Prüfungsrecht: Rücktritt von einer Prüfung bei Dauererkrankungen

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Der Sachverhalt:

Der Kläger wendete sich gegen das Nichtbestehen seiner Bachelorprüfung. Er studierte Mittelstandsmanagement und litt seit 2014 unter schweren Depressionen, aufgrund derer es in den Jahren 2015, 2016, 2017 zu zahlreichen Prüfungsrücktritten kam. Der Kläger wollte im November 2018 seine zweite – und damit letzte – Wiederholungsprüfung im Modul „Management“ antreten. Der Amtsarzt, von dem er sich am Tag der Prüfung untersuchen ließ, stellte eine vorübergehende Prüfungsunfähigkeit fest. Die Krankmeldung reichte der Kläger allerdings erst eine Woche später beim zuständigen Prüfungsamt der beklagten Hochschule ein. Daraufhin lehnte die Beklagte die Feststellung der Prüfungsunfähigkeit für die Klausur ab, da die Krankmeldung verspätet bei ihr eingegangen sei. Die Krankmeldung sei laut Prüfungsordnung innerhalb von 3 Tagen beim Prüfungsamt einzureichen. Der Widerspruch des Klägers hiergegen blieb erfolglos. Gegen den Widerspruchsbescheid erhob der Kläger Klage vor dem Verwaltungsgericht Koblenz und trug vor, er sei davon ausgegangen, dass der Amtsarzt das Gutachten unmittelbar an die Beklagte übermittle. Aufgrund seiner Erkrankung sei er nicht in der Lage gewesen, die Konsequenzen seiner Handlung zu erkennen und bei der Beklagten einzureichen. Ein aktueller ärztlicher Befund seiner Therapeutin belege ein krankheitsbedingt fehlendes Verschulden bei der Versäumung von Prüfungsleistungen oder Verpflichtungen aus der Hochschulordnung. Die Beklagte trägt vor, der Kläger habe weder triftige Gründe für das Versäumen der Prüfung unverzüglich angezeigt und glaubhaft gemacht, noch lägen solche Gründe vor. 

Die Entscheidung:

Das Verwaltungsgericht Koblenz teilte die Auffassung der Beklagten und wies die Klage mit Urteil vom 13.06.2019 (Aktenzeichen: 4 K 84/19.KO) ab. Der Kläger sei dem Termin zur zweiten Wiederholungsprüfung ohne triftigen Grund ferngeblieben. Die Krankheit des Klägers ist aus Sicht der Kammer kein ausreichender Grund für ein Fernbleiben. Unabhängig von der Frage, ob der Kläger das ihm ausgestellte Attest rechtzeitig im Sinne der Vorschrift vorgelegt hat, konnte der Prüfungsausschuss eine Prüfungsunfähigkeit und damit einen triftigen Grund für das Versäumen des Prüfungstermins zu Recht ablehnen.

Ein triftiger Grund für den Rücktritt von einer Prüfung liege dann vor, wenn durch die Krankheit die Leistungsfähigkeit des Prüflings vermindert und er deshalb nicht in der Lage sei, seine üblichen Befähigungen in der Prüfung unter Beweis zu stellen. Dieses Ergebnis müsse von den Fällen unterschieden werden, in denen ein Prüfling durch eine sog. Dauererkrankung generell in seiner Leistungsfähigkeit eingeschränkt ist. Bei Dauererkrankungen prägen diese das normale Leistungsbild des Betroffenen, sodass aus dem Grundsatz der Chancengleichheit ein Rücktrittsgrund abzulehnen ist.

Eine Dauererkrankung liege vor, wenn die Prüfungs- und Leistungsfähigkeit eines Prüflings nicht nur vorübergehend, sondern auf unbestimmte Zeit eingeschränkt und eine Heilung des Leidens nicht absehbar sei. Eine solche Dauererkrankung lag beim Kläger im maßgeblichen Prüfungszeitraum vor. Eine Heilung der Erkrankung war im Zeitpunkt der Prüfung nicht absehbar. Vielmehr hat sich die Krankheit des Klägers im Laufe der Jahre noch verschlimmert. 

Eine vom Kläger gewünschte Gnadenentscheidung sei weder in der Prüfungsordnung vorgesehen, noch wäre eine solche mit dem Grundsatz der Chancengleichheit der übrigen Studierenden vereinbar. 

Fazit: 

Eine Dauererkrankung stellt nach dieser Entscheidung keinen triftigen Grund dar, der zum Rücktritt von einer Prüfung berechtigt. Im Falle einer Dauererkrankung ist die Leistungsfähigkeit des Prüflings nicht nur vorübergehend vermindert. Vielmehr prägt die Erkrankung dessen normales Leistungsbild.

Tipp:

Um auf der sicheren Seite zu sein und Fristen nicht zu versäumen, müssen die einzuhaltenden Fristen für den Rücktritt bzw. den Nachweis des wichtigen Grundes nach der maßgeblichen Prüfungsordnung beachtet werden.

Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag – für den wir keine Haftung übernehmen – eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann.

Alexander Seltmann

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte Partnerschaft mbB


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