Überblick zum neuen Lieferketten- bzw. Sorgfaltspflichtengesetz

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Bas Bundeskabinett hat am 03.03.2021 den Entwurf eines „Gesetzes über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten zur Vermeidung von Menschenrechtsverletzungen in Lieferketten“ - auch Lieferkettengesetz oder kurz „Sorgfaltspflichtengesetz“ (nachfolgend: „SpfG“) genannt - beschlossen.

Hintergrund der Normeinführung:

Mit dem SpfG will die Bundesregierung ihrer Verantwortung zum Schutz der Menschenrechte besser gerecht werden. Deswegen sollen mit dem SpfG die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen aufgrund des Nationalen Aktionsplans für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016 umgesetzt werden.

Zweck des Gesetzes:

Die Pflicht, die Menschenrechte des Einzelnen zu achten, zu schützen und einzuhalten, liegt grundsätzlich bei den Staaten. Die Verantwortung von Unternehmen für die Achtung der Menschenrechte besteht unabhängig von der Fähigkeit oder Bereitschaft der Staaten, ihrer Pflicht zum Schutz der Menschenrechte nachzukommen. Fehlt es demnach an der Fähigkeit oder Bereitschaft der Staaten, dieser Verantwortung uneingeschränkt nachzukommen, ist von Unternehmen zu erwarten, dass sie die Grundsätze der international anerkannten Menschenrechte achten, soweit es in Anbetracht der Umstände möglich ist.

Durch das Gesetz werden in Deutschland ansässige Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtet, ihrer Verantwortung in der Lieferkette in Bezug auf die Achtung international anerkannter Menschenrechte durch die Umsetzung der menschenrechtlichen Sorgfaltspflicht besser nachzukommen.

Aufbau:

Das SpfG ist in sechs Abschnitte unterteilt und hat insgesamt 24 Paragraphen.

Abschnitt 1: Allgemeine Bestimmungen, §§ 1 f. SpfG

§ 1 – Anwendungsbereich

Die nachfolgenden Pflichten gelten nur für Unternehmen mit Sitz in Deutschland  und mind. 3.000 Arbeitnehmern. Ab dem 01.01.2024 reduziert sich die Anzahl der Arbeitnehmer auf 1.000.

Für Konzerne gilt, dass die Arbeitnehmer aller verbundenen Unternehmen der Konzernmutter zugerechnet werden.

§ 2 – Begriffsbestimmungen

Für den Begriff der Menschenrechte verweist das SpfG auf die Rechte, die sich aus den in der Anlage zum SpfG aufgelisteten 12 Übereinkommen ergeben.

In § 2 Abs. 2 SpfG werden die Verbote der 10 Übereinkommen aufgelistet, welche vor Menschenrechtsverletzungen schützen sollen. Dabei handelt es sich um:

  • das Verbot von Kinderarbeit (Nr. 1, 2);
  • das Verbot der Zwangsarbeit und Sklaverei (Nr. 3, 4);
  • das Gebot zum Einhalten von nationalen Arbeitsschutzvorschriften (Nr. 5);
  • das Gebot zur Gewährung der Koalitionsfreiheit (Mr. 6);
  • das Verbot der Ungleichbehandlung (Nr. 7);
  • das Gebot zur Einhaltung von nationalen Mindestlohnvorschriften (Nr. 8)
  • die Wahrung des Immissionsschutzrechtes (Nr. 9);
  • das Verbot der Zwangsenteignung (Nr. 10);
  • das Verbot zum Einsatz von Sicherheitskräften, wenn dadurch die Gefahr für Folter, Gesundheitsschäden und Verstöße gegen die Koalitionsfreiheit der Arbeitnehmer drohen (Nr. 11) und
  • das Verbot sonstiger offensichtlich rechtswidriger Handlungen gegen Menschenrechte aus den 12 Übereinkommen der Anlage (Nr. 12).

§ 2 Abs. 3 und 4 SpfG enthält Verbote gegen Umweltschutzpflichten nach den Abkommen Nr. 12 und 13 der Anlage zum SpfG.

§ 2 Abs. 5 SpfG definiert die Lieferkette dahingehend, dass alle beteiligten Unternehmen von der Rohstoffgewinnung bis zur Lieferung an den Endkunden erfasst werden.

Abschnitt 2: Sorgfaltspflichten, §§ 3-10 SpfG

§ 3 SpfG listet die Sorgfaltspflichten der Unternehmen auf. Dabei handelt es sich um einen Katalog von Compliance-Maßnahmen.

Die §§ 4-10 SpfG enthalten die konkreten Compliance-Maßnahmen.

§ 4 – Risikomanagement

§ 4 Abs. 1 SpfG legt dem Unternehmen die Pflicht auf ein Risikomanagement einzurichten. Dieses soll nach § 4 Abs. 2 SpfG dazu dienen, menschenrechtliche und umweltbezogene Risiken rechtzeitig zu erkennen. Nach § 4 Abs. 3 SpfG ist zudem eine Person für die Überwachung des Risikomanagements zu benennen (sog. Menschenrechtsbeauftragter).

§ 5 – Risikoanalyse

Im Rahmen des Risikomanagements soll eine – zumindest jährliche – Risikoanalyse durchgeführt werden. Damit soll ermittelt werden, ob menschenrechtliche oder umweltbezogene Risiken im eigenen Geschäftsbereich oder beim unmittelbaren Zulieferer vorhanden sind.

Der eigene Geschäftsbereich ist nach § 2 Abs. 6 SpfG jede unmittelbar kontrollierbare Tätigkeit des Unternehmensträgers zur Verwirklichung des Unternehmenszwecks. Unmittelbarer Zulieferer ist nach § 2 Abs. 7 SpfG der direkte Vertragspartner in der Lieferbeziehung.

§ 5 Abs. 3 SpfG greift die Organisations- und Informationsbeschaffungspflicht im Unternehmen auf. Es wird eine Organisationspflicht dahingehend vorgeschrieben, dass dafür Sorge getragen werden muss, dass der zuständige Entscheidungsträger des Unternehmens die Ergebnisse der Risikoanalyse erhält.

Die Pflicht zur Durchführung einer Risikoanalyse wird auf mittelbare Zulieferer nach § 9 Abs. 3 Nr. 1 SpfG erweitert. Dies setzt voraus, dass das Unternehmen positive Kenntnis von einer möglichen Menschenrechtsverletzung oder eines möglichen Verstoßes gegen Umweltschutzpflichten hat.

§ 6 – Grundsatzerklärung und Präventionsmaßnahmen

Nach § 6 Abs. 1 SpfG wird das Unternehmen zum Ergreifen von Präventionsmaßnahmen verpflichtet. Dadurch soll der Eintritt einer Menschenrechtsverletzung oder ein Verstoß gegen Umweltschutzpflichten verhindert werden. Präventionsmaßnahmen sind zu ergreifen, wenn aufgrund der Risikoanalyse ein Risiko im eigenen Geschäftsbereich oder beim unmittelbaren Zulieferer festgestellt wurde.

Nach § 6 Abs. 5 SpfG sind ergriffene Präventionsmaßnahmen zumindest jährlich auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.

§ 7 – Abhilfemaßnahmen

Nach § 7 Abs. 1 SpfG sind Abhilfemaßnahmen zu ergreifen, wenn eine Menschenrechtsverletzung oder ein Verstoß gegen die Umweltschutzpflichten eingetreten ist oder unmittelbar bevorsteht. Im Gegensatz zu Präventionsmaßnahmen handelt es sich hier als um repressive Maßnahmen.

Es sind Maßnahmen zu ergreifen, die den Schadenseintritt entweder verhindern oder beenden.

Nach § 7 Abs. 2 SpfG sind zumindest Maßnahmen zur Schadensminimierung zu ergreifen, wenn eine Beseitigung oder Verhinderung nicht möglich ist. Dafür ist es erforderlich, dass zunächst ein Konzept zur Schadensminimierung erstellt und dieses sodann auch umgesetzt wird.

Nach § 7 Abs. 4 SpfG sind die ergriffenen Abhilfemaßnahmen zumindest jährlich auf ihre Wirksamkeit zu überprüfen.

§ 9 Abs. 3 Nr. 3 SpfG legt fest, dass ein Konzept zur Schadensminimierung und auch eins zur Schadensvermeidung in Bezug auf den mittelbaren Zulieferer aufzustellen und umzusetzen ist, wenn das Unternehmen positive Kenntnis von einer möglichen Menschenrechtsverletzung oder eines möglichen Verstoßes gegen Umweltschutzpflichten hat.

§ 8 – Beschwerdeverfahren

Nach § 8 Abs. 1 SpfG i.V.m. § 9 Abs. 1 SpfG wird das Unternehmen verpflichtet, ein internes Beschwerdeverfahren einzurichten. Dieses soll es jeder Person in der gesamten Lieferkette ermöglichen, das pflichtige Unternehmen auf mögliche Menschenrechtsverletzung und Verstöße gegen Umweltschutzpflichten hinzuweisen.

§ 8 Abs. 1 S. 4 SpfG sieht zudem die Möglichkeit vor, auch an einem externen Beschwerdeverfahren teilzunehmen.

Nach § 8 Abs. 5 SpfG ist das eingerichtet Beschwerdeverfahren zumindest jährlich auf seine Wirksamkeit zu überprüfen.

§ 9 – Compliance gegenüber mittelbaren Zulieferern

§ 9 SpfG sieht sonstige Compliance-Maßnahmen speziell in Bezug auf den mittelbaren Zulieferer vor. Solche Maßnahmen setzten immer eine „substantiierte“ Kenntnis voraus. Es ist somit eine positive Kenntnis über Umstände notwendig, die auf die Möglichkeit einer Rechtsverletzung hindeuten.

§ 10 – Dokumentation

§ 10 SpfG bestimmt die Dokumentationspflichten der vorangegangenen Compliance-Maßnahmen.

Nach § 10 Abs. 1 SpfG sind alle eingerichtete Compliance-Maßnahme zu dokumentieren und für 7 Jahre ab der Erstellung aufzubewahren („Compliance-Dokumentation“).

Gegenüber der Compliance-Dokumentation sieht § 10 Abs. 2 SpfG die Pflicht zur jährlichen Berichtserstellung über die tatsächlich ausgeführten Compliance-Maßnahmen des vorangegangenen Geschäftsjahres vor („Compliance-Bericht“).

Nach § 10 Abs. 4 SpfG ist der jährliche Compliance-Bericht auf der Website des Unternehmens für mind. 7 Jahre zu veröffentlichen.

Abschnitt 3: Zivilprozess, § 11 SpfG

§ 11 SpfG normiert eine besondere (gewillkürte) Prozessstandschaft. Der verletzte Arbeitnehmer kann eine Gewerkschaft oder Nichtregierungsorganisation mit der gerichtlichen Geltendmachung seiner Rechte beauftragen.

Abschnitt 4:Behördliche Kontrolle und Durchsetzung, §§ 12-21

Abschnitt 4 enthält 3 Unterabschnitte. Der Übersicht halber bietet es sich an, mit Unterabschnitt 3 zu beginnen.

Unterabschnitt 3: Zuständige Behörde, Handreichungen, Rechenschaftsbericht, §§ 19-21 SpfG

Nach § 19 SpfG ist für die Kontrolle der Einhaltung der Compliance-Maßnahmen das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle die zuständige Behörde.

Das Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle kann nach § 20 SpfG Leitlinien als Hilfestellung für die Erfüllung der Compliance-Maßnahmen erlassen.

            Unterabschnitt 1: Berichtsprüfung, §§ 12 f.

Nach § 12 SpfG besteht eine elektronische Übermittlungspflicht des jährlichen Compliance-Berichts an die zuständige Behörde. Das muss spätestens 4 Monate nach Abschluss des Geschäftsjahres geschehen.

Ist der Compliance-Bericht fehlerhaft wird das Unternehmen nach § 13 Abs. 2 SpfG zur Nachbesserung aufgefordert.

Unterabschnitt 2: Risikobasierte Kontrolle, §§ 14- 18

Die §§ 14-18 SpfG stellen die Ermächtigungsgrundlagen für das Tätigwerden der Behörde dar. Danach kann die Behörde nach pflichtgemäßen Ermessen jede verhältnismäßige Maßnahme treffen, um die Einhaltung der Compliance-Maßnahmen durch die Unternehmen sicherzustellen.

Abschnitt 5: Öffentliche Beschaffung, § 22 SpfG

§ 22 SpfG beinhaltet eine Nebenstrafe für das pflichtwidrige Unternehmen. Danach kann das Unternehmen für bis zu 3 Jahren von öffentlichen Vergabeverfahren ausgeschlossen werden, wenn gegen das Unternehmen eine Geldbuße nach § 24 Abs. 1 SpfG in Höhe von grundsätzlich 175.000 EUR verhängt wurde. Es handelt sich um eine Ermessensvorschrift („sollen… ausgeschlossen werden“).

Abschnitt 6: Zwangsgeld und Bußgeld, §§ 23 f. SpfG

§ 23 SpfG

§ 23 SpfG ermöglicht die Verhängung eines Zwangsgeldes von bis zu 50.000 EUR.

§ 24 – Ordnungswidrigkeiten

Kommen Unternehmen ihren gesetzlichen Pflichten nach dem SpfG nicht nach, drohen Bußgelder von bis zu 8 Millionen oder bis zu 2 % des Jahresumsatzes.

Nr. 1 – Verstoß gegen die Benennung eines Menschenrechtsbeauftragten zur Kontrolle des Risikomanagements

Nr. 2 – keine, unvollständige oder verspätete Durchführung der Risikoanalyse

Nr. 3 – kein oder verspätetes Ergreifen von Präventionsmaßnahmen

Nr. 4 – kein oder verspätetes Überprüfen der Wirksamkeit von Präventionsmaßnahmen, Abhilfemaßnahmen oder des Beschwerdeverfahrens

Nr. 5 – keine oder verspätete Aktualisierung unwirksamer Präventionsmaßnahmen, Abhilfemaßnahmen oder eines unwirksamen Beschwerdeverfahrens

Nr. 6 – kein oder verspätetes Ergreifen von Abhilfemaßnahmen

Nr. 7 – kein oder verspätetes Erstellen eines Schadensminimierungskonzepts oder keine bzw. verspätete Umsetzung des Schadensminimierungskonzepts

Nr. 8 – Nichterrichtung eines Beschwerdeverfahrens

Nr. 9 – Nichtaufbewahren der Compliance-Dokumentation für mind. 7 Jahre

Nr. 10 – keine ordnungsgemäße Erstellung des jährlichen Compliance-Berichts

Nr. 11 – keine oder verspätete Veröffentlichung des Compliance-Berichts auf der Website

Nr. 12 – kein oder verspätetes Einreichen des jährlichen Compliance-Berichts bei der Behörde

Nr. 13 – Nichtnachbesserung eines fehlerhaften Berichts oder Nichtvorlage eines Plans zur Behebung von nicht ordnungsgemäßen Compliance-Maßnahmen


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