Reichweite einer Unterlassungserklärung oder eines Urteils ist häufig weiter als gedacht: Die Kerntheorie

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Die Reichweite einer Unterlassungserklärung nach einer Abmahnung, sei es im Wettbewerbsrecht, im Markenrecht oder bei anderen eingetragenen Schutzrechten ist häufig sehr viel weitergehender, als dies auf dem ersten Blick den Anschein hat. Ein Aspekt ist, dass es in einer Unterlassungserklärung oder in einem Urteil oder einer einstweiligen Verfügung auf Unterlassung ganz konkret darum geht, etwas zu unterlassen. Dies bedeutet, zukünftig etwas nicht mehr zu tun. Unterlassung kann jedoch auch Beseitigung bedeuten. Dies spielt insbesondere eine Rolle bei Unterlassungserklärungen, die sich z.B. auf die Gestaltung von Produkten bezieht. Im Rahmen eines Beseitigungsanspruches, der Bestandteil der Unterlassungsverpflichtung ist, ohne dass dies noch einmal gesondert thematisiert wird, kann es die Verpflichtung geben, Produkte von gewerblichen Abnehmern zurückzurufen.


Weitere Informationen zum Thema, dass eine Unterlassung auch Rückruf bedeuten kann, habe ich hier und hier zusammengestellt.


Ein anderer Aspekt einer Unterlassung betrifft die Reichweite der Unterlassung. Eine Unterlassungserklärung kann entweder sehr konkret gefasst sein und sich z.B. auf ein bestimmtes Produkt oder eine bestimmte Plattform beziehen. Häufig ist es so, dass die Unterlassungsverpflichtung allgemein-formuliert ist und zur Verdeutlichung des sogenannten Verletzungsmusters auf die ganz konkrete Rechtsverletzung hingewiesen wird. Dies erfolgt häufig so, indem nach der Unterlassung ein Beispiel genannt wird, eingeleitet mit der Formulierung „wenn dies geschieht, wie…“.


Es folgt dann z.B. eine konkrete Darstellung des Verstoßes.


Grundsätzlich ist es so, dass die Wiederholungsgefahr bei einer Unterlassungserklärung nicht dadurch ausgeschlossen wird, indem z.B. eine Unterlassungserklärung bezogen auf eine bestimmte Verkaufsplattform abgegeben wird. Wenn z.B. bei eBay ein Fehler gemacht wird, der abgemahnt wird, der Verkäufer jedoch gleichzeitig noch z.B. bei Amazon verkauft, würde es die sogenannte Wiederholungsgefahr nicht ausschließen, wenn die Unterlassungserklärung nur bezogen auf eBay abgegeben wird.


Was ist der Kern des Ganzen?


Da eine Unterlassungsverpflichtung, sei es im Rahmen einer Unterlassungserklärung oder im Rahmen eines gerichtlichen Titels sich in der Regel immer auf einen konkreten Sachverhalt bezieht, könnte man annehmen, dass auch nur diese identischen Handlungen von der Unterlassungsverpflichtung umfasst sind. Dem ist jedoch nicht so. Die Rechtsprechung hat die sogenannte Kerntheorie entwickelt. Es geht bei der Kerntheorie darum, dass es nicht nur um die Unterlassung identischer Handlungen geht, sondern auch um Handlungen, die mit der verbotenen Handlung „im Kern“ gleich sind.


In der Praxis nicht ganz einfach zu beantworten ist die Frage, was denn eigentlich nun kerngleiche Handlungen sind. Wie im deutschen Recht üblich, gibt es hierzu abstrakte Definitionen:


Das in dem Unterlassungstitel (dies gilt auch für eine Unterlassungserklärung) ausgesprochene Verbot erfasst über die mit der verbotenen Form identischen Handlung hinaus auch im Kern gleichartige Abwandlungen, in denen das charakteristische der konkreten Verletzungsform zum Ausdruck kommt (so der BGH „Reichweite des Unterlassungsgebotes“).


Ggf. kann es notwendig sein, die Urteilsformel in einer einstweiligen Verfügung oder in einem Urteil oder in einer Unterlassungserklärung auszulegen. Für die Auslegung kann die Abmahnung oder die Klage oder der Antrag auf einstweilige Verfügung herangezogen werden. Etwas anderes kann ggf. gelten, wenn eine akzeptierte Unterlassungserklärung oder ein Unterlassungstitel bewusst sehr eng gefasst ist.


