Beamtenrecht – Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit

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Sachverhalt:

Streitig war eine Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit, nachdem im Laufe der Jahre erhebliche Fehlzeiten auftraten.

Die Klägerin wurde in den Ruhestand versetzt, da innerhalb der nächsten sechs Monate keine Aussicht auf Wiederherstellung der vollen Dienstfähigkeit bestehe. Während der Widerspruch der Klägerin erfolglos blieb, hatte die Klage vor dem Verwaltungsgericht Freiburg Erfolg. Das VG hat den Bescheid des Beklagten und den Widerspruchsbescheid aufgehoben. Die Kammer führte aus, dass der Verwaltungsakt formell rechtswidrig sei, da die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt wurde.

Gegen diese Entscheidung hatte das beklagte Land Berufung eingelegt.

Die Entscheidung:

Die Berufung hatte Erfolg. Das hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg mit Urteil vom 04.09.2018, 4 S 142/18, entschieden. Der angefochtene Bescheid sei formell rechtswidrig, da die Schwerbehindertenvertretung nicht ordnungsgemäß beteiligt wurde. Der Dienstherr, der das jeweilige Verfahren betreibe, habe dafür Sorge zu tragen, dass die Schwerbehindertenvertretung rechtzeitig und umfassend informiert werde. Folglich hätte die Stellungnahme der Klägerin der Schwerbehindertenvertretung unaufgefordert zur Kenntnis gegeben werden müssen.

Wegen § 46 LVwVfG habe dies allerdings nicht die begehrte Aufhebung des Bescheids zur Folge. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei geklärt, dass § 46 LVwVfG auf Verwaltungsakte anwendbar sei, die einen Beamten wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzen. Allerdings sei die Anwendung des § 46 LVwVfG immer dann ausgeschlossen, wenn in diesen Verfahren ärztliche Gutachten erstellt worden seien. In diesen Fällen sei nicht offensichtlich, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst habe. Dieser Auslegung schloss sich der Senat des VGH allerdings nicht an. Von der Gesetzesbegründung und dem gesetzlichen Zweck der Verfahrensbeschleunigung ausgehend, sei damit ein in § 46 LVwVfG genannter Fehler nur dann beachtlich, wenn er für die Sachentscheidung kausal gewesen sein könnte. Dies sei dann offensichtlich nicht der Fall, wenn nach den Umständen des Einzelfalls die konkrete Möglichkeit nicht bestehe, dass ohne den Verfahrensfehler eine andere Entscheidung getroffen worden wäre.

Liegen die Voraussetzungen für die Annahme der Dienstunfähigkeit gem. § 53 Abs. 1 S. 1 LBG nicht vor und erfolge die Zurruhesetzung des Beamten ohne amtsärztliches Gutachten oder auf der Grundlage eines völlig unzureichenden amtsärztlichen Gutachtens, sei es nicht Aufgabe des Tatsachengerichts „ins Blaue hinein“ Ermittlungen anzustellen, ob zu dem Zeitpunkt des Erlasses der Widerspruchsentscheidung gleichsam zufällig tatsächlich Dienst- und Verwendungsunfähigkeit vorgelegen haben.

Auswirkungen auf die Praxis:

Damit setzt der Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsprechung fort (so auch: VGH Baden-Württemberg, 05.07.2017, 4 S 26/17)

Der Senat folgt der Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 20.12.2010, 2 B 39.10, ausdrücklich nicht. Das BVerwG hatte in seiner Entscheidung ausgeführt, dass das Beteiligungsrecht der Schwerbehindertenvertretung in einer Weise ausgestaltet sei, dass seine Verletzung zwar regelmäßig die Rechtswidrigkeit von Ermessensentscheidungen nach sich ziehe, aber da es sich im dort entschiedenen Fall um eine gebundene Maßnahme handle, nicht die Rechtswidrigkeit der Zurruhesetzung bedingen könne und es auf § 46 LVwVfG bereits aus diesem Grund nicht mehr ankomme. Aus Sicht des Senats kann nicht davon ausgegangen werden, dass der Verfahrensfehler bei einer gebundenen Entscheidung schon keine formelle Rechtswidrigkeit begründen kann. Dies lasse sich aus § 46 LVwVfG nicht herleiten.

Außerdem könne man sich in diesem Zusammenhang nicht auf die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts berufen, da zwischen dem öffentlichen Dienstrecht und dem Arbeitsvertragsrecht strukturelle Unterschiede bestünden. Insbesondere stelle sich im Rahmen einer arbeitsrechtlichen Kündigungsschutzklage nur die Frage der Wirksamkeit oder Unwirksamkeit der Kündigung, die regelmäßig nicht gesetzlich gefordert sei. Dagegen sei der fürsorgepflichtige Dienstherr an die beamtenrechtlichen Vorgaben für Entlassungen und Zurruhesetzungen durch Recht und Gesetz gebunden.

Das Verfahren ist derzeit beim Bundesverwaltungsgericht anhängig (BVerwG, 2 C 24.18). Insofern bleibt es spannend, ob der Senat das Urteil des VGH aufrechterhält.

Bitte beachten Sie, dass dieser Beitrag – für den wir keine Haftung übernehmen – eine Beratung im Einzelfall nicht ersetzen kann.

Alexander Seltmann

Rechtsanwalt und

Fachanwalt für Verwaltungsrecht

Gaßmann & Seidel Rechtsanwälte Partnerschaft mbB, Stuttgart


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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