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Was ist ein qualifizierter Dienstunfall?

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Bei besonders schweren Dienstunfällen taucht häufig die Frage auf, ob der Unfall als qualifizierter Dienstunfall anzuerkennen ist bzw. ein Antrag auf Anerkennung Erfolg haben wird. 

Erhöhte Unfallversorgung

Der qualifizierte Dienstunfall kann, wenn der Beamte aufgrund des Unfalls wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt wurde, einen Anspruch auf ein erhöhtes Unfallruhegehalt und in Einzelfällen auch einen Anspruch auf eine einmalige Dienstunfallentschädigung auslösen.

Besondere Lebensgefahr

Der Begriff „Qualifizierter Dienstunfall“ taucht im Gesetz nicht auf. Er hat sich eingebürgert für Unfälle im Sinne von § 37 des Beamtenversorgungsgesetzes. Das sind Unfälle, die darauf beruhen, dass sich ein Beamter bei Ausübung einer Diensthandlung einer damit verbundenen besonderen Lebensgefahr aussetzt und gerade infolge dieser Gefährdung einen Dienstunfall erleidet.

Objektive und subjektive Komponente

Das Bundesverwaltungsgericht hat zu den Voraussetzungen des qualifizierten Dienstunfalls in einer grundlegenden Entscheidung vom 03.12.2012 die objektiven und subjektiven Kriterien herausgearbeitet, auf die es ankommt. In dem Fall ging es um einen Löscheinsatz der Berufsfeuerwehr. Nachdem ein Brand in einer mehrgeschossigen Lagerhalle zunächst gelöscht worden war, stellt man fest, dass im Dachgeschoss der Halle aus den Fugen der Bodendielen im Bereich unmittelbar über dem im Obergeschoss gelegenen Brandherd noch Rauchfahnen aufstiegen. Um ein erneutes Ausbrechen des Feuers zu verhindern, hatte der Einsatzleiter den betroffenen Kollegen beauftragt, die Decke mit einer Kettensäge zu öffnen. Beim Ansetzen des zweiten Schnitts brach die Decke ein, so dass der Beamte in das Obergeschoss stürzte. Dabei verletzte er sich so schwer, dass er anschließend wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt werden musste.

Dienstbehörde: Ablehnung des qualifizierten Dienstunfalls

Die Dienstbehörde lehnte die Anerkennung als qualifizierten Dienstunfall mit der Begründung ab, dass sich der Unfall während der Nachlöscharbeiten ereignet habe. In dieser Phase würden sich Feuerwehrleute grundsätzlich nicht in Lebensgefahr befinden.

Klage in drei Instanzen erfolgreich

Die dagegen erhobene Klage war in allen drei Instanzen erfolgreich. Das Bundesverwaltungsgericht widersprach insbesondere der abstrakten Bewertung der Dienstbehörde, dass Nachlöscharbeiten nicht lebensgefährlich seien und schon deshalb kein Anspruch begründet sei.

Objektiv: Lebensgefahr als Element der Diensthandlung

Die Bundesrichter stellten für die Rechtsanwendung zunächst klar, dass die Diensthandlung im Sinne von § 37 BeamtVG objektiv aufgrund einer konkreten Betrachtung für den Beamten typischerweise mit einer besonderen, über das übliche Maß der Lebens- oder nur Gesundheitsgefährdung hinausgehende Lebensgefahr verbunden sein müsse. D.h. die Dienstverrichtung muss bei typischem Verlauf das Risiko lebensgefährlicher Verletzungen bereits in sich tragen. In der Verletzung muss sich die gesteigerte Gefährdungslage als Unfallfolge realisieren. Sie darf nicht nur die Folge eines allgemeinen Berufsrisikos sein.

Umstände des Einzelfalls

Ob die Diensthandlung für das Leben des Beamten eine solche Gefahr begründet hat, ist durch eine wertende Betrachtung der Umstände des konkreten Einzelfalls zu ermitteln. Dafür ist die tatsächliche Lage zur Zeit des Unfallereignisses festzustellen. In dem vom Bundesverwaltungsgericht entschiedenen Fall war diese Voraussetzung erfüllt. Anders dürfte die Lage dagegen sein, wenn ein Feuerwehrbeamter z.B. bei einer Rückfahrt vom Einsatzort einen Unfall dadurch erleidet, dass ein anderer Verkehrsteilnehmer die Vorfahrt missachtet und das Einsatzfahrzeug rammt. Eine Fahrt im normalen Straßenverkehr kann zwar ebenfalls gefährlich sein, sie ist aber nicht per se objektiv lebensgefährlich.

Subjektiv: Bewusstsein der Lebensgefahr

Hinzukommen muss zusätzlich auch eine subjektive Komponente: Der Beamte muss sich außerdem der Gefährdung seines Lebens bewusst sein, d.h. er muss erkennen, dass seine Diensthandlung mit einer besonderen Lebensgefahr verbunden ist. Denn die erhöhten Unfallversorgungsansprüche sollen die Bereitschaft des Beamten fördern, gerade trotz des Bewusstseins der für ihn bestehenden Lebensgefahr seine Dienstpflichten zu erfüllen. Der erhöhte versorgungsrechtliche Schutz dient – so das BVerwG - dem öffentlichen Interesse an einer effektiven Verwaltungstätigkeit, weil der Beamte damit rechnen kann, die Folgen dienstlich bedingter Körperschäden in Fällen einer gesteigerten Gefährdung nicht allein tragen zu müssen. Der Beamte muss zwar nicht in dem Bewusstsein handeln, bei der Dienstverrichtung sein Leben einzusetzen. Er muss sich aber der Gefahr für sein Leben im Allgemeinen bewusst sein. Er muss diese Gefahr nicht in allen Einzelheiten erkannt und richtig bewertet haben. Das Bewusstsein, bei der Dienstverrichtung das eigene Leben zu gefährden, folgt in aller Regel bereits aus dem Wissen um die objektiven Umstände, die die Gefahr begründenden. Sind dem Beamten bei der Vornahme der Diensthandlung die Umstände bekannt, aus denen sich die konkrete Gefahr für sein Leben ergibt, so handelt er in dem für die Bewertung als qualifizierter Dienstunfall erforderlichen Bewusstsein der Gefährdung seines Lebens. Auch diese subjektive Komponente war in dem entschiedenen Fall erfüllt, sodass dem Feuerwehrbeamten die erhöhte Unfallentschädigung zugesprochen wurde.

BVerwG – Urteil vom 03.12.2012 - 2 C 51.11

Weitere Informationen zum Thema Dienstunfall finden Sie in dem Artikel: Beamtenrecht – Dienstunfall - Worauf ist zu achten?

Dieser Beitrag dient zur allgemeinen Information und entspricht dem Kenntnisstand zum Zeitpunkt der Veröffentlichung. Eine individuelle Beratung wird dadurch nicht ersetzt. Jeder einzelne Fall erfordert fachbezogenen Rat unter Berücksichtigung seiner konkreten Umstände. Ohne detaillierte Beratung kann keine Haftung für die Richtigkeit übernommen werden. Vervielfältigung und Verbreitung nur mit schriftlicher Genehmigung des Verfassers.


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