Krankengeld trotz eingetretener Arbeitslosigkeit?!

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KRANKENGELD TROTZ EINGETRETENER ARBEITSLOSIGKEIT?!

 

Wurden Sie krankgeschrieben und während der Arbeitsunfähigkeit gekündigt?

Weigert sich nun Ihre Krankenversicherung das Krankengeld weiterzuzahlen?

 

 

 

Es passiert sehr schnell: Aufgrund eines Unfalls oder einer Krankheit können Sie vorübergehend Ihre Beschäftigung nicht ausüben und werden krankgeschrieben. Sechs Wochen besteht nun Ihr gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung gemäß § 3 Abs. 1 EntgFG. Dieser Anspruch entsteht gegenüber Ihrem Arbeitgeber. Sie erhalten also für sechs Wochen, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 3 EntgFG erfüllt sind, Ihren vollen Arbeitslohn weiter ausbezahlt.

 

Nach diesen sechs Wochen tritt dann die Krankenversicherung in die Pflicht und bezahlt ein sog. Krankengeld. Der Anspruch auf Krankengeld gemäß § 44 Abs. 1 SGB V besteht, wenn Sie aufgrund einer Krankheit arbeitsunfähig sind oder Sie auf Kosten der Krankenkasse stationär in einem Krankenhaus- oder einer Vorsorge- oder Rehabilitationseinrichtung behandelt werden.

 

Das Krankengeld stellt eine sog. Entgeltersatzleistung zur Sicherung des Lebensunterhalts infolge von Krankheit dar. Ausgeschlossen vom Anspruch auf Krankengeld sind Versicherte nach § 5 Abs. 1 Nr. 2a, 5, 6, 9, 10 oder 13 SGB V sowie nach § 10 SGB V.

 

Das Krankengeld wird von Ihrer Krankenversicherung für die Dauer Ihrer Arbeitsunfähigkeit ohne zeitliche Begrenzung bezahlt. Wegen derselben Krankheit erhalten Sie jedoch für längstens 78 Wochen innerhalb von drei Jahren, gerechnet vom Tag des Beginns der Arbeitsunfähigkeit an, Krankengeld. Das Krankengeld beträgt 70 % des erzielten regelmäßigen Arbeitsentgelts. Die Krankenversicherung zahlt also nicht wie der Arbeitgeber bei der Entgeltfortzahlung 100 % des Arbeitsentgelts weiter.

 

Doch was geschieht, wenn Sie während der Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden? Entgegen des weitverbreiteten Mythos darf eine Kündigung ausgesprochen werden während sich der Arbeitnehmer im Krankenstand befindet. Auch darf der Arbeitnehmer sogar aufgrund seiner Krankheit gekündigt werden. Hier sind selbstverständlich dem Arbeitgeber sehr hohe Hürden gesetzt. Weiteres dazu in unserem anwalt.de-Artikel „Kündigung erhalten – richtig handeln.“

 

Sollten Sie also während der Arbeitsunfähigkeit gekündigt werden, hat die Krankenversicherung gemäß § 46 SGB V ab Ende des Arbeitsverhältnisses weiterhin das Krankengeld an Sie zu bezahlen. Doch häufig geschieht es, dass die Krankenversicherung versucht, sich hier aus der Affäre zu ziehen, indem nun behauptet wird, dass der Arbeitnehmer arbeitsfähig wäre und dass er seine Ansprüche gegenüber der Agentur für Arbeit geltend zu machen habe.

 

Wie kann dies nun sein? – Der Arbeitnehmer konnte seiner Arbeit aufgrund einer Krankschreibung nicht mehr nachgehen. Er wurde womöglich sogar aufgrund dieser Krankheit gekündigt und nun behauptet die Krankenversicherung, er sei plötzlich arbeitsfähig, obwohl er noch immer aufgrund der gesundheitlichen Einschränkungen von seinen behandelnden Ärzten fortlaufend krankgeschrieben wird.

 

Doch an welchen Kriterien ist die Arbeitsunfähigkeit konkret zu messen?