Eine Rolle kann ebenfalls spielen, ob eine einstweilige Verfügung z.B. begründet wurde.


Beispiel: Eine falsche Information ist das gleiche, wie eine fehlende Information


In der Rechtsprechung wird angenommen, dass eine falsche Information einer fehlenden Information gleichzusetzen ist.


Hierzu zwei Beispiele:


In der BGH-Entscheidung „unrichtige Aufsichtsbehörde“ ging es um eine Unterlassungserklärung mit dem Inhalt, dass der Unterlassungsschuldner es zu unterlassen hatte, auf seiner Internetseite nicht über die zuständige Aufsichtsbehörde für Makler gemäß § 34 c Gewerbeordnung zu informieren.


Der Abgemahnte hatte daraufhin die Aufsichtsbehörde im Impressum ergänzt. Es war jedoch die falsche Aufsichtsbehörde. Eine falsche Information war im Rahmen der Kerntheorie für den BGH das gleiche, wie eine fehlende Information mit der Folge, dass eine Vertragsstrafe als verwirkt angesehen wurde.


In einem anderen Fall, den das OLG Hamm (OLG Hamm, Az.: I – 4 W 50/22) entschieden hatte, ging es um eine gerichtlich titulierte Unterlassung, Haushaltsgeräte nicht ohne Angabe der Energieeffizienzklasse zu bewerben. Der Unterlassungsschuldner hatte darauf hin Haushaltsgeräte mit der falschen Energieeffizienzklasse beworben. Auch darin sah das OLG Hamm einen sogenannten kerngleichen Verstoß:


„Die unzutreffende Angabe des Spektrums der auf dem Etikett verfügbaren Energieeffizienzklassen steht im Kern einer gänzlich fehlenden Angabe gleich.“


Praktische Folgen der Kerntheorie


Diese Ausführungen zu sogenannten kerngleichen Verstößen zeigen, wie weitreichend Unterlassungsverpflichtungen sein können. Sowohl so ähnliche Verstöße wie aber auch der Klassiker „falsche Information“ können zu einer Vertragsstrafe oder zu einem Ordnungsgeld führen.


Vor diesem Hintergrund sollte niemals leichtfertig eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben werden.


Bei gerichtlichen Titeln sei es ein Unterlassungsurteil oder einer einstweiligen Verfügung (den Beschluss eines Landgerichtes auf Unterlassung) sollte zudem immer genau geklärt werden, was gewährleistet sein muss, damit es nicht zu einem Verstoß und einem Ordnungsgeld kommt.


Ich berate Sie bei einer Abmahnung, einstweiligen Verfügung, Vertragsstrafe oder einem Ordnungsgeldantrag.


Zu mir und meiner Tätigkeit:


Ich berate als Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz in meiner Kanzlei Internetrecht-Rostock.de tagtäglich Abgemahnte wie Sie und verfüge daher über Erfahrung aus einer Vielzahl von Abmahnverfahren.

Die Kanzlei Internetrecht-Rostock.de informiert auf ihrer gleichnamigen Internetseite seit mehr als 20 Jahren mit inzwischen über 3.000 Beiträgen über Themen für Online-Händler und berät eine Vielzahl von Online-Händlern bei der Absicherung ihrer Auftritte.


Ich berate Sie bundesweit auch kurzfristig telefonisch. Im Rahmen meiner Beratung erörtere ich mit Ihnen die Rechtslage und die verschiedenen Handlungsalternativen mit den jeweiligen Vor- und Nachteilen. Selbstverständlich erhalten Sie von mir auch konkrete Empfehlungen für das weitere Vorgehen.  


Sie haben auch eine Abmahnung, einstweilige Verfügung, Aufforderung zur Zahlung einer Vertragsstrafe oder einen Ordnungsgeldantrag erhalten?


Wenn auch Sie eine Abmahnung, eine einstweilige Verfügung unter die Aufforderung zur Zahlung einer Vertragsstrafe oder einen Ordnungsgeldantrag erhalten haben, können Sie sich über die angegebenen Kontaktdaten unkompliziert mit mir in Verbindung setzen:


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Johannes Richard
 Rechtsanwalt
 Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz



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