Soll-Angaben bei Massenentlassungsanzeige bleiben freiwillig

  • 2 Minuten Lesezeit

Urteil des Bundesarbeitsgerichts vom 19.05.2022 (Az. 2 AZR 467/21)


Entlässt ein Arbeitgeber binnen 30 Tagen mindestens eine bestimmte Anzahl an Arbeitnehmern, handelt es sich um eine Massenentlassung. Den jeweiligen Schwellenwert, der sich nach der Unternehmensgröße bestimmt, können Sie § 17 Abs. 1 Kündigungsschutzgesetz entnehmen. Eine Massenentlassung ist für den Arbeitgeber deshalb heikel, weil er neben den regulären Voraussetzungen für die einzelne Kündigung noch weiteren Pflichten unterliegt. Werden diese unterlassen oder hierbei schwerwiegende Fehler gemacht, sind sämtliche ausgesprochenen Kündigungen angreifbar.


So muss der Arbeitgeber sich vor Durchführung der Maßnahme mit dem Betriebsrat rechtzeitig beraten und ihn beteiligenanstatt diesen „nur“ anzuhören (§ 17 KschG, § 111 BertrVG). Hierneben muss der Arbeitgeber, ebenfalls vor Durchführung der Maßnahme, die Massenentlassungsanzeige bei der Agentur für Arbeit vorlegen.


Beide Regelungen dienen arbeitsmarktpolitischen Zielen; die verstärkte Einbindung des Betriebsrats soll dazu dienen, Kündigungen entweder zu vermeiden oder die Folgen abzumildern, die Massenentlassungsanzeige soll die Agentur für Arbeit in die Lage versetzen, bereits Maßnahmen im Sinne der zu Entlassenen Arbeitnehmer zu treffen.


Welche Angaben enthält die Massenentlassungsanzeige?


§ 17 Abs. 3 S. 4, 5 KSchG gibt vor, dass die Anzeige folgende Angaben enthalten muss:


  • Namen des Arbeitgebers,
  • Sitz und Art des Betriebes
  • Gründe für die geplanten Entlassungen
  • Zahl und Berufsgruppen der zu Entlassenden
  • Zeitraum, in dem die Entlassungen vorgenommen werden sollen und
  • vorgesehene Kriterien für die Auswahl der zu entlassenden Arbeitnehmer.


Die Anzeige soll ferner folgende Angaben enthalten:


  • Geschlecht,
  • Alter,
  • Beruf und
  • Staatsangehörigkeit der zu entlassenden Arbeitnehmer.


Diese Unterscheidung zwischen „Muss-Angaben“ und „Soll-Angaben“ findet sich auch in dem offiziellen Vordruck der Agentur für Arbeit wieder. Hier wird dem Arbeitgeber die Möglichkeit eingeräumt, in dem Bereich der „Soll-Angaben“ Angaben zu unterlassen.


Gleichwohl hatte im Jahr 2021 das Landesarbeitsgericht Hessen eine Kündigung aufgrund fehlender Soll Angaben in der Massenentlassungsanzeige für unwirksam erklärt (Urteil vom 18.06.2021, Az. 14 Sa 1228/20).


Das Bundesarbeitsgericht hat dieses Urteil aktuell korrigiert (BAG, Urteil vom 19.05.2022, Az. 2 AZR 467/21). Das Bundesarbeitsgericht hat klargestellt, dass der Gesetzgeber die Muss Angaben für zwingend hält, die Soll-Angaben hingegen explizit nicht. Auch eine richtlinienkonforme Auslegung, wie das Landesarbeitsgericht angenommen hatte, sei nicht erforderlich. Vielmehr habe der europäische Gerichtshof selbst bereits deutlich gemacht, dass es sich bei den Soll-Angaben um freiwillige Angaben handele.


Fazit


Das Fehlen der sogenannten Soll Angaben in der Massenentlassungsanzeige führt also (nach wie vor) für sich genommen nicht zur Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigungen. Arbeitgeber werden diese Klarstellung der Rechtslage begrüßen, was allerdings nichts daran ändert, dass der Vorgang einer Massenentlassung ein auch in rechtlicher Hinsicht herausfordernde Unterfangen bleibt.



Weitere Hinweise zum Thema können Sie in der Langversion unseres Blogbeitrags unter https://kanzlei-kerner.de/blog/massenentlassungsanzeige-muss-angaben-muessen-soll-angaben-sollen/ nachlesen.


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwalt Ulrich Kerner

Beiträge zum Thema