AG Bielefeld weist Filesharingklage ab – in ungewohnt deutlichen Worten

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Das AG Bielefeld hat mit Urteil vom 02.04.2015, Az.: 42 C 552/14 eine Filesharingklage der Europool Europäische Medienbeteiligungs-GmbH abgewiesen. Der Beklagte wurde im Rechtsstreit von unserer Kanzlei vertreten.

Mit einer ausführlichen, für Abmahner vernichtenden Urteilsbegründung nimmt das AG Bielefeld zu vielen Themen, die immer wieder in solchen Klageverfahren diskutiert werden, Stellung. Die Vorgaben des BGH setzt das Urteil konsequent um.

Die Klägerin hatte einen von uns vertretenen Anschlussinhaber auf insgesamt 955,60 € verklagt – 400,00 € Schadensersatz und 555,60 € vorgerichtliche Anwaltskosten für die Abmahnung. Grund der Klage war, dass angeblich über den Internetanschluss des Beklagten im Jahre 2009 eine Urheberrechtsverletzung stattgefunden haben soll. Der Film „Niko – ein Rentier hebt ab“ soll über eine Tauschbörse öffentlich zugänglich gemacht worden sein. Der Beklagte bestritt, die Rechtsverletzung selbst begangen zu haben und trug vor, dass er seinen Internetanschluss nicht allein nutzt, sondern auch sein Sohn und seine Ehefrau das Internet nutzen.

Das AG Bielefeld stellt fest, dass bereits keine tatsächliche Vermutung für die Täterschaft des Beklagten spreche, wenn er vorträgt, dass auch weitere Personen seinen Internetanschluss nutzen konnten. Das AG Bielefeld führte hierzu aus:

„Nach der Rechtsprechung des BGH soll eine tatsächliche Vermutung dafür bestehen, dass dann, wenn ein geschütztes Werk der Öffentlich von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht wird, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Die Annahme einer derartigen Vermutung begegnet in Haushalten, in denen mehrere Personen selbstständig und unabhängig Zugang zum Internet haben, bereits grundsätzlichen Bedenken. Das Aufstellen einer tatsächlichen Vermutung setzt voraus, dass es einen empirisch gesicherten Erfahrungssatz aufgrund allgemeiner Lebensumstände dahingehend gibt, dass ein Anschlussinhaber in erster Linie seinen Internetanschluss nutzt und über die Art und Weise der Nutzung bestimmt und diese in bewusster Tatherrschaft kontrolliert. Ein derartiger Erfahrungssatz existiert nicht. (…) Insoweit trägt nach den allgemeinen prozessualen Grundsätzen nicht der Anschlussinhaber, sondern vielmehr die klagende Partei die Beweislast dafür, dass der Internetanschluss hinreichend gesichert war und nicht anderen Personen zur Nutzung überlassen wurde. Den Anschlussinhaber trifft jedoch eine sekundäre Darlegungslast, sofern er vorträgt, ob und ggf. welche anderen Personen selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und damit als mögliche Täter der Rechtsverletzung in Betracht kommen. (…) Ausgehend von den vorgenannten Grundsätzen ist der Beklagte der ihm obliegenden sekundären Darlegungslast vollumfänglich nachgekommen. Der Beklagte hat insoweit vorgetragen, dass er die behauptete Rechtsverletzung nicht begangen habe und der Internetanschluss noch von seiner Ehefrau und dem (am … geborenen) Sohn eigenständig genutzt werde. Damit hat der Beklagte einen Sachverhalt vorgetragen, bei dem ernsthaft die Möglichkeit der Alleintäterschaft einer anderen Person in Betracht kommt.“

Das Gericht stellt dann weiter fest, dass der Beklagte auch seiner Nachforschungspflicht genügt habe. Hierzu wird ausgeführt:

„Nach Ansicht des BGH ist der Anschlussinhaber insoweit im Rahmen des Zumutbaren auch zu Nachforschungen verpflichtet. Der BGH unterlässt es jedoch, insoweit nähere Ausführungen zu machen, welche Ermittlungsmaßnahmen im Allgemeinen und welche im Besonderen unter Berücksichtigung verwandtschaftlicher oder enger persönlicher Beziehungen zwischen Anschlussinhaber und Nutzermöglich und zumutbar sind. Aus der Wortwahl („insoweit“ in dem Leitsatz und „in diesem Umfang“ in den Entscheidungsgründen“) ergibt sich jedoch zweifelsfrei, dass der Anschlussinhaber nur zu ermitteln hat, welchen anderen Personen bewusst die Möglichkeit der Mitbenutzung des Internetanschlusses eingeräumt wurde. (…) Die Nachforschungspflicht geht nicht soweit, dass der Anschlussinhaber zu ermitteln muss, wer die Rechtsverletzung tatsächlich begangen hat.“

Letztlich sah das Gericht die Forderungen auch als verjährt an. Die Frage, welcher Verjährungsfrist der Anspruch auf Schadensersatz unterliegt und wann die Verjährung der Abmahnkosten zu laufen beginnt, ist immer wieder Streitpunkt in solchen Fällen. Das Gericht war hier der Ansicht, dass beide Ansprüche der regelmäßigen Verjährungsfrist von drei Jahren unterliegen und folgt unserer Auffassung zu der Frage, wann die Verjährung beginnt, nämlich bereits dann, wenn der Rechteinhaber durch die Auskunft des Providers Kenntnis vom Namen und der Anschrift des Anschlussinhabers erhält. Das Gericht führt wörtlich aus:

„Die Klägerin hat spätestens nach Auskunftserteilung durch die Deutsche Telekom am 23.02.2010 von der Rechtsverlerletzung und der hierfür verantwortlichen Person, nämlich des Beklagten, Kenntnis erlangt. Die 3-jährige Verjährungsfrist ist damit mit Ablauf des Jahres 2013 abgelaufen, so dass durch die am 15.12.2014 eingegangene Anspruchsbegründung die Verjährung nicht mehr unterbrochen werden konnte.“

Das Urteil im Volltext können sie auf unserer Seite lesen: www.recht-hat.de/urheberrecht/ag-bielfeld-weist-filesharingklage-ab/

Florian Sievers
Rechtsanwalt

Sievers & Collegen
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