Unwirksamkeit von Rückzahlungsklauseln bzgl. Fortbildungskosten nach Kündigung - aktuelle Rechtsprechung

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Die Vereinbarung von Rückzahlungsklauseln für Fortbildungskosten bei vorzeitiger Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist weder ein Novum noch ungewöhnlich. Der Arbeitgeber finanziert die Schulung des Arbeitnehmers unter der Voraussetzung, dass das Arbeitsverhältnis nach Beendigung des Lehrgangs innerhalb eines bestimmten Zeitraums nicht beendet werden darf. Schließlich möchte der Arbeitgeber von der durch ihn bezahlten Wertsteigerung der Leistung des Arbeitnehmers ebenfalls profitieren. Derartige Regelungen verpflichten den Arbeitnehmer im schlechtesten Falle zur (anteiligen) Erstattung der vom Arbeitgeber aufgewandten Kosten. Doch muss der Arbeitnehmer in jedem Falle der vorzeitigen Kündigung, sei es durch ihn selbst oder durch den Arbeitgeber, die Fortbildungskosten zurückzahlen?


Die Rechtsprechung hat sich mit dieser Problematik in den letzten Monaten vermehrt auseinandersetzen müssen. Hierbei wurden einige neue Ansätze hinsichtlich der Unwirksamkeit derartiger Klauseln entwickelt. Ein kurzer Überblick:

Solche Rückzahlungsklauseln werden im Normalfall vom Arbeitgeber gestellt, sind vorformuliert und zumeist für die mehrfache Verwendung vorgesehen. Die Rechtsprechung behandelt sie also als allgemeine Geschäftsbedingungen. Auch das LAG Köln hat in seiner Entscheidung mit Urteil vom 28.05.2021 – 10 Sa 460/20) die streitgegenständliche Klausel als AGB ausgelegt und zur Beurteilung ihrer (Un-)Wirksamkeit die §§305 ff. BGB herangezogen. Hierbei hat es zwei Grundsätze besonders hervorgehoben, die für die Wirksamkeit derartiger Klauseln von Bedeutung sind:

1. Geldwerter Vorteil der Maßnahme für den Arbeitnehmer


Kann der Arbeitnehmer durch die aufgrund der Fortbildung erlangten Kenntnisse und Qualifikationen auf dem Arbeitsmarkt eine höhere Vergütung verlangen, besteht hierin ein geldwerter Vorteil. Dies ist sowohl dann gegeben, wenn bereits beim ursprünglichen Arbeitgeber die Voraussetzungen für eine höhere Vergütung vorliegen, als auch bei anderweitiger Einsatzmöglichkeit der neu erworbenen Kenntnisse.

2. Angemessenes Verhältnis zwischen erlangten Vorteilen und Bindungsdauer


Die Beurteilungsmaßstäbe sind hierbei die Fortbildungsdauer und die Qualität der erworbenen Qualifikationen. Grundsätzlich gilt allerdings, dass für einen Monat Fortbildungsdauer höchstens sechs Monate Bindungsdauer an den Betrieb/das Unternehmen etc. folgen dürfen (auf zwei Monate höchstens ein Jahr usw.). Von diesen engen zeitlichen Maßstäben darf bspw. bei enormer Investition in die Fortbildung durch den Arbeitgeber abgewichen werden, jedoch auch das nur in einem angemessenen Verhältnis.

Im Falle der Entscheidung des LAG Köln setzte die Klausel eine anschließende dreijährige Bindungsdauer auf drei Monate Fortbildungszeit fest und wurde vom Gericht für unangemessen lang und unzulässig erklärt.

Das LAG Nürnberg (Urteil v. 26.3.2021 – 8 Sa 412/20 hat in seiner Entscheidung noch das für AGB geltende Transparenzgebot hervorgehoben und Klauselverbote bei Rückzahlungsvereinbarungen benannt:

3. Verständlichkeit (Transparenz) der Klausel für den Verbraucher


Diese Vorrausetzung meint, dass für den Arbeitnehmer klar und verständlich nach dem Grund der Beendigung des Arbeitsverhältnisses differenziert werden muss. Eine pauschalierte Rückzahlungspflicht wegen jedwedes vorzeitigen Austrittes aus dem Arbeitsverhältnis sei nicht zulässig. Dem Arbeitnehmer muss es zudem möglich sein, die einzelnen Beendigungsgründe zu erkennen und zu verstehen.

4. Unwirksame Klauseln


  • Es sei ferner nicht zulässig die Rückzahlungspflicht uneingeschränkt an die Kündigung durch den Arbeitnehmer innerhalb der festgesetzten Frist zu knüpfen. Hierbei fehle es an der Unterscheidung zwischen den Gründen der Kündigung. Die Rechtsprechung erachtet eine derartige Klausel nur dann als „ausgewogen“, wenn es der Arbeitnehmer selbst in der Hand hat der Rückzahlungsfolge durch sein freiwilliges Bleiben (eigene Betriebstreue) zu entgehen.


  • Weiterhin widerspräche es der das Arbeitsrecht prägenden Risikoverteilung, wenn der Arbeitnehmer auch dann zurückzahlen müsste, wenn die Ursachen einer vorzeitigen Beendigung des Arbeitsvertrages allein auf den Arbeitgeber zurückzuführen seien. Eine derartige Klausel beachte nicht die wechselseitigen Interessen und stelle daher für den Arbeitnehmer eine unangemessene Benachteiligung gemäß §307 Abs.1 BGB dar.


  • Eine Klausel, die den Arbeitnehmer bei berechtigter personenbedingter Kündigung zur Rückzahlung verpflichtet, sei ebenfalls unwirksam, da auch sie nicht ausreichend nach dem Grund des Ausscheidens differenziere. Der Arbeitnehmer würde dadurch entgegen dem Gebot von Treu und Glauben (§242 BGB) unangemessen benachteiligt (LAG Hamm (1. Kammer), Urteil vom 29.01.2021 – 1 Sa 954/20).


  • Eine derartige Klausel ist auch dann unwirksam, wenn sie die grundrechtlich garantierte Berufswahlfreiheit des Arbeitnehmers (Art. 12 Abs.1 S.1 GG) einschränkt. Dies ist nur dann nicht der Fall, wenn der Arbeitgeber ein berechtigtes bzw. nachvollziehbares Interesse an der Rückzahlung und der Arbeitnehmer durch die Fortbildung einen angemessenen Ausgleich für die Zahlungsverpflichtung erhalten hat.


Fazit:

Eine Rückzahlungsklausel für Fortbildungskosten ist grundsätzlich zulässig. Sollte die Klausel jedoch missverständlich formuliert sein, den Arbeitnehmer unverhältnismäßig lang nach der Fortbildung binden oder ihm pauschal bei jeder Form der vorzeitigen Kündigung die Zahlungspflicht auferlegen, ist sie unwirksam.

Detailfragen in diesem Zusammenhang erläutert Ihnen Rechtsanwalt Stephan Kersten, Fachanwalt für Arbeitsrecht, gern.

Foto(s): LINDEMANN Rechtsanwälte

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