Wichtige Neuerungen für Bauherren, Architekten und Angrenzer in baurechtlichen Verfahren in Baden-Württemberg!

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Mit dem Gesetz zur Digitalisierung baurechtlicher Verfahren vom 20.11.2023 (GBl. vom 24.11.2023, Nr. 20, S. 422 f.) sind für Baden-Württemberg einige wichtige Neuerungen in baurechtlichen Verfahren vorgenommen worden. Die wichtigsten Neuerungen sind dabei folgende:

1. Einreichung der Bauvorlagen für Baugenehmigungsverfahren und Kenntnisgabeverfahren nunmehr in elektronischer Form und nicht mehr bei der Gemeinde, sondern bei der Baurechtsbehörde

§ 53 Abs. 1 LBO Baden-Württemberg bestimmt nun, dass alle für die Durchführung des Baugenehmigungsverfahrens oder des Kenntnisgabeverfahrens erforderlichen Unterlagen (Bauvorlagen) und Anträge auf Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen bei der (unteren) Baurechtsbehörde einzureichen sind. Baurechtsbehörde ist bei kreisangehörigen Gemeinden in der Regel das zuständige Landratsamt oder die große Kreisstadt/Verwaltungsgemeinschaft, bei Stadtkreisen hingegen immer die Gemeinde selbst. In Ausnahmefällen können aber auch kleinere kreisangehörige Gemeinden selbst Baurechtsbehörde sein. Ein Verzeichnis über die unteren Baurechtsbehörden in Baden-Württemberg (Stand 05/2023) finden Sie hier. Die Baurechtsbehörde stellt die nach Satz 1 bis 3 eingereichten Anträge und Bauvorlagen nunmehr unverzüglich der betroffenen Gemeinde bereit. Abweichungen, Ausnahmen und Befreiungen sind gesondert zu beantragen.

Der Bauantrag und die Bauvorlagen und auch Bauvoranfragen nach § 57 LBO  sind elektronisch in Textform nach § 126b des Bürgerlichen Gesetzbuchs einzureichen. Ab 1. Januar 2025 soll eine Einreichung in Papierform dann gänzlich ausgeschlossen sein.

2. Weitestgehender Wegfall von Angrenzerbenachrichtigung und Einwendungsverfahren

Eine der wesentlichen Neuerungen besteht im weitestgehenden Wegfall des Angrenzerbenachrichtigungverfahrens. Darüber hinaus sind Einwendungen nunmehr elektronisch in Textform oder zur Niederschrift zu erheben.

a. Bisherige Rechtslage

Nach bisheriger Rechtslage wurden die Eigentümer angrenzender Grundstücke (Angrenzer) innerhalb von fünf Arbeitstagen ab dem Eingang der vollständigen Bauvorlagen von dem Bauvorhaben informiert und konnten sodann in der Regel innerhalb von 4 Wochen bzw. 2 Wochen bei Vorhaben im Kenntnisgabeverfahren Einwendungen erheben. Taten sie dies nicht, waren sie in der Regel mit allen Einwendungen ausgeschlossen, welche nicht rechtzeitig vorgebracht wurden (sog. materielle Präklusion). Die Benachrichtigung war nur bei solchen Angrenzern nicht erforderlich, die  entweder eine schriftliche Zustimmungserklärung abgegeben oder die Bauvorlagen unterschrieben haben oder durch das Vorhaben offensichtlich nicht berührt wurden. Die Gemeinde konnte auch sonstige Eigentümer benachbarter Grundstücke (sonstige Nachbarn), deren öffentlich-rechtlich geschützte nachbarliche Belange berührt sein können, innerhalb der Frist benachrichtigen.

b. Neue Rechtslage

Nach § 55 Abs. 1 LBO n.F. sollen die Angrenzer über Bauvorhaben neuerdings nur noch in Baugenehmigungsverfahren und nur noch dann informiert werden, wenn eine Abweichung, Ausnahme oder Befreiung von den Vorschriften des öffentlichen Baurechts erteilt werden soll, die zumindest auch dem Schutz des betroffenen Nachbarn dient. Dies ist allerdings in der Praxis meist nicht der Fall. Nur in diesen Fällen wird nunmehr der Angrenzer innerhalb von 5 Arbeitstagen ab dem Eingang der vollständigen Bauvorlagen durch die Gemeinde informiert. Einwendungen sind nunmehr gem. § 55 Abs. 2 Satz 1 elektronisch in Textform oder zur Niederschrift vorzubringen.

In der Praxis bedeutet dies, dass auch die unmittelbaren Angrenzer künftig nur noch in Ausnahmefällen von der Gemeinde über Bauvorhaben auf dem Nachbargrundstück informiert werden. Das bedeutet jedoch nicht, dass die Nachbarinnen und Nachbarn in ihren sie selbst betreffenden schützenswerten Rechten gänzlich eingeschränkt werden. Vielmehr steht allen Angrenzern und Nachbarn, welche meinen, in ihren Rechten verletzt zu sein, der Rechtsweg offen, sie können gegen die dem Nachbarn erteilte Baugenehmigung Widerspruch und nach Zurückweisung des Widerspruchs Anfechtungsklage erheben. Allerdings wird das Vorgehen dadurch erschwert, als der Nachbar von dem Baugenehmigungsverfahren unter umständen erst bei Erteilung der Baugenehmigung oder gar erst bei Baubeginn erfährt und somit in der Regel erst sehr viel später die Möglichkeit erhält, seiner Rechte zu überprüfen und ggf. wahrzunehmen. Darüber hinaus entfalten Widerspruch und Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung, so dass der Bauherr auch vor Bestandskraft der Baugenehmigung bereits mit dem Bau beginnen darf. Will man dies verhindern, muss zudem ein Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes bei Gericht gestellt werden.

3. Erteilung der Baugenehmigung in Schriftform oder elektronischer Form, Zustellung an Angrenzer

§ 58 Abs. 1 Satz 3 LBO sieht nunmehr vor, dass die Baugenehmigung auch in Textform gem. § 126 b BGB erteilt werden kann. Die Erteilung der Baugenehmigung in Schriftform - wie bislang - ist nicht mehr verpflichtend. Baurechtliche Entscheidungen sollen künftig elektronisch bekannt gegeben werden können. Dies ermöglicht es, digitale Baugenehmigungsverfahren medienbruchfrei, also durchgängig elektronisch durchführen zu können.

Die Zustellung der Baugenehmigung an Angrenzer erfolgt nur noch dann, wenn diese Einwendungen im Baugenehmigungsverfahren erhoben und diesen nicht entsprochen wurde oder wenn deren öffentlich- rechtlich geschützten nachbarlichen Belange durch das Vorhaben berührt sein können. Es ist daher durchaus denkbar, dass in vielen Fällen die Angrenzer künftig erst durch den Baubeginn erfahren, dass eine Baugenehmigung erteilt wurde.

Für weitere Beratung und Vertretung auf diesem Gebiet stehen Ihnen die auf das Verwaltungsrecht spezialisierten Anwälte von Nonnenmacher Rechtsanwälte gerne zur Verfügung!



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