Kurzarbeit gezielt einsetzen: Dürfen Unternehmen Kurzarbeit für einzelne Mitarbeiter anordnen?

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Die wirtschaftlichen Herausforderungen vieler Unternehmen, besonders in Krisenzeiten, machen Kurzarbeit zu einem wichtigen Instrument. Sie ermöglicht es, die Personalkosten zu senken und gleichzeitig Arbeitsplätze zu sichern. Doch was passiert, wenn der Arbeitsausfall nicht alle Mitarbeiter betrifft? Kann ein Unternehmen gezielt nur einzelne Mitarbeiter oder bestimmte Gruppen in Kurzarbeit schicken, oder muss dies gleichmäßig für die gesamte Belegschaft gelten? Diese Fragestellung ist nicht nur für Arbeitgeber, sondern auch für Arbeitnehmer von zentraler Bedeutung.

Wir beleuchten, unter welchen Voraussetzungen Kurzarbeit für einzelne Mitarbeiter rechtlich möglich ist, welche Fallstricke Unternehmen vermeiden sollten und wie eine rechtssichere Umsetzung gelingt.

Was ist Kurzarbeit und welche rechtlichen Grundlagen gelten?

Kurzarbeit bedeutet, dass die Arbeitszeit eines Mitarbeiters vorübergehend reduziert wird, um wirtschaftliche Engpässe abzufedern. Dies führt zu einem entsprechenden Entgeltausfall, der durch Kurzarbeitergeld der Arbeitsagentur teilweise kompensiert wird. Ziel ist es, betriebsbedingte Kündigungen zu vermeiden.

Die rechtlichen Grundlagen finden sich im Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), insbesondere in §§ 95 ff. Kurzarbeit darf nur unter bestimmten Bedingungen eingeführt werden:

Der Arbeitsausfall muss wirtschaftlich bedingt sein, etwa durch Auftragsrückgänge oder Betriebsstörungen. Er darf zudem nur vorübergehend und unvermeidbar sein. Kurzarbeit muss im Arbeitsvertrag, einem Tarifvertrag oder einer Betriebsvereinbarung geregelt sein. Liegt dies nicht vor, ist die Zustimmung der betroffenen Mitarbeiter erforderlich. Der Arbeitgeber muss die Kurzarbeit beantragen und genehmigen lassen.

Diese Voraussetzungen gelten unabhängig davon, ob Kurzarbeit für die gesamte Belegschaft oder nur für einzelne Mitarbeiter eingeführt wird.

Dürfen einzelne Mitarbeiter in Kurzarbeit geschickt werden?

Grundsätzlich ist es rechtlich zulässig, Kurzarbeit auf einzelne Mitarbeiter oder Gruppen zu beschränken, sofern die Auswahl sachlich gerechtfertigt ist und alle arbeitsrechtlichen Vorgaben eingehalten werden.

Ein Unternehmen kann Kurzarbeit nur für bestimmte Abteilungen, Teams oder Einzelpersonen einführen, wenn dies durch objektive und nachvollziehbare Gründe gestützt wird, wenn bestimmte Tätigkeiten aufgrund eines Auftragsmangels nicht mehr benötigt werden, wenn eine Abteilung stärker von der wirtschaftlichen Krise betroffen ist als andere oder wenn bestimmte Bereiche zur Aufrechterhaltung des Geschäftsbetriebs unverzichtbar sind, während andere reduziert werden können.

Es ist jedoch entscheidend, dass die Auswahlkriterien transparent und nicht willkürlich sind. Eine diskriminierende Auswahl könnte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 75 BetrVG) oder das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) verstoßen.

Einbindung des Betriebsrats

In Unternehmen mit Betriebsrat ist dieser gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 3 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) zwingend einzubinden. Der Betriebsrat hat ein Mitbestimmungsrecht bei der Einführung und Umsetzung von Kurzarbeit, insbesondere bei der Auswahl der betroffenen Mitarbeiter.

Unternehmen sollten darauf achten, den Betriebsrat frühzeitig zu informieren und gemeinsam transparente Kriterien für die Auswahl zu entwickeln.

Vermeidung von Diskriminierung

Die Auswahl der Mitarbeiter für Kurzarbeit darf nicht gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen. Kriterien wie Alter, Geschlecht, Religion, Herkunft oder eine bestehende Behinderung dürfen bei der Entscheidung keine Rolle spielen. Verstöße können rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen, etwa Schadensersatzansprüche gemäß dem AGG.

Rechtliche Risiken und Herausforderungen

Die Einführung von Kurzarbeit für einzelne Mitarbeiter birgt einige Herausforderungen, die Unternehmen sorgfältig berücksichtigen sollten. Werden Mitarbeiter ohne sachlichen Grund unterschiedlich behandelt, können daraus arbeitsrechtliche Konflikte entstehen. Unklare oder unvollständige Informationen können bei den betroffenen Mitarbeitern Unzufriedenheit oder Rechtsunsicherheit auslösen.Wenn der Betriebsrat nicht korrekt eingebunden oder die Zustimmung der Mitarbeiter nicht eingeholt wird, kann die Kurzarbeit unwirksam sein.

Besonders problematisch sind Konstellationen, in denen Mitarbeiter sich benachteiligt fühlen und rechtliche Schritte einleiten. Solche Konflikte lassen sich durch eine frühzeitige Planung und rechtliche Beratung vermeiden.

Rechtstipp:

Die Einführung von Kurzarbeit, besonders für einzelne Mitarbeiter, ist rechtlich anspruchsvoll. Fehler können nicht nur zu Konflikten mit Mitarbeitern und Betriebsrat führen, sondern auch rechtliche Konsequenzen nach sich ziehen. Unternehmen sollten daher frühzeitig einen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzuziehen, um:

  • Die Voraussetzungen für Kurzarbeit rechtlich zu prüfen.
  • Eine individuelle oder betriebliche Vereinbarung zur Kurzarbeit zu erstellen.
  • Transparente und diskriminierungsfreie Auswahlkriterien zu entwickeln.

Eine professionelle rechtliche Beratung hilft, Unsicherheiten zu vermeiden und den Prozess rechtssicher zu gestalten. So können Unternehmen die Vorteile von Kurzarbeit nutzen und gleichzeitig rechtliche Risiken minimieren.

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Foto(s): pixabay

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