherung andere Normen angewandt werden.

 

Immer noch präsent: Die Teilzeitfalle

 

Viele Teilzeitjobs haben einmal als Vollzeitarbeitsverhältnis begonnen, in denen die Arbeitszeit aus sich verändernden Lebensbedingungen heraus verringert wurde. Viele Arbeitnehmer haben das Recht, ihre Arbeitszeit zu reduzieren. Abgesehen von jungen Eltern und pflegenden Angehörigen kann eine große Gruppe von Arbeitnehmern nach § 8 Teilzeit- und Befristungsgesetz (TzBfG) oder § 9a TzBfG (Brückenteilzeit) die Arbeitszeit reduzieren. Diejenigen, die dies nur nach § 8 TzBfG tun können, haben allerdings keinen Rechtsanspruch auf eine Rückkehr zu ihrer vormaligen Stundenzahl. Wenn sie keine Einigung mit ihrem Arbeitgeber treffen, bleibt die Arbeitszeit unbefristet reduziert. Hierbei spricht man von der so genannten Teilzeitfalle. Die Einführung der Brückenteilzeit hat diesen Umstand nicht gänzlich behoben, denn die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Brückenteilzeit sind hoch.

 

Brückenteilzeit für wen?

 

Die befristete Reduzierung der Arbeitszeit – die so genannten Brückenteilzeit – schützt Arbeitnehmer vor der oben dargestellten Teilzeitfalle. Anspruchsgrundlage ist § 9a TzBfG. Auf kleine und mittlere Unternehmen findet diese Regelung allerdings keine Anwendung. Das Unternehmen muss regelmäßig mindestens 46 Mitarbeiter beschäftigen. Darüber hinaus müssen Sie mindestens sechs Monate bei Ihrem Arbeitgeber beschäftigt gewesen sein und innerhalb von drei Monaten einen Antrag stellen. Bei Interesse lesen Sie die Details in der Langversion dieses Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/koennen-auch-teilzeitbeschaeftigte-unter-besonderer-arbeitsbelastung-leiden/

 

Dürfen Teilzeitarbeitnehmer anders behandelt werden?

 

Teilzeitbeschäftigte (einschließlich geringfügig Beschäftigter) sind reguläre Angestellte mit lediglich geringer Arbeitszeit. § 4 Abs. 1 S. 1 TzBfG untersagt die Schlechterstellung im Verhältnis zu Vollzeitkräften aufgrund der Position als Teilzeitkraft. Natürlich gilt diese Regel auch für das Einkommen: Teilzeitbeschäftigte müssen proportional das gleiche Einkommen verdienen wie Vollzeitbeschäftigte, die den gleichen Job machen. Die Vorteile von Gehaltsverhandlungen können sich zwar zulässigerweise auswirken, aber im Verhältnis willkürlich niedrige Gehälter gerade aufgrund von Teilzeitarbeit sind nicht zulässig. Diese Regel gilt gleichfalls für Sonderzahlungen, die Teilzeitkräften anteilig zu gewähren sind.

 

Auch eine Unterscheidung zwischen „Teilzeitüberstunden“ und „Vollzeitüberstunden“ in Bezug auf die Überstundenzuschläge ist seit einem Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus dem Jahr 2018 nicht mehr zulässig. Ähnlich wie Überstundenzuschläge sind auch nach Stunden gestaffelte Sonderzahlungen aufgebaut; hiermit hatte sich das Bundesarbeitsgericht kürzlich zu befassen, der Fall ist allerdings noch nicht abgeschlossen.

 

Muss eine nach Stunden gestaffelte Mehrvergütung auch Teilzeitkräfte erfassen?

 

Geklagt hatte ein Arbeitnehmer bei einem Luftfahrtunternehmen, der in Teilzeit (90 % der Regelarbeitszeit) tätig ist. Die Tarifverträge gewähren dem Personal eine gestaffelte sog. Mehrflugdiensstundenvergütung, also eine höhere Vergütung, bei Erreichen einer gewissen Summe an Gesamtflugstunden im Monat. Die Auslösegrenzen für diese Vergütung unterscheiden nicht danach, welche Arbeitszeit vereinbart ist. Auf diese Weise ist es für Teilzeitkräfte schwerer, die Grenzen zu erreichen.

 

Der Beschluss des Bundesgerichtshofs

 

Nachdem das Landesarbeitsgericht der Argumentation der Arbeitgeberin gefolgt war (für die Details zum Fall lesen Sie Langversion dieses Blogbeitrags unter dem unten angegeben Link), hat das Bundesarbeitsgericht aktuell Zweifel, ob sich die Regelung mit europäischem Recht vereinbaren lässt. Maßgeblich ist hier die EGB-UNICE-CEEP-Rahmenvereinbarung über Teilzeitarbeitsverhältnisse als Anhang der Richtlinie 97/81/EG. Diese konkretisiert das oben genannte Diskriminierungsverbot der Teilzeitarbeitnehmer für den europäischen Raum. Um die einheitliche Auslegung des europäischen Rechts sicherzustellen, ist das Bundesarbeitsgericht verpflichtet, bei Zweifeln über die Auslegung einer Regelung den europäischen Gerichtshof anzurufen.

 

Dies ist mit Vorlagebeschluss vom 11.11.2020 geschehen (Az. 10 AZR 185/20 (A). Hiermit fragt das Bundesarbeitsgericht dem EuGH, ob eine mögliche schlechtere Behandlung von Teilzeitbeschäftigten gerechtfertigt werden kann, wenn mit der zusätzlichen Vergütung der Zweck verfolgt wird, eine besondere Arbeitsbelastung auszugleichen. Im Anschluss an diese Klarstellung erfolgt die Urteilsfindung des Bundesarbeitsgerichts.

 

Fazit

 

Das Bundesarbeitsgericht hat in dem oben erwähnten Teilzeit-Überstunden-Fall (Urteil des BAG vom 19.12.2018, Az. 10 AZR 231/18) bereits eine ähnliche Konstellation behandelt, dort allerdings ohne den EuGH zu der auch zum damaligen Zeitpunkt bereits in Kraft befindlichen Richtlinie anzuhören. In diesem Urteil hatte das BAG geurteilt, dass es eine unzulässige Diskriminierung von Teilzeitbeschäftigung darstelle, wenn die Zahl der Arbeitsstunden, von der ab ein Anspruch auf Mehrarbeitsvergütung entsteht, nicht proportional zu ihrer vereinbarten Arbeitszeit vermindert würde. Die vollständigen Urteilsgründe werden zeigen, mit welchen Argumenten das BAG den vorliegenden Fall anders beurteilt und ob sich hier ggf. eine neue Tendenz in der Rechtsprechung andeutet. Es bleibt nach wie vor auch im Teilzeitrecht spannend und lohnend, den aktuellen Fall zu verfolgen.

 

Weitere Hinweise zum Thema und die vollständige Urteilsbesprechung können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/koennen-auch-teilzeitbeschaeftigte-unter-besonderer-arbeitsbelastung-leiden/ nachlesen.


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