Massenentlassung: Wann ist eine Kündigung wegen Verfahrensfehlern unwirksam?

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Plant ein Arbeitgeber die Entlassung von einer größeren Zahl an Arbeitnehmern in einem Zeitraum von 30 Tagen, so handelt es sich um eine sog. Massenentlassung. Der Arbeitgeber ist dabei verpflichtet, gewisse gesetzliche Verfahrensvorschriften einzuhalten – ansonsten könnten die folgenden Kündigungen unwirksam sein. Mit der Frage, ob und wann diese Rechtsfolge eintritt, hatte sich vor kurzem der Europäische Gerichtshof (EuGH) zu beschäftigen. 

Massenentlassung durch Arbeitgeber – Verstoß gegen Verfahrensvorschriften?

In dem Fall, welcher dem EuGH durch das Bundesarbeitsgericht vorgelegt wurde, ging es um die Entlassung von knapp 150 Arbeitnehmern. Infolge der Insolvenz einer GmbH sollte die Geschäftstätigkeit eingestellt werden – in diesem Zuge plante der Insolvenzverwalter der Firma die Kündigung vieler Angestellter. Der Arbeitgeber informierte den Betriebsrat, wie es in § 17 Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) vorgesehen ist. Jedoch wurde entgegen der gesetzlichen Verpflichtung aus § 17 Abs. 3 KSchG nicht die zuständige Agentur für Arbeit informiert. Diese soll im Fall von Massenentlassungen dabei helfen, den entlassenen Arbeitnehmern neue Beschäftigungsverhältnisse zu vermitteln. Ein im Rahmen der folgenden Massenentlassung gekündigter Arbeitnehmer klagte vor dem Arbeitsgericht gegen die Kündigung und führte als Grund die verfahrenswidrige Nichtübermittlung an die Arbeitsagentur an.  

Arbeitsgericht zur Wirksamkeit einer Kündigung bei Massenentlassungen

Das zuständige Arbeitsgericht Osnabrück sah die Kündigung als wirksam an. Begründet wurde dies mit dem fehlenden individuellen Schutz der betreffenden Normen. Während die Beteiligung des Betriebsrates einen Arbeitnehmerschutz enthalte, verfolge die Anzeigepflicht bei der Agentur für Arbeit nur arbeitsmarktpolitische Ziele. Der Betriebsrat könne mögliche Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten erforschen oder von seinen anderweitigen Mitwirkungsrechten Gebrauch machen. Jedoch erhalte die Arbeitsagentur im Rahmen des Kündigungsprozesses nur eine Mitteilung über den aktuellen Stand des Verfahrens. Daraus könne sie keine Informationen zur potentiellen Vermeidung der Entlassung und damit zum Individualschutz entnehmen. Mithin sei die später erfolgte Kündigung wirksam. Dieser Auffassung schloss sich das Landesarbeitsgericht Niedersachsen in zweiter Instanz an. 

EuGH: Verstöße gegen Verfahrensregelungen führen nicht immer zur Nichtigkeit einer Kündigung

Schlussendlich kam es zu einer Revision: Das Bundesarbeitsgericht überließ die Entscheidung über die Schutzrichtung der Norm dabei dem EuGH. Es sei fraglich, ob § 17 Abs. 3 S. 1 auch individualschützend wirke. Der EuGH seinerseits bestätigte im Wesentlichen die Argumentationen der Vorinstanzen. Die Übermittlung neuer Informationen sei entscheidend im Gespräch zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat. Nur so könne die Arbeitnehmervertretung ausreichend beteiligt werden, um bestenfalls Entlassungen zu verhindern. Die Abschrift an die Agentur für Arbeit sei jedoch nur dazu geeignet, ihr einen groben Überblick über die Situation zu geben. Die Übermittlung sei lediglich aus Informations- und Vorbereitungszwecken notwendig, nicht jedoch um den individuellen Arbeitnehmer zu schützen. Damit führe ein Verstoß gegen diese Verfahrensvorschrift nicht zur Unwirksamkeit einer späteren Kündigung

Massenentlassungen nach deutschem Recht: GKS Rechtsanwälte prüfen Ihre Rechte

Das Urteil benennt zwar eindeutig die Rechtsfolge bei der fehlenden Übermittlung an die Arbeitsagentur. Jedoch bleibt weiterhin offen, wie mit anderweitigen Verstößen im Massenkündigungsverfahren umzugehen ist. Hier könnte das Bundesarbeitsgericht – wie in vergangenen Entscheidungen – weiterhin von der Unwirksamkeit der Kündigung ausgehen. Daher sollte bei Erhalt einer Kündigung im Rahmen von Massenentlassungen stets ein fachkundiger Anwalt konsultiert werden. Unser Rechtsanwalt und Fachanwalt für Arbeitsrecht Daniel Junker hilft Ihnen gerne dabei, Ihre Rechte durchzusetzen. Kontaktieren Sie uns gerne telefonisch (0202 245 67 0) oder direkt über die unverbindliche Online-Beratung.


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