Mit 44 zu alt für die Techno-Party?

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Samstagmorgen, viertel vor Zehn. Auf dem Weg zum Einkaufen komme ich immer an diesen Zeitungskästen vorbei. Dabei ist mir heute die Schlagzeile aufgefallen: Mit 44 zu alt für die Techno-Party (Bild) bzw. Mit 44 zu alt zum Feiern (tz).

1. Worum geht es?

Ein 44-jähriger Münchner wollte auf einer angesagten Party feiern, wurde aber vom Türsteher nicht hineingelassen, weil dieser ihn für zu alt hielt.

Das Gericht gab dem Veranstalter recht. Die in dem Zeitungsartikel zitierte Begründung des Gerichts lautet:

Eine Unterscheidung beim Einlass nach dem optischen Alter ist bei solchen Veranstaltungen nicht nur typisch, sondern hält auch einer vernünftigen Betrachtungsweise stand. … Bei derartigen Disco-Veranstaltungen steht nicht allein die Musik im Vordergrund, sondern das gemeinsame Feiern. Das Gelingen einer solchen Veranstaltung hängt damit entscheidend von einer gelingenden Interaktion unter den Gästen ab. … Daher ist eine Auswahl der Gäste, um einen gelungenen Abend zu gestalten, vernünftig, um den Interessen der Gäste und des Veranstalters gerecht zu werden. 

Also das ist ja nun wirklich eine ausgesprochen schwache Begründung. Warum?

2. Rechtlicher Hintergrund

a) Das AGG (Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz)

Es gibt bekanntlich das „Antidiskriminierungsgesetz“, AGG, wobei AGG für Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz steht. In dem Gesetz heißt es, vereinfacht ausgedrückt, dass es verboten ist, Menschen aufgrund ihres Geschlechts, ihrer Herkunft, Religion und so weiter, und eben auch wegen ihres Alters zu diskriminieren.

Das würde also bedeuten: Allein wegen des Alters darf man jemandem den Zugang zu einem Techno-Club nicht verweigern.

Also 1:0 für den älteren Partygänger.

b) Sachlich gerechtfertigte Diskriminierungen sind zulässig

Jetzt wissen wir aber alle, oder zumindest die meisten von uns, dass man natürlich schon auch ein wenig zum Beispiel im Hinblick auf das Geschlecht differenzieren darf, wenn es hierfür einen sachlichen Grund gibt.

Beispiel: Für eine Werbekampagne, in der es um BHs geht, wird ein Model gesucht. Es liegt auf der Hand, dass der abgelehnte männliche Bewerber nicht mit Erfolg argumentieren kann, dass er hier wegen seines Geschlechts diskriminiert wird. Für einen BH-Spot braucht man eben normalerweise ein weibliches Model.

Also 1:1.

c) Und wie sieht es jetzt konkret mit dem Alter aus?

a) Ich erinnere mich an eine Veranstaltung in der Rechtsanwaltskammer, in der es auch um das Thema AGG ging. Konkret darum, ob man bei Bewerbern im Hinblick auf das Alter bestimmte Anforderungen stellen, also diskriminieren darf.

Einer der Teilnehmer, ein (älterer) Anwalt, sagte: Aber es ist doch ganz klar, dass ich für meine Kanzlei einen jungen Mitarbeiter suche und keinen 60-jährigen. Ich will dem jungen Mann Weisungen erteilen; sagen, wo es langgeht; vorschreiben, wie er die Dinge zu tun hat. Ich will, dass er mich als Chef respektiert. Das funktioniert doch nicht, wenn der Kollege älter ist als ich.

b) Aber ist das wirklich so? Haben Sie diesen Film mit Robert De Niro gesehen, wie hieß er noch gleich, Der Praktikant oder so? – The Intern bzw. Man lernt nie aus -Dort bewirbt sich ein älterer Ex-Manager in einem jungen Mode Start-Up Unternehmen, welches von einer jungen Frau (Anne Hathaway) geführt wird, als Praktikant. Anfangs sehen das alle Beteiligten mit einer gehörigen Portion Skepsis. Aber dann zeigt sich, dass der ältere Praktikant seine Aufgabe ganz hervorragend erledigt und eine echte Bereicherung für das Unternehmen darstellt. Warum? Weil er bereit ist, die Rolle des Praktikanten anzunehmen. Er tritt also nicht auf mit dem Anspruch, älter und daher besser zu sein, mehr zu sagen zu haben, mehr Geld zu verdienen und so weiter, sondern er hört zu, schau zu, ist bereit zu lernen. Und am Schluss profitieren, zumindest im Film, alle davon.

