Allgemeine Impfpflicht gegen Corona - Sind die Anträge der Abgeordneten verfassungskonform?

  • 4 Minuten Lesezeit

Um dieses Video anzuzeigen, lassen Sie bitte die Verwendung von Cookies zu.

Über die allgemeine Impfpflicht wird im Bundestag und in der Öffentlichkeit debattiert. Diese drei Anträge haben bisher die meisten Unterstützer. Im Folgenden schauen wir uns die Anträge an und bewerten die Allgemeine Impfpflicht juristisch.

Nach der einrichtungsbezogenen Impfpflicht für Heilkräfte wird nun über die allgemeine Impfpflicht debattiert. Das Video soll einen Überblick über die wichtigsten Anträge und eine rechtliche Bewertung geben. Es geht hier nicht um eine Diskussion über die Impfung an sich, sondern um eine verfassungsrechtliche Betrachtung.

Die Regierung hat es bisher nicht für notwendig erachtet einen eigenen Gesetzesentwurf vorzulegen. Aus der Mitte des Bundestags haben sich nun drei Anträge zur allgemeinen Impfpflicht herausgebildet, die jeweils namhafte politische Unterstützer haben.

Antrag auf Feststellung, dass es keine allgemeine Impfpflicht gegen das Corona-Virus geben soll

Unterstützer dieses Antrags sind unter anderem der Bundestagsvize Wolfgang Kubicki, Dr. Gregor Gysi und Sahra Wagenknecht.

Der Antrag wird flankiert von Auskunftsersuchen an die Bundesregierung. Im Kern dient der Antrag den Abgeordneten eine Abstimmungsmöglichkeit zu geben, die sich nicht für eine allgemeine Impfpflicht aussprechen wollen. Rechtswirkung für die Zukunft könnte diese Feststellung nicht bewirken.

Allgemeine Impfpflicht gegen Corona ab 18 Jahren

Von den Spitzen der Bundesregierung und weiten Teilen des Bundestags wird eine allgemeine Impfpflicht ab 18 Jahren ins Auge gefasst. Es soll einige Ausnahme geben für Personen, die aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden dürfen. Ein Verstoß soll mit einem Bußgeld belegt werden.

Die Impfpflicht soll zunächst auf 2 Jahre befristet werden.

Allgemeine Impfpflicht gegen das Corona-Virus ab 50 Jahren

Die Impfpflicht soll hier erst für Personen mit einem entsprechenden höheren Alter beginnen. Hier soll aber zunächst die Entwicklung der Pandemie abgewartet werden und erst ab dem 15. September scharf gestellt werden. Der Antrag soll sich daher nicht nur im Alter unterscheiden, sondern auch im Zeitpunkt des Inkrafttretens.

Verfassungsrechtliche Probleme bei der allgemeinen Impfpflicht gegen Corona

Eine Impfpflicht muss den grundgesetzlichen Anforderungen genügen. Die Impfung stellt einen Eingriff in die körperliche Unversehrtheit dar.

Dazu sagt das Grundgesetz in Art. 2 Abs. 2:

 „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.“

Das Recht auf körperliche Unversehrtheit ist also nach dem Willen des Grundgesetzes einschränkbar, wenn ein Gesetz dies vorschreibt. Nur ein Beispiel dafür sind Blutentnahmen gegen den Willen eines Bürgers nach einer Alkoholfahrt.

Das Gesetz zur allgemeinen Impfpflicht als Eingriff in die körperliche Unversehrtheit müsste aber verhältnismäßig sein. Das ist ein juristischer Begriff und meint, es müsste ein legitimer Zweck verfolgt werden, das Mittel muss geeignet sein den Zweck zu erreichen und das Mittel muss in einer umfassenden Abwägung angemessen sein.

Es fehlt den bisherigen Anträgen zu einer allgemeinen Impfpflicht bereits an einer klaren Kommunikation des legitimen Zwecks. Ist der Zweck der Eigenschutz vor einer Infektion? Ist der Zweck der Eigenschutz vor einem schweren Krankheitsverlauf? Ist der Zweck der Fremdschutz vulnerabler Gruppen oder ist der Zweck der Schutz des Gesundheitssystems vor einer Überlastung? Bereits an dieser Weggabelung entscheidet sich, welche Hürden das Gesetz für die erforderliche Verhältnismäßigkeit nehmen muss.

In der Geeignetheit muss man sich mit der Wirksamkeit der Impfstoffe auseinandersetzen. Nach den vorliegenden wissenschaftlichen Erkenntnissen wird mit den heutigen Impfstoffen keine sterile Immunität erreicht werden. Die Impfstoffe schützen zuverlässig vor einem schweren Verlauf der Infektion. Von den Gegnern einer Impfpflicht wird an dieser Stelle auch aufgeführt, dass das Virus sich in den letzten 2 Jahren stetig verändert hat und auch die Wirkung der Impfstoffe von diesen Änderungen beeinflusst wurde.

Weiter muss man sich in der Erforderlichkeit fragen, kommen nicht mildere Mittel in Betracht als eine allgemeine Impfpflicht. Reicht es nicht eine Impfpflicht für die vulnerablen Gruppen einzuführen, wenn man diese dann definieren kann. Hier setzt der Antrag ab 50 Jahren an, um dieses Merkmal zu erfüllen. Mildere Mittel sind aber auch umfassende niederschwellige Angebote in verschiedenen Sprachen für eine Impfung. Der Aufbau größerer Krankenhauskapazitäten und die Verbesserung der Personalsituation auf den Stationen.

Bei der Angemessenheit müssen alle Aspekte nochmals miteinander abgewogen werden. Auch mögliche Nebenwirkungen einer Impfung. Wichtig sind auch die Aspekte der Bestimmtheit und der Befristung dieser Impfpflicht. Wie oft muss man sich impfen lassen, um als geimpft zu gelten und welchen Impfstoffen muss diese Impfung erfolgen. Man muss sich auch Fragen, ob die Krankheit im Gesamten benennen sollte oder die gerade vorherrschende Virusvariante.

Zusammengefasst gibt aus verfassungsrechtlicher Perspektive für die allgemeine Impfpflicht insbesondere ab 18 Jahre große Hürden. Bei dem Antrag einer Impfpflicht ab 50 Jahren, scheint das Alter aktuell recht willkürlich gewählt. Die Chancen für eine Verfassungsmäßigkeit wäre jedoch deutlich höher. Der Antrag die Impfpflicht abzulehnen, ist ja eine Bestätigung des Ist-Zustands und daher ein verfassungsrechtliches Nullum.

Wir müssen nun alle abwarten, wie die Anträge weiter konkretisiert werden und welche Rechtsfolgen daran geknüpft werden. Die Rechtsfolgen, wie ein Bußgeld, werde ich dann nochmal in einem anderen Video genau erläutern.


  


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

Artikel teilen:


Sie haben Fragen? Jetzt Kontakt aufnehmen!

Weitere Rechtstipps von Rechtsanwältin Claudia Schindler

Beiträge zum Thema