Kündigung eines Schwerbehinderten ohne Einholen der Zustimmung des LAGESO – Entschädigungspflicht!

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Arbeitgeber und Arbeitnehmer aufgepasst!

Wird das Arbeitsverhältnis eines Schwerbehinderten gekündigt, ohne dass zuvor die Zustimmung des Integrationsamtes (in Berlin LAGESO) eingeholt wird, so kann dies teuer für Arbeitgeber teuer und für Arbeitnehmer lukrativ werden. Entschädigungsansprüche des Arbeitnehmers gestützt auf § 15 Absatz II AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz) können die Folge sein. Das Landesarbeitsgericht Baden-Württemberg hat einem Arbeitnehmer in einem solchen Fall sogar vier Bruttomonatsvergütungen als Schadenersatz zugesprochen (Urteil vom 17. Mai 2021, Az. 10 Sa 49/20).

Zustimmung zur Kündigung nicht eingeholt - Benachteiligung

Der Kläger wurde dadurch, dass er Arbeitgeber ohne Zustimmung des Integrationsamtes gekündigt worden ist, unmittelbar i.S.v. § 3 Abs. 1 AGG wegen seiner (Schwer)Behinderung benachteiligt, denn der Arbeitnehmer hat hierdurch eine weniger günstige Behandlung erfahren als eine andere Person in einer vergleichbaren Situation erfährt, erfahren hat oder erfahren würde, so die Richter.

Sog. Vermutungsregel (Vermutung der Benachteiligung) des § 22 AGG

Entscheidend dafür, dass das Gericht dem Arbeitnehmer die Schadensersatzansprüche zusprach, war folgendes: die Beweislast dafür, dass - hier - eine Benachteiligung wegen einer Schwerbehinderung erfolgte kann vom Arbeitgeber durch sog. Indizien erbracht werden. Das ist in § 22 AGG geregelt, welcher sogenannte Beweislasterleichterungen bestimmt. Demzufolge musste der Arbeitnehmer weder beweisen, dass er vom Arbeitgeber benachteiligt wurde noch dass der Arbeitgeber diese Benachteiligung verschuldet hat. Es genügt vielmehr, dass sich der Arbeitnehmer auf sog. Indizien stütze, welche eine Benachteiligung wegen seiner Schwerbehinderung vermuten. Der Vortrag des Arbeitnehmers, dass der Arbeitgeber die Kündigung erklärt hat ohne zuvor die Zustimmung zur Kündigung beim Integrationsamt zu beantragen sei ein solches Indiz im Sinne des § 22 AGG. Der Arbeitgeber habe dem nichts entgegensetzen können. Der Arbeitgeber hat somit nichts vorgetragen, woraus hervorging, dass andere Gründe als die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zu einer ungünstigeren Behandlung (also einer Kündigung) geführt haben. Hieran änderte selbst die Tatsache nichts, dass der Arbeitgeber die Kündigung im Laufe des Verfahrens zurückgenommen hatte. Auch dies konnte die nicht eingeholte Zustimmung zur Kündigung nicht wieder wettmachen bzw. die ungünstige Behandlung aufheben.

Entschädigungshöhe: Vier Bruttomonatsvergütungen

Interessant sind ferner die Ausführungen des Gerichts zur Höhe des zugesprochenen Schadensersatzanspruches. Die Missachtung des Sonderkündigungsschutzes (durch das Unterlassen des Einholens der Zustimmung des Integrationsamtes vor Ausspruch der Kündigung) sei kein Kavaliersdelikt, so die Richter. Der in § 15 Abs. II AGG geregelte Entschädigungsanspruch müsse sicherstellen, dass mit der Entschädigungszahlung für den Arbeitgeber eine abschreckende Wirkung erzielt würde. Dies mit der Folge, dass der Sonderkündigungsschutz zukünftig vom Arbeitgeber beachtet wird. Der Entschädigungsanspruch sei nicht auf drei Bruttomonatsvergütungen begrenzt, so die Richter; denn § 15 Abs. II 2 AGG beziehe sich vom Wortlaut her nur auf Fälle, in denen Schwerbehinderte nicht eingestellt werden. Im Umkehrschluss gilt die in § 15 Abs. II 2 AGG geregelte Begrenzung der Entschädigung au drei Bruttomonatsvergütungen nicht für Kündigungsfälle. Daher wurden dem Arbeitnehmer vom Gericht im Ergebnis vier Bruttomonatsvergütungen als Entschädigung zugesprochen.

Fazit für Arbeitgeber: Lassen Sie sich von einem Fachanwalt für Arbeitsrechtberaten, bevor Sie das Arbeitsverhältnis eines Schwerbehinderten kündigen um Fehler, die teuer werden können, zu vermeiden.

Fazit für Arbeitnehmer: Nehmen Sie eine Kündigung nicht einfach so hin, lassen Sie sie und etwaige Ansprüche gegenüber dem Arbeitgeber von einem Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen

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