Wenn Nachbars Photovoltaikanlage blendet
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Blendende Aussichten: In Zusammenhang mit Photovoltaikanlagen sind sie nicht nur positiv zu sehen. So etwa, wenn Solarmodule das Sonnenlicht in Haus und Garten werfen. Nicht jeder Nachbar muss die erhöhte Sonneneinstrahlung hinnehmen. Entscheidend ist stets der Einzelfall, den Gerichte in der Regel anhand folgender Kriterien bewerten:
Dauer und Intensität der Lichteinstrahlung
Ob jemand die reflektierte Sonnenstrahlung dulden muss, hängt zum einen wesentlich davon ab, wie oft sie auftritt, und zum anderen, wie stark sie ist. Dass die Strahlung sich aufgrund des jahreszeitabhängigen Sonnenstands ändert und nicht immer gleich ist, ist klar. Da physikalisch der Einstrahlwinkel gleich dem Ausstrahlwinkel ist, ist es jedoch möglich, dass Markisen und ähnliche Sonnenschutzvorrichtungen versagen, da das Licht einfach daran vorbeistrahlt. Geht es nach dem Landgericht (LG) Heidelberg, müssen Betroffene hier keine eigenen Vorkehrungen treffen (LG Heidelberg, Urteil v. 15.05.2009, Az.: 3 S 21/08).
Demgegenüber hält es das Verwaltungsgericht (VG) Würzburg mit Verweis auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für zumutbar, Jalousien, Vorhänge oder Ähnliches anzubringen bzw. eine Hecke anzupflanzen. Schließlich sei die Förderung regenerativer Energien gesetzgeberisch gewollt und gehöre zwangsläufig zum Erscheinungsbild heutiger Bebauung. Entsprechend könne man sozial adäquate Anstrengungen zum eigenen Schutz verlangen (VG Würzburg, Urteil v. 31.01.2008, Az.: W 5 K 07.1055).
Geht man davon aus, dass derartige Selbsthilfe nicht zuzumuten bzw. unmöglich ist, können für eine Beeinträchtigung bereits 30 Minuten pro Tag über einen längeren Zeitraum ausreichen. Wie beim Schattenwurf von Windkraftanlagen geht der Arbeitskreises Lichtimmissionen der Bund/Länder-Arbeitsgemeinschaft Immissionsschutz dabei anhand der Licht-Richtlinie von einer erheblichen Beeinträchtigung bei mindestens 30 Stunden pro Jahr und 30 Minuten am Tag aus.
Hinsichtlich der Intensität stellen Gerichte auf einen Durchschnittsmenschen ab. Die persönliche Situation bleibt außen vor. Unterschieden wird hierbei zwischen psychologischer und physiologischer Beeinträchtigung. Während Erstere lediglich als störend im Sinne einer Ablenkung empfunden wird, beeinträchtigt Letztere erkennbar das Sehvermögen, so etwa durch Nachwirkungen auf der Netzhaut. Beides ist relevant. Allerdings liegen körperliche Beeinträchtigungen bei Störungen durch eine reflektierende Photovoltaikanlage näher. Psychische Auswirkungen spielen hingegen häufiger eine Rolle bei künstlichen Lichtquellen.
Von der Sonnenreflektion betroffener Bereich
Entscheidend ist auch, welcher Bereich des Hauses betroffen ist. Sind es nur kurzzeitig am Tag genutzte Räume wie Bad oder Schlafzimmer? Oder werden zum längeren Aufenthalt gedachte Bereiche wie etwa das Wohnzimmer oder eine Terrasse ausgeleuchtet? Bei Letzterer hält es das Oberlandesgericht (OLG) Stuttgart allerdings für zumutbar, dass Betroffene der Photovoltaikanlage solange den Rücken zuwenden (OLG Stuttgart, Urteil v. 30.04.2013, Az.: 3 U 46/13).
Das OLG Düsseldorf hatte es mit einem Fall zu tun, bei dem die Blendwirkung an mehr als 130 Tagen auftrat. Zum Teil war sie so stark, dass es zu den vom Blick in grelles Licht bekannten Nachbildern in den Augen kam. Die Blendung reichte dabei bis zu zwei Stunden pro Tag über die gesamte Grundstücksbreite. Anders als noch das Landgericht Duisburg in der Vorinstanz lehnte das OLG Düsseldorf eine Duldungspflicht ab, weil der Gesetzgeber die regenerative Energien gezielt fördere. Denn für das OLG Düsseldorf überschritt eine derart erhebliche Blendung das, was von einer blendenden Photovoltaikanlage betroffene Personen hinnehmen müssen. Eine grenzenlose Duldung verneint es somit ebenso wie eine Duldung aufgrund der Ortsüblichkeit von Photovoltaikanlagen. Das OLG Düsseldorf verpflichtete daher den Nachbarn, dem die Photovoltaikanlage gehörte, Gegenmaßnahmen zu ergreifen (OLG Düsseldorf, Urteil v. 21.07.2017, Az.: I-9 U 35/17).
Ortsüblichkeit der Lichteinwirkung
Auch bei dem bereits angesprochenen Urteil des Heidelberger Landgerichts spielte die Ortsüblichkeit eine Rolle. Die Richter machten eine Duldung auch davon abhängig, ob Photovoltaikanlagen ortsüblich sind. Abgestellt wird dabei auf das Gebiet der jeweiligen Gemeinde. Da es sich bei der die betroffenen Kläger störenden Photovoltaikanlage um die einzige ihrer Art gebaute Anlage mit Ausrichtung nach Süden handelte und es keine anderen vergleichsweise betroffenen Grundstücke gab, lehnte das LG Heidelberg eine Ortsüblichkeit ab. Dass eine Anlage doch ortsüblich ist, muss im Übrigen der Anlagenbetreiber beweisen. Gelingt ihm das, kommt es immer noch darauf an, ob wirtschaftlich zumutbare Maßnahmen es ermöglichen, die Blendungen zu verringern.
Diese Zumutbarkeitsschwelle sah das OLG Stuttgart in einem ihm vorliegenden Fall als überschritten: Einerseits hatten die Kläger eine andere Ausrichtung der Anlage verlangt. Der damit einhergehende Leistungs- und Ertragsverlust sowie die baulichen Veränderungen waren jedoch zu groß. Dasselbe galt für den andererseits verlangten Einbau neuerer, weniger reflektierender Solarmodule. Dieser wäre noch teurer gekommen. Außerdem hätte die Anlage als neu errichtet gegolten, da dem Umbau kein Defekt, Diebstahl oder eine etwaige Beschädigung vorangegangen wäre. Dementsprechend hätte sich die Einspeisevergütung nicht mehr an der Höhe im Jahr 2008, sondern im Jahr 2013 orientiert.
Wertminderung von Wohnung oder Haus
Das Argument, eine Reflektion durch Photovoltaikanlagen schmälere den möglichen Erlös bei Verkauf bzw. Vermietung, ist für die Rechtsprechung dagegen weniger entscheidend. Zunächst einmal muss diese der Kläger konkret darlegen. Außerdem sei der Aspekt der Wertminderung aufgrund der inzwischen allgegenwärtigen Solarstromanlagen laut OLG Stuttgart vergleichsweise gering.
(GUE)
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