c) Ist so etwas realistisch? Ich denke ja. Ich denke, wir müssen hier wirklich umdenken. Und das ist es ja gerade, was das AGG will. Man soll hinterfragen, ob es wirklich gerechtfertigt ist, Menschen (allein) aufgrund ihres Alters, Geschlechts und so weiter abzulehnen. Dabei wird man nämlich meines Erachtens mehr als einmal feststellen: Ja, die junge Frau kann auch auf dem Bau arbeiten. Und ja, der ältere Ex-Manager eignet sich auch als Praktikant in einem Mode Start-up. Voraussetzung ist natürlich immer, dass sich die jeweilige Person für die individuellen Anforderungen des Jobs eignet und auch bereit ist, sich darauf einzulassen.

3. Und wie ist das nun mit unserem Clubgänger? 

Ich halte eine Altersdiskriminierung hier für unzulässig. Allein wegen seines Alters steht der Mann einer gelungenen Veranstaltung im Wege? Come on….

a) Mit derselben Logik könnte der Veranstalter dann auch sagen: Unsere Gäste fühlen sich dann am wohlsten, wenn keine Schwulen oder Schwarzen mit im Raum sind. Und keine Behinderten; denn die versauen unseren jungen, coolen Stammgästen die Partylaune. …

Meines Erachtens geht so etwas gar nicht. Wenn eine Veranstaltung sich auch an die Öffentlichkeit richtet, dann muss der Veranstalter die Vorgaben des AGG beachten.

b) Etwas anderes gilt natürlich bei einer privaten Geburtstagsfeier. Da kann der Gastgeber auf die Gästeliste schreiben, wen er will, und muss seine Auswahl nicht weiter rechtfertigen.

Clubs, Konzerte oder vergleichbare Veranstaltung dagegen richten sich grundsätzlich an die Allgemeinheit. Und da erscheint mir eine Diskriminierung oder willkürliche „Gesichtskontrolle“ durch den Türsteher nicht akzeptabel.

c) "Eine Unterscheidung beim Einlass nach dem optischen Alter hält auch einer vernünftigen Betrachtungsweise stand", so das Gericht.

Tatsächlich? Wo ist denn da die Grenze?

Darf der Veranstalter einer Lesung sagen: Keine Männer mit Tattoos, die aussehen, als würden sie jeden Tag ins Fitnessstudio gehen, denn die stören unser intellektuelles Ambiente? …

Man stelle sich einmal vor, dass einer dieser „Türstehertypen“ mit seiner Freundin ins Theater gehen möchte, und dort weist man ihn dann am Eingang ab mit der Begründung: Dein Gesicht gefällt uns nicht, du passt hier nicht rein. … 

Nein, so etwas geht natürlich nicht, und ein seriöser Veranstalter macht so etwas natürlich auch nicht.

Was man in dem einen Fall (Disco-Club), früher zumindest, schon fast als normal oder „typisch“ empfunden hat, wäre in dem anderen Fall (Theater) völlig undenkbar. Ich denke, es wird Zeit, dass man hier einmal die gleichen Maßstäbe anlegt.

d) Fazit: 2:1 gegen die Altersdiskriminierung! – Auch wenn das anscheinend noch nicht jedes Gericht kapiert hat.

4. Soweit ich es dem Zeitungsartikel entnehmen kann, hat das Gericht aber zumindest die Revision zum Bundesgerichtshof zugelassen. 

Bleibt also zu hoffen, dass der für das AGG dort zuständige Senat dem betreffenden Veranstalter (oder eben Veranstaltern allgemein) deutlich vor Augen führt, dass das AGG auch für sie gilt. Wer sich wiederholt nicht an die Regeln des AGG hält, sollte zu einer „Nachschulung“. Kapiert er es dann immer noch nicht, dann ist die Lizenz eben weg. Nur so kann man dem AGG Geltung verschaffen und willkürliche Diskriminierungen abschaffen oder zumindest reduzieren.

Dr. Wolfgang Gottwald

Rechtsanwalt

Foto(s): wolfgang gottwald


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