Bundesverfassungsgericht: kein faires Verfahren ohne Sachverhaltsaufklärung

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In diesem Verfahren hat sich das Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 14. Juni 2000, Az. 2 BvR 993/94) zu den Anforderungen an ein faires Verfahren aus Art. 2 Abs. 1 und Art. 20 Abs. 3 GG geäußert.

Rechtsanwalt Thomas Hummel sowie die wissenschaftliche Mitarbeiterin Dipl.-Jur. Katayoun Kolks haben das Urteil für Sie aufbereitet:

Dienstliche Ahndung eines Bundeswehr-Soldaten

Der Verfassungsbeschwerdeführer war ein Soldat der Bundeswehr. Ihm war vorgeworfen worden, insgesamt 574 DM nicht an Wehrpflichtige ausbezahlt, sondern für sich behalten zu haben. Erst auf Nachfrage der Wehrpflichtigen veranlasste er die Auszahlung des Geldes. Deswegen wurde eine dienstliche Disziplinarmaßnahme (nämlich die Streichung seiner Altersversorgung) gegen ihn verhängt, die das Bundesverwaltungsgericht in letzter Instanz bestätigt hatte.

Eine solche dienstliche Ahndung ist allgemein anerkannt und verstößt nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts auch dann nicht gegen das Verbot der Doppelbestrafung, wenn sie nach Durchführung eines Strafverfahrens verfügt wird. Allerdings müssen auch in diesem Verfahren die rechtsstaatlichen Standards eingehalten werden.

Feststellungen aus Strafverfahren können übernommen werden

Dafür ist es grundsätzlich ausreichend, wenn die Feststellungen aus einem aus einem Strafverfahren – sofern dieses rechtsstaatlich durchgeführt wurde – übernommen werden. Das Dienstgericht muss also nicht selbst den gesamten Sachverhalt ermitteln.

Hier gab es aber kein Strafverfahren, die Angelegenheit wurde rein dienstlich behandelt. Das Truppendienstgericht ging hier zunächst nicht davon aus, dass der Soldat das nicht ausgezahlte Geld für sich behalten wollte. Dies sei zwar nicht mit der für eine Verurteilung notwendigen Sicherheit nachzuweisen, ein anderes Motiv sei aber nicht erkennbar.

Bundesverwaltungsgericht hat Sachverhalt nicht aufgeklärt

Der Wehrdienstsenat des Bundesverwaltungsgerichts stützte sich auf diese Feststellung, zog daraus aber den Schluss, dass der Soldat sich sehr wohl bereichern wollte. Damit habe er nicht nur eine Dienstverfehlung, sondern eine Straftat begangen, die die maximale Disziplinarmaßnahme, die Aberkennung des Ruhegehalts rechtfertige.

Das Bundesverfassungsgericht hob diese Entscheidung auf die Verfassungsbeschwerde hin auf. Zu einem fairen Verfahren gehörten verfahrensrechtliche Vorkehrungen zur Ermittlung des wahren Sachverhalts. Das Gericht muss demnach alle relevanten Tatsachen aufklären und darf sich insbesondere nicht nur auf Mutmaßungen verlassen.

Erfolgreiche Verfassungsbeschwerