Umgehung des Kündigungsschutzes durch Befristung von Arbeitsverträgen

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1.

Das „Grundrecht“ des Arbeitnehmers ist der im Kündigungsschutzgesetz verbriefte Schutz vor arbeitgeberseitigen Kündigungen.

Dieses Recht wurde in der Vergangenheit ausgehöhlt durch die Möglichkeit der Befristung von Arbeitsverhältnissen. So kann ein Arbeitsverhältnis bis zu zwei Jahren ohne Grund befristet werden und darüber hinaus mit einem sogenannten Sachgrund. Der gängigste Sachgrund ist der zur Vertretung eines anderen Arbeitnehmers im Falle der Krankheit, Elternzeit, Mutterschutz und umstrittener Weise auch für eine Urlaubsabwesenheit. Weiterer Sachgrund ist ein vorübergehender Bedarf, d. h. für ein konkretes Projekt und nicht zuletzt zur Erprobung des Arbeitnehmers.

Bei dem häufigsten Sachgrund der Vertretung muss klar sein, dass der Vertretungsbedarf durch Rückkehr des zu vertretenden Mitarbeiters entfallen wird.

Der Sachgrund der Vertretung setzt jedoch insbesondere einen Kausalzusammenhang zwischen dem zeitweilig ausfallenden Vertretenen und der Einstellung des Vertreters voraus. Hierbei muss der ausfallende Mitarbeiter nicht direkt durch den befristet eingestellten Mitarbeiter vertreten werden, sondern es kann auch ein indirekter Zusammenhang in dem Sinne bestehen, dass der ausfallende Mitarbeiter durch Herrn Lehmann vertreten wird und der befristet beschäftigte Arbeitnehmer wiederum vorübergehend auf dem Arbeitsplatz des Herrn Lehmann eingesetzt wird.

Jedenfalls muss sichergestellt werden, dass die Vertretungskraft gerade wegen des durch den zeitweiligen Ausfall des zu vertretenden Mitarbeiters entstandenen vorübergehenden Bedarfs eingestellt wird.

Kritisiert wird von mir die vom Bundesarbeitsgericht in mehreren Entscheidungen entwickelte „gedankliche Zuordnung“. Hierbei genügt es, dass der Arbeitgeber in der Lage wäre, dem vorübergehend abwesenden zu vertretenden Mitarbeiter im Falle seiner Anwesenheit die dem Vertreter zugewiesenen Arbeitsaufgaben zu übertragen.

Dies bedeutet, dass der befristet zur Vertretung eingestellte Mitarbeiter die Tätigkeiten des abwesenden Mitarbeiters nur abstrakt übernimmt, z. B. fehlt der Briefzusteller Krause in Kreuzberg krankheitsbedingt und wird, obwohl es keinerlei tatsächlichen Zusammenhang gibt, von einem Briefzusteller in Wilmersdorf vertreten.

Meine Kritik an dieser Rechtsprechung bezieht sich im Wesentlichen auf die Aushöhlung der Beweislastregeln zulasten des betroffenen Arbeitnehmers. Beispielsweise könnte der Arbeitgeber den zu vertretenden Arbeitnehmer Krause mehrfach als Vertretungsgrund angeben, ohne dass dies durch den befristet beschäftigten Arbeitnehmer überprüft werden kann.

2.

Eine Befristung des Arbeitsverhältnisses durch einen Sachgrund ist eigentlich unbegrenzt möglich. Unterstützt durch die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) setzt das Bundesarbeitsgericht (BAG) Grenzen bei der Anzahl der Befristungen bei sogenanntem „institutionellen Rechtsmissbrauch“ (so EuGH-Urteil vom 26.01.2012 – RS C-586/10).

Die Grenzen sind jedoch nicht eindeutig definiert. Die Urteile unterscheiden sich erheblich nach Anzahl der Befristungen und der Dauer des bestehenden Arbeitsverhältnisses. Spätestens nach 10 Befristungsabreden über die Dauer von sechs Jahren haben Sie jedoch Grund, sich auf den „institutionellen Rechtsmissbrauch“ zu berufen.

3.

Nach der überwiegenden Rechtsprechung des Arbeitsgerichts Berlin stellt z. B. der oft herangezogene Sachgrund der Vertretung für urlaubsabwesende Mitarbeiter keinen Vertretungsgrund im Sinne des § 14 TzBfG dar. An einem vorübergehenden Vertretungsbedarf fehlt es, wenn der Arbeitgeber die befristete Einstellung mit dem gebündelten Vertretungsbedarf für die zeitlich aneinander gereihten Erholungsurlaubsansprüche seiner Mitarbeiter die Vertretung sachlich rechtfertigen will. Der Arbeitgeber hat Jahr für Jahr in gleicher Weise den von ihm beschäftigen Arbeitnehmern den ihnen zustehenden Erholungsurlaub zu gewähren, demzufolge liegt keine unvorhergesehene Vertretungssituation vor, sondern eine planbare. Es müssen demzufolge Mitarbeiter zur Vertretung dauerhaft beschäftigt werden.

4.

Nach denselben Grundsätzen zu beurteilen ist die Befristung von Arbeitsbedingungen. Beispielsweise ist auch eine befristete Erhöhung der Wochenarbeitszeit von 30 auf 40 Stunden im Sinne der Befristungsrechtsprechung überprüfbar. Auch hierfür muss es einen vertretbaren Sachgrund wie bei der Befristung des Arbeitsverhältnisses überhaupt geben.

Wie dargestellt, sind die Rechtsfragen komplex und ähnlich schwierig wie bei einer Kündigung des Arbeitsverhältnisses. Holen Sie sich unbedingt im Falle einer Befristung anwaltlichen Rat und vergessen Sie nicht, dass Sie spätestens binnen drei Wochen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses – wie bei einer Kündigung – die Entfristungsklage beim Arbeitsgericht erheben müssen.

Friedemann Koch  Rechtsanwalt 

Fachanwalt für Arbeitsrecht und Medizinrecht


Rechtstipp aus dem Rechtsgebiet

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