Grundsätzlich wird hierfür die zuletzt ausgeübte bzw. eine gleichartige Arbeit herangezogen. Endet das Arbeitsverhältnis während der Arbeitsunfähigkeit, ändert sich vorerst nichts an diesen Maßstäben. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts gilt, dass, wenn der Versicherte bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses Anspruch auf Krankengeld hatte, ihm dieses bei unveränderten Verhältnissen bis zur Erschöpfung der Anspruchsdauer zusteht. Sobald das Arbeitsverhältnis beendet ist, ändert sich allerdings der rechtliche Maßstab, der für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit heranzuziehen ist insofern, als dafür nicht mehr die konkreten Verhältnisse am (zuletzt besetzten) Arbeitsplatz heranzuziehen sind, sondern nunmehr abstrakt auf die zuletzt ausgeübte Beschäftigung abgestellt wird. Der Versicherte darf auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden, wobei allerdings der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten entsprechend der Funktion des Krankengeldes eng zu ziehen ist (ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, u.a. Urteil 07.12.2004, Az. B 1 KR 5/03 R).

 

Aber was bedeutet das nun für Sie? - Was sind gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten?

Unter „gleich oder ähnlich gearteten“ Tätigkeiten versteht man solche, die im Wesentlichen mit der bisherigen Arbeit übereinstimmen. Ausschlaggebend ist also, welche Bedingungen die frühere Arbeitsstelle deutlich geprägt haben und welche der vorherigen Beschäftigung gleich gearteten Tätigkeiten in Betracht kommen. War der vorherige Beruf ein Ausbildungsberuf, ist eine Verweisung außerhalb dieses (Ausbildungs-)Berufes ausgeschlossen. Doch auch an Tätigkeiten innerhalb dieses Berufes sind hohe Maßstäbe zu stellen. Diese müssen nämlich, was die Art der Verrichtung, die körperlichen und geistigen Anforderungen, die notwendigen Kenntnisse und Fertigkeiten sowie die Höhe der Vergütung angeht, mit der vorherigen Arbeit im Kern übereinstimmen. Das bedeutet, dass keine größere Umstellung oder Einarbeitung vom Versicherten verlangt werden darf. Allerdings ist zu beachten, dass eine Entgelteinbuße von zehn Prozent als zumutbar gilt.

 

Bei ungelernten Tätigkeiten gilt dies ebenso, nur dass das Spektrum der zumutbaren Tätigkeiten sich erheblich vergrößert, da es keinen Bezugspunkt zu einem bestimmten Ausbildungsberuf gibt. Ein pauschales Verweisen auf den generellen Arbeitsmarkt reicht aber nicht aus.

 

Damit wird deutlich, dass die Krankenversicherung alleine den Eintritt der Arbeitslosigkeit nicht dafür nutzen kann, Sie als arbeitsfähig einzustufen und Sie hier pauschal an die Agentur für Arbeit zu verweisen.

 

Wichtig ist allerdings, fortlaufend arbeitsunfähig krankgeschrieben zu sein, denn ansonsten besteht der Anspruch auf Krankengeld grundsätzlich nicht mehr (BSG 11.05.2017, B 3 KR 22/15 R). Auch ist zu beachten, dass aufgrund des Endes einer Arbeitsunfähigkeit, die noch im Beschäftigungsverhältnis begonnen hat, sich sogar die Mitgliedschaft der Versicherung ändern kann. Bezüglich konkreter Fragen zur AU-Bescheinigung verweisen wir auch auf unseren anwalt.de-Artikel „AU-Bescheinigung – Fragen, Probleme, Folgen.“

 

Sollten auch Sie hiervon betroffen sein und Ihre gesetzliche Krankenversicherung Ihnen mitteilen, dass Sie nach Ihrem Leistungsbild entsprechende Tätigkeiten doch vollschichtig ausüben können, setzen Sie sich gerne mit uns in Verbindung. Wir beraten Sie umfassend, welche Ansprüche Sie hier gegen Ihre Krankenversicherung haben und helfen Ihnen, Ihre Ansprüche durchzusetzen. Es ist schon schlimm genug, wenn Sie während einer Krankheit Ihren Arbeitsplatz verlieren. Sie sollten sich dann nicht noch mit Ihrer Krankenversicherung herumstreiten müssen.

 

Warten Sie aber nicht zu lange mit der Durchsetzung Ihrer Ansprüche. Gegen Beschei-de/Widerspruchsbescheide Ihrer gesetzlichen Krankenversicherung können Sie nur innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch bzw. Klage erheben.

 

Lisa Wagner, Studentische Hilfskraft

Ulrike Böhm-Rößler, Rechtsanwältin, Fachanwältin für Medizinrecht


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