Kündigung eines Schwerbehinderten in der Probezeit - Q&A

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Gilt der Kündigungsschutz für schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auch in der Probezeit? 

Nein, der besondere Kündigungsschutz gemäß §§ 168 ff. SGB gilt für schwerbehinderte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer nicht in der bis zu 6-monatigen Probezeit. Er tritt erst nach Ablauf einer 6-monatigen Wartezeit gemäß § 173 Abs. 1 Nr. 1  SGB IX ein. Dennoch gibt es drei Möglichkeiten, die Ihr Arbeitsverhältnis retten oder Ihnen eine solide Abfindung ermöglichen können.

Welche Rolle spielt die Anhörung der Schwerbehindertenvertretung? 

Der Arbeitgeber ist verpflichtet, die Schwerbehindertenvertretung auch vor Ablauf des 6-Monatszeitraumes vor der Entscheidung über die Kündigung  schwerbehinderter Arbeitnehmer/innen umfassend zu unterrichten und anzuhören. Viele Arbeitgeber umgehen oder übersehen diese Vorschrift, insbesondere bei einer Kündigung in der Probezeit. Wenn die Anhörung nicht, nicht vollständig und nicht fehlerfrei erfolgt, ist die folgende Kündigung gemäß § 178 SGB IX Abs. 2 S. 3 unwirksam. Der Arbeitgeber muss bei der Anhörung die Kündigungsgründe mitteilen, und der Schwerbehindertenvertretung ausreichend Zeit zur Stellungnahme geben. Vor der Kündigung muss er der Schwerbehindertenvertretung seine Enscheidung mitteilen. Dies hat unverzüglich zu geschehen. Im Prozess liegt die Beweislast für eine ordnungsgemäße und vollständige Beteiligung der Schwerbehindertenvertretung beim Arbeitgeber, und wenn die Arbeitsrichterin oder der Arbeitsrichter Zweifel an der Durchführung der Anhörung bzw. ihrer Ordnungsgemäßheit hat, wird dem Arbeitgeber zu einem Vergleich geraten.

Gilt die Europäische Gleichbehandlungsrahmenrichtlinie (EuGH) auch in der Probezeit? 

Ja und gemäß der EuGH-Rechtsprechung darf einem Arbeitnehmer bzw. einer Arbeitnehmerin basierend hierauf aufgrund einer Behinderung nicht sofort gekündigt werden, auch nicht in der Probezeit. Der Arbeitgeber muss zunächst prüfen, ob der/die Beschäftigte anderweitig beschäftigt werden kann. Wenn diese Prüfung nicht durchgeführt wird, gilt die Kündigung ebenfalls als unwirksam. Je nach Unternehmensgröße kann der Arbeitgeber sogar verpflichtet sein, die betreffenden Beschäftigten umzuschulen. Es ist wichtig, einen Zusammenhang zwischen der Kündigung und der Behinderung herzustellen.

Für Arbeitgeber gilt, die Maßnahme muss zumutbar sein. Gibt es derartige zumutbare Alternativen nicht, kann gekündigt werden. Dabei sind die formellen Voraussetzungen (siehe z.B. Beteiligung der Schwerbehindertenvertrung) unbedingt einzuhalten. 

In derartigen Fällen ist es regelmäßig ratsam, eine Anwältin oder einen Anwalt für Arbeitsrecht hinzuzuziehen.

Hat der Arbeitgeber sich maßregelnd oder diskriminierend verhalten? 

Es sollte zudem auch bei innerhalb der ersten sechs Monate des Arbeitsverhältnisses ausgesprochenen Kündigungen  geprüft werden, ob der Arbeitgeber die Kündigung als Maßregelung oder Diskriminierung verwendet hat. Eine Kündigung darf nicht als "Strafe" für ein bestimmtes Verhalten des Arbeitnehmers oder der Arbeitnehmerin ausgesprochen werden. Wenn Sie kurz vor der Kündigung eine Beschwerde eingereicht haben oder Ansprüche geltend gemacht haben, denen der Arbeitgeber nicht wohlwollend gegenübersteht,  stehen Ihre Chancen gut, Ihr Arbeitsverhältnis zu erhalten oder eine angemessene Abfindung auszuhandeln. In solchen Fällen könnte Ihnen auch ein Schadensersatzanspruch zustehen. Alles weitere hierzu klären Sie am besten anhand Ihres konkreten Falles mit einer Anwältin oder einem Anwalt für Arbeitsrecht.

Kann eine Kündigung in der Probezeit bei Vorliegen einer Schwerbehinderung unwirksam sein? 

Ja, wenn Sie einen Grad der Behinderung (GdB) von mindestens 50 haben oder bei einem GdB ab 30 und unter 50 einer schwerbehinderten Person gleichgestellt sind, kann Ihre Kündigung auch in der Probezeit unwirksam sein. Wenn Ihr Arbeitgeber nichts von Ihrer Schwerbehinderung oder Gleichstellung weiß, sollten Sie ihn spätestens innerhalb von 3 Wochen nach Erhalt der Kündigung informieren. Innerhalb dieser Frist sollten Sie, um die Unwirksamkeit der Kündigung feststellen zu lassen, eine Kündigungsschutzklage einreichen, da Kündigungen nach Ablauf der Frist als wirksam gelten. Falls der Arbeitgeber Formfehler bei der Aussprache der Kündigung begangen hat, kann er diese nur korrigieren, indem er sie nachholt und darauf basierend eine neue Kündigung ausspricht. Sind dann in diesem Fall bereits 6 Monate vergangen, stehen Sie unter dem besonderen Kündigungsschutz für schwerbehinderte Menschen. Die Zustimmung des Integrationsamtes zur beabsichtigten Kündigung wäre dann erforderlich. Wird diese nicht eingeholt, ist die Kündigung bereits aus diesem Grund unwirksam.



RAin Anja Schmidt-Bohm

Fachanwältin für Arbeitsrecht

Südwestkorso 1

12161 Berlin

www.ra-croset.de

Rechtsanwältin Schmidt-Bohm ist seit über 25 Jahren auf dem Gebiet des Arbeitsrechts tätig und seit 2004 Fachanwältin für Arbeitsrecht. Sie berät und vertritt in allen Bereichen des Arbeitsrechts Arbeitnehmer und Arbeitgeber, außerdem die Gremien der Mitbestimmung und im Beamtenrecht Beamtinnen und Beamte sowie öffentliche Dienstgeber.

Foto(s): Kanzlei@croset.de

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