Kündigung von Betriebsräten kann zu einer strafrechtlichen "Haftungsfalle" für den Arbeitgeber führen

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Arbeitgeber, die zu der Überzeugung kommen, dass ein Sachverhalt vorliegt, der eine fristlose Kündigung eines Betriebsratsmitglieds rechtfertigt, stehen in Deutschland grundsätzlich vor einer strafrechtlichen „Haftungsfalle“.

Beispiel: Arbeitszeitbetrug. Klar dürfte sein, ein Arbeitnehmer, der einen Arbeitszeitbetrug begeht, dürfte grundsätzlich mit dem Ausspruch einer fristlosen Kündigung rechnen. Wenn allerdings ein Mitglied des Betriebsrats verdächtig ist, einen Arbeitszeitbetrug begangen zu haben, stellt sich beim Arbeitgeber zwangsläufig die Frage, ob er sich den typischerweise in den Medien zu erwartenden Empörungsritualen der Gewerkschaft, beispielsweise den Vorwürfen „Union Busting“, oder „Arbeitgeber will Betriebsrat schwächen“ aussetzen will. Solche Schlagzeilen können auch zu schwerwiegenden Reputationsschäden in der Öffentlichkeit führen; auch das muss der Arbeitgeber in seiner Kündigungsentscheidung mitberücksichtigen. Entscheidet der Arbeitgeber sich gegen eine Kündigung, riskiert er den Straftatbestand „Begünstigung von Betriebsräten“ zu erfüllen; entscheidet sich der Arbeitgeber für den Kündigungsausspruch muss er grundsätzlich damit rechnen, dass er kurzerhand von der Gewerkschaft wegen des Straftatbestandes der „Behinderung der Betriebsratsarbeit“ bei der Staatsanwaltschaft angezeigt wird. Ein Unding! – aber Realität für Arbeitgeber in Deutschland.

Aktuelles Beispiel: Benteler – Automobilzulieferer – entscheidet sich, eine fristlose Verdachtskündigung wegen Arbeitszeitbetruges zum Nachteil seines Bielefelder Betriebsratsvorsitzenden auszusprechen.

Scheinbar zwangsläufig sieht sich Benteler den typischen Empörungsritualen der Gewerkschaft – hier der IG Metall – medial ausgesetzt.

Schlagzeile des Haller Kreisblatt vom 22.06.2023: „Union Busting - IG Metall: "Benteler will den Betriebsrat in Bielefeld schwächen"… „Die Gewerkschaft sieht in dem Vorgehen des Automobilzulieferers gegen den Vorsitzenden des Betriebsrats ein Musterbeispiel für die systematische Behinderung von Betriebsräten.“

Den starken Worten der IG Metall Bielefeld folgt „Schockstarre“ vor dem Arbeitsgericht Bielefeld. Denn aus der Sicht der Gewerkschaft und Betriebsrat tritt etwas ein, was scheinbar als völlig unrealistisch eingeschätzt worden ist: Das Arbeitsgericht Bielefeld gibt mit Urteil vom 11.08.2023 dem Arbeitgeber Benteler recht und erklärt die fristlose Kündigung wegen des Verdachts des Arbeitszeitbetruges zum Nachteil des Betriebsratsvorsitzenden als gerechtfertigt.

Zum Kündigungsvorwurf in aller Kürze:

Es geht um über EUR 100.000 für Zahlung von angezeigten Überstunden des Betriebsratsvorsitzenden. „Hintergrund der Auseinandersetzung sind Überstunden, die“ der Betriebsratsvorsitzende „in den vergangenen drei Jahren in der Arbeitszeiterfassung dokumentiert und für die er einen Ausgleich von 112.000 Euro erhalten hat. Nach Angaben der von Benteler beauftragten Rechtsanwälte …hätte“ der Betriebsratsvorsitzende „diese Überstunden jedoch nicht erfassen und auch keinen finanziellen Ausgleich dafür erhalten dürfen. Der Grund: Die Überstunden seien nicht betriebsbedingt, sondern aufgrund der Betriebsratstätigkeit entstanden.“ - Quelle: Haller Kreisblatt vom 11.08.2023, www.haller-kreisblatt.de; Titel: „Kündigung des Betriebsratschefs: Benteler erringt Erfolg vor Gericht“, Autorin: Carolin Nieder-Entgelmeier

Arbeitgeber Benteler fühlt sich durch den Erfolg bei Gericht bestätigt

Arbeitgeber Benteler fühlt sich bestätigt und erklärt sich medial wie folgt: „…dass es für das Unternehmen keine andere Option gab, als diesen Rechtsweg zu beschreiten, erklärt der Sprecher. „Unsere Compliance-Grundsätze lassen bei derartigen Pflichtverletzungen, wie sie im Raum stehen, keinen Handlungsspielraum zu.“ Das Verfahren stehe jedoch nicht im Zusammenhang mit der Betriebsratsfunktion des Mitarbeiters“. Quelle: Haller Kreisblatt vom 11.08.2023, Titel: „Kündigung des Betriebsratschefs: Benteler erringt Erfolg vor Gericht“.

Eskalationsschraube der IG Metall Bielefeld geht weiter

So sehr dieser Erfolg vor dem Arbeitsgericht Bielefeld für das konsequente Handeln von Benteler spricht, eben nicht zu unterscheiden, ob ein Arbeitszeitbetrug von einem Mitglied des Betriebsrats begangen worden ist oder von einem Arbeitnehmer ohne entsprechenden Sonderkündigungsschutz, so sehr sieht sich Benteler auch weiterhin der Eskalationsschraube der IG Metall Bielefeld ausgesetzt. Sachlich stellt das Haller Kreisblatt in seinem Artikel vom 11.08.2023 fest: „Die Auseinandersetzung zwischen Benteler und“ dem Betriebsratsvorsitzenden „geht am 19. September vor dem Arbeitsgericht Bielefeld weiter. In der Verhandlung geht es um die Rückzahlung der Überstundenvergütung. Zudem haben die Parteien mehrere Strafanzeigen gestellt, unter anderem wegen Arbeitszeitbetrugs und Behinderung der Betriebsratsarbeit.“

Wie also diese strafrechtliche "Haftungsfalle“ für den Arbeitgeber lösen?

Dass Betriebsverfassungsgesetz bedarf dringend einer Reform. Die Wirtschaftswoche ( WiWo ) schreibt bereits am 31.Mail 2010 unter der Schlagzeile „Koppeln, kungeln, korrumpieren im Betriebsrat“ wie folgt:

„Jahrzehntelang haben Betriebsräte erfolgreich zum sozialen Frieden in deutschen Unternehmen beigetragen. Doch einige eklatante Fälle von Machtmissbrauch zeigen: Das Mitbestimmungssystem ist dringend reformbedürftig“….“Geplante Reformen“ müssen her:

Die Wirtschaftswoche herausstellend: „Die“ geplanten Reformen „will die Bundesregierung nun anstoßen: Im Koalitionsvertrag mahnt“ die Regierung „die Arbeitnehmervertreter, einen Ehrenkodex ähnlich dem Corporate-Governance-Kodex für Vorstände und Aufsichtsräte zu unterzeichnen, der auch die Bezüge von Betriebsräten offenlegt.“ Wie gesagt: Der Artikel der Wirtschaftswoche ist vom 31.Mail 2010.

Geschehen ist bis heute nichts 

Das nunmehr der Bundesgerichtshof mit seiner Entscheidung vom 10. Januar 2023 - 6 StR 133/22 unmissverständlich und eindeutig festgestellt hat, dass die „Begünstigung von Betriebsräten“ sogar auch zu jahrelangen Haftstrafen des Top-Management im Betrieb führen kann, vergleiche Pressemitteilung des BGH mit dem Titel „Freisprüche im Prozess um die Vergütung von Betriebsräten der Volkswagen AG aufgehoben“, Erscheinungsdatum 10.01.2023, Nr. 003/2023, zeigt auf, wie richtig es war, dass Benteler sich weder von den typischen Empörungsritualen der IG Metall noch von den Beschimpfungen des Betriebsrats hat einschüchtern lassen.

„Begünstigung von Betriebsräten“ ist strafbar

Betrug ist Betrug! Missbrauch ist Missbrauch! Völlig egal, ob von einem Mitglied des Betriebsrats ausgeführt oder von einem Mitarbeiter ohne entsprechenden Sonderkündigungsschutz – und letztendlich muss sich der Arbeitgeber stets über folgendes bewusst sein: die „Begünstigung von Betriebsräten“ ist strafbar. Um sich also selbst vor persönlicher strafrechtlicher Haftung zu schützen, könnte für einen Arbeitgeber grundsätzlich der Ausspruch der fristlosen Kündigung zum Nachteil des Mitglieds des Betriebsrats alternativlos werden. Angesichts der Eindeutigkeit der Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 10.01.2023 wird nunmehr auch verständlich, warum plötzlich Arbeitgeber Gehälter ihrer Betriebsräte kürzen, so geschehen bei Audi, vergleiche Artikel der FAZ vom 14.06.2023, Schlagzeile: „Die Tochtergesellschaft von Volkswagen kürzt die Gehälter ihrer Betriebsräte“, oder so geschehen bei Porsche, vergleiche Artikel der Süddeutschen Zeitung vom 26.Juni 2023, Schlagzeile: „Weniger Gehalt – Porsche – Betriebsräte klagen“.

Rechtsanwalt Helmut Naujoks ist seit 25 Jahren ausschließlich als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht tätig. Haben Sie Fragen in Bezug auf etwaige Rechte / Pflichten eines Betriebsrats? Rufen Sie noch heute Rechtsanwalt Helmut Naujoks an, Spezialist als Anwalt für Arbeitgeber im Arbeitsrecht. In einer kostenlosen und unverbindlichen telefonischen Ersteinschätzung beantwortet Rechtsanwalt Helmut Naujoks Ihre Fragen zum Kündigungsschutz von Betriebsräten bzw. zu deren Rechte und Pflichten.




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