Wirecard AG: Ansprüche gegenüber Ernst & Young geltend machen

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Nach der Insolvenz der Wirecard AG stellt sich die Frage, wer für den Milliardenschaden haftet. 

Die Aktien sind nach Bekanntwerden des Bilanzskandals, der in dem Eingeständnis des Vorstands in der Nacht zum 22. Juni 2020 endete, dass tatsächlich 1,9 Milliarden Euro „mit überwiegender Wahrscheinlichkeit nicht bestehen“ durch die Insolvenz zwischenzeitlich nahezu wertlos.

Wir meinen, dass die Ansprüche gegen die Wirecard AG und die Vorstände rechtlich leicht durchzusetzen sind, glauben aber auch, dass durch die fehlende Solvenz der Beteiligten diese Vorgehensweise nicht erfolgsversprechend ist.

Die Kanzlei Poppelbaum & Geigenmüller hat heute für ihre Mandanten die Ansprüche bei der Ernst & Young GmbH geltend gemacht. 

Die Bilanzfälschung ist durch ein fehlendes Testat der Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG aufgedeckt worden. Diese hatte im April 2020 eine Bestätigung der Bilanzen verweigert.

Ernst & Young war bis zum Schluss für die Wirecard AG und die Tochterunternehmen als Wirtschaftpürfer tätig. Die Gesellschaft hat sämtliche Jahresabschlüsse testiert. Im aktuellsten Jahresabschluss von 2018 wurden Vermögenswerte von 5.854,9 Mio. Euro ausgewiesen. Ferner wurde ein Bilanzgewinn von 167.833.280,20 Euro für das Geschäftsjahr testiert.

Diese Angaben wurden von Ernst & Young am 24. April 2019 bestätigt. Auch für die Tochterunternehmen erfolgten die Testate durch diese Gesellschaft. So wurde beispielsweise für die Wirecard Bank AG ein Bilanzgewinn von 23.498.469,68 Euro ausgewiesen. Auch dieses Zahlenwerk wurde am 29. April 2019 testiert.

Es zeigt sich, dass Ernst & Young die nun nicht mehr auffindbaren 1,9 Milliarden Euro mit bestätigt hatte. Auf welcher Grundlage dies erfolgte, ist unklar. Die Prüfung durch die weitere Wirtschaftsprüfungsgesellschaft KPMG zeigt jedoch, dass diese Testate nie hätten erstellen werden dürfen.

Die Haftung ergibt sich aus § 826 BGB:

„Ein Prüfer haftet nach § 826 BGB für fehlerhafte Testate oder sonstige bei der Prüfung abgegebenen Erklärungen, wenn er leichtfertiges oder gewissenloses Verhalten zeigt, etwa, wenn er Testat nachlässige Ermittlungen oder Angaben „ins Blau hinein“ zugrunde legt, wenn er durch unzutreffende Angaben Anschein erweckt, er habe Grundlagen seiner Expertise geprüft oder durch fehlerhafte Äußerungen ohne Rücksicht auf Dritte eigenen Vorteil sucht, OLG Düsseldorf DStR 2015, 1774. Prüfer muss mindestens mit bedingtem Vorsatz handeln, der aber durch Art und Weise des Sittenverstoßes bewiesen werden kann, OLG Düsseldorf DStR 2015, 1774.“

(Merkt, in: Baumbach/Hopt, HGB, 39. Auflage 2020, § 323, Rn. 8)

Eine Haftung des Wirtschaftsprüfers gegenüber Dritten für die Verletzung seiner Pflichten zur ordnungsgemäßen Berichterstellung und Testaterteilung ergibt sich ferner aus §§ 823 Abs. 2 BGB, 332 HGB.

Gerade jüngst hat der Bundesgerichtshof den Haftungsmaßstab nochmals umrissen:

„Im Bereich der Expertenhaftung für unrichtige Gutachten und Testate kommt ein Sittenverstoß bei einer besonders schwer wiegenden Verletzung der einen Experten treffenden Sorgfaltspflichten in Betracht. Als sittenwidrig ist dabei zu beurteilen, dass der Auskunfterteilende aufgrund des Expertenstatus ein besonderes Vertrauen für sich in Anspruch nimmt, selbst aber nicht im Mindesten den an einen Experten zu richtenden Maßstäben genügt. Der Sittenverstoß setzt ein leichtfertiges und gewissenloses Verhalten des Auskunftgebers voraus. Diese allgemeinen Grundsätze der Expertenhaftung sind unmittelbar anwendbar, wenn - wie im Streitfall - einem Wirtschaftsprüfer angelastet wird, ein unrichtiges Testat erteilt zu haben (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2013 - VI ZR 336/12 Rn. 10 f., NJW 2014, 383). Die Vorlage eines unrichtigen Bestätigungsvermerks allein reicht dabei nicht aus. Erforderlich ist vielmehr, dass der Wirtschaftsprüfer seine Aufgabe nachlässig erledigt, zum Beispiel durch unzureichende Ermittlungen oder durch Angaben ins Blaue hinein und dabei eine Rücksichtslosigkeit an den Tag legt, die angesichts der Bedeutung des Bestätigungsvermerks für die Entscheidung Dritter als gewissenlos erscheint (vgl. BGH, Urteil vom 19. November 2013 - VI ZR 336/12 Rn. 10, NJW 2014, 383; Urteil vom 26. September 2000 - X ZR 94/98, BGHZ 145, 187, juris Rn. 55; jeweils m.w.N.).“

(vgl. Urteil des BGH vom 12. März 2020, VII ZR 236/29, Ziffer 35)

Das Fehlen von 1,9 Milliarden Euro dürfte als nachlässig zu werten sein.

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