Mindestlohn und Provision – was wird angerechnet, wie berechnen sich Urlaubsentgelt und Krankengeld?

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Trotz Mindestlohn noch immer an der Tagesordnung – ein niedriges Fixum weit unterhalb des Mindestlohns, alle weiteren Gehaltsbestandteile werden auf Provisionsbasis gezahlt.

Erhalten Sie schon als Fixum einen Stundenlohn, der dem MiLoG entspricht, ist der Arbeitgeber auf der sicheren Seite, er zahlt das Minimum, Sie wissen, mit was Sie mindestens rechnen dürfen, um davon Ihr Leben zu bestreiten. Ihre sodann verdiente Provision ist nur Kür.

Ergibt sich der gesetzliche Mindestlohn von 9,19 EUR (2019) brutto pro Stunde erst, wenn mehrere Vergütungsbestandteile addiert werden – Fixum und Provision, stellt sich die Frage, was auf die Erfüllung des Mindestlohns angerechnet werden darf und was nicht. 

Welche Anrechnungsmöglichkeiten sehen EuGH und BAG vor?

Das Mindestlohngesetz selbst verankert 9,19 EUR pro Stunde. Es enthält keine Regelungen zur Anrechnung weiterer Vergütungsbestandteile. 

Nach dem EuGH können variable Vergütungsbestandteile wie Provisionen dann angerechnet werden, wenn sie eine Gegenleistung für die reguläre Tätigkeit des Arbeitnehmers darstellen. Eine Gegenleistung für die Arbeit des Arbeitnehmers stellt eine Provision dar. Gute Erfolge des Arbeitnehmers versprechen dann eine gute Provision.

Für den Mindestlohn dürfte Folgendes gelten:

  • Für die Anrechenbarkeit von Leistungen auf tariflich begründete Mindestlohnansprüche kommt es darauf an, ob die anrechenbaren Vergütungsbestandteile einen Gegenwert für die geleistete Arbeit darstellen. Dies ist z. B. bei tariflichen Einmalzahlungen der Fall – daher sind diese nach Auffassung des EuGHs und des BAG anrechenbar.
  • Nicht anrechenbar sind Vergütungsbestandteile, die einen ganz anderen Zweck befolgen als die Gegenleistung für reguläre Arbeit. Vermögenswirksame Leistungen sowie Überstunden und Schmutzzulagen sind in die Berechnung des Mindestlohns nicht einzubeziehen.

Nach der Rechtsprechung des BAG sollen nur die Entgeltzahlungen den Mindestlohnanspruch erfüllen, die dem Arbeitnehmer „endgültig verbleiben“ (BAG, Urteil vom 25.05.2016, Az. 5 AZR 135/16). Die Zahlungen müssen vorbehaltlos und unwiderruflich gewährt werden.

Wie ist Ihr Urlaubsentgelt zu bemessen?

In Rahmen meiner Tätigkeit erreichen mich Fälle in denen Urlaubsentgelt lediglich in Höhe des Mindestlohns gewährt wird. Zum einen ist diese Berechnung schlichtweg falsch, zum anderen werden hier oft unwirksame Vereinbarung zur Rückzahlung nicht "verdienter" Vergütungsbestandteile getroffen.

Gem. § 11 Abs. 1 S. 1 BUrlG bemisst sich das Urlaubsentgelt nach dem durchschnittlichen Arbeitsverdienst, das der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor dem Beginn des Urlaubs erhalten hat. Gehaltskürzungen, die im Berechnungszeitraum infolge von Kurzarbeit, Arbeitsausfällen oder unverschuldeter Arbeitsversäumnis eintreten, bleiben für die Berechnung des Urlaubsentgelts außer Betracht. Wenn der Arbeitnehmer in den letzten dreizehn Wochen vor Beginn des Urlaubs wegen Erkrankung keinen Arbeitsverdienst erzielt hat, so berechnet sich das Urlaubsentgelt nach den letzten dreizehn Wochen, in denen er einen Anspruch auf Arbeitsvergütung erzielt hat. 

Der so ermittelte Arbeitsverdienst ist auf einen Tagessatz umzurechnen. Der Betrag ist durch die Anzahl der Tage zu dividieren, für die der Arbeitnehmer regelmäßig seine Arbeitsverpflichtung zu erbringen hatte. Hier wird auf die Berechnungsmethode zur Abgeltung von Urlaubsentgelt abgestellt.

Wie bemisst sich die Entgeltfortzahlung des Arbeitgebers?

Auch provisionsberechtigte Arbeitnehmer haben einen Anspruch auf Ent­gelt­fort­zah­lung im Krankheitsanfall.

Im Fall der Erkrankung eines Arbeitnehmers stellt sich häufig die Frage, in welcher Höhe dem vorüberge­hend ab­we­sen­den Mitarbeiter Pro­vi­si­ons­zah­lun­gen als Ent­gelt­fort­zah­lung im Krankheitsfall gemäß dem Ent­gelt­fort­zah­lungs­ge­setz (EZFG) zu gewähren sind.

Gemäß § 4 EZFG ist die im Krankheitsfall zu zahlende Vergütung nach dem Lohn­aus­fall­prin­zip zu berech­nen. Dabei ist dar­auf ab­zu­stel­len, wel­che Pro­vi­sio­nen der Ar­beit­neh­mer ver­dient hätte, wenn er nicht er­krankt wäre. Gesetzlich normiert ist, bei ei­ner er­geb­nis­abhängi­gen Vergütung der vom Arbeitneh­mer in der für ihn maßge­ben­den re­gelmäßigen Ar­beits­zeit zu er­zie­len­de Provisionsdurchschnitt zu­grun­de zu le­gen.

Es ist ei­ne sach­ge­rech­te Schätzung un­ter Berück­sich­ti­gung ver­gan­ge­ner Zeiträume vor­zu­neh­men. Bei jah­res­zeit­li­chen Um­satz­schwan­kun­gen ist der Pro­vi­si­ons­durch­schnitt der letz­ten zwölf Mo­na­te zugrun­de zu le­gen.

Wie hoch wird das Krankengeld sein?

Die Berechnung des von der Krankenkasse zu gewährenden Krankengeldes bemisst sich nach § 47 SGB V.

Hier wird am Ende der Berechnung das kalendertägliche Regelentgelt ermittelt. Entscheidend für die Berechnung ist auch hier der Bemessungszeitraum. 

Dieser ist in der Regel der letzte vor Beginn der Arbeitsunfähigkeit tatsächlich abgerechnete Kalendermonat, anderenfalls die letzten abgerechneten vier Wochen. Bei Arbeitnehmern, deren Arbeitsentgelt nicht nach Monaten bemessen ist, können mehrere Entgeltabrechnungszeiträume zusammengefasst werden, um einen Bemessungszeitraum von vier Wochen festzulegen. Tritt Arbeitsunfähigkeit vor Ablauf des Bemessungszeitraums ein, muss das Krankengeld auf Basis einer individuellen Schätzung anhand der von den Arbeitsvertragsparteien getroffenen Vereinbarungen errechnet werden.

Was werden Sie verdienen, wenn Sie die Provision nicht erwirtschaftet haben?

Ein Außendienstler erhält für monatlich 160 Stunden ein Fixum von 800 EUR und erwirtschaftet Provisionen von 1.200 EUR. Der Mindestlohn wäre erreicht (= 2.000 EUR / 160 Stunden = 12,50 EUR) – wenn die Provisionen auch tatsächlich ohne Verrechnungsvorbehalt ausgezahlt werden.

Werden Provisionen dagegen mit zeitlicher Verzögerung gezahlt oder erstrecken sich über Zeitabschnitte, die über den Monatszeitraum hinausgehen, so muss vertraglich der Mindestlohn vereinbart sein („Garantieprovision“), um dem MiLoG gerecht zu werden.

Zulässig ist dagegen, dass die „Garantieprovision“ mit späteren höheren Provisionserträgen verrechnet wird, was selbstverständlich vertraglich vereinbart werden muss. Ohne „Garantieprovision“ läge ein Verstoß gegen das MiLoG vor.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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