Liegt eine Berufsunfähigkeit auch bei weniger als 50 %iger "zeitlicher Einschränkung" vor?

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In der Berufsunfähigkeitsversicherung gilt als berufsunfähig, wer zu mindestens 50 % seine berufliche Tätigkeit (dauerhaft) nicht mehr ausüben kann; manche ältere Vertrags- und Bedingungswerke gehen von einem andere Grad aus (z.B. 75 %). Die 50 %-Klausel hat sich indes heute am Markt etabliert.


Nach der Rechtsprechung verbietet sich jedoch eine rein zeitanteilige Betrachtung der Einzeltätigkeiten bei der Beurteilung, zu welchem Grade Berufsunfähigkeit besteht. Es ist stets eine Gesamtbetrachtung vorzunehmen (BGH, Urteil vom 19. Juli 2017, IV ZR 535/15). Diese Rechtsprechung ist nicht nur richtig, sondern es ist wichtig, dies bei der Darstellung der beruflichen Tätigkeit des Versicherten für die Leistungsfallprüfung durch den Versicherer hinreichend klar darzustellen. 


Denn es kann durchaus vorkommen, dass ein Versicherter, bezogen auf seine 40-Stunden-Tätigkeitswoche (wie er sie zu „gesunden Tagen“ ausgeübt hat), zeitlich nur zu 10 Stunden eingeschränkt ist. Typisches Beispiel - wenn auch verkürzt dargestellt - ist der im Vertrieb tätige Arbeitnehmer, der 10 Stunden die Woche Kunden mit dem Auto besucht und den Rest der Woche im Büro am Schreibtisch tätig ist. Kann dieser Versicherte nun jene 10 Stunden „im Auto“ nicht mehr leisten, wäre er rein rechnerisch nur zu 25 % eingeschränkt. Die "magische" Leistungsgrenze von 50 % wäre nicht erreicht.


Nach der Rechtsprechung kann hier allerdings eine Berufsunfähigkeit schon deshalb anzunehmen sein, da die Arbeitszeit „am Schreibtisch“ auf die vorherige vertriebliche Tätigkeit („im Auto“) aufbaut. Es sind nicht lediglich die Einzeltätigkeiten und deren zeitanteilige Beeinträchtigung zu bewerten, sondern vielmehr die gesamte berufliche Tätigkeit zu berücksichtigen. Gerade die Unfähigkeit für die Berufstätigkeit „essenzielle“ Teiltätigkeiten nicht mehr leisten zu können, kann also schnell zu einer Berufsunfähigkeit im Ganzen führen.


Wir empfehlen daher grundsätzlich, so früh als möglich, am Besten schon vor dem Leistungsantrag, anwaltliche Beratung in Anspruch zu nehmen. 


Auch sollten ältere Verträge ganz besonders genau unter die Lupe genommen werden, da sich in manchen Fällen eine deutlich längere Leistungspflicht des Versicherers zeigt, als es der Versicherungsschein vermuten lässt. 


Sprechen Sie uns daher gerne einmal unverbindlich an.


Ihre Fachanwälte der Kanzlei MEILENSTEIN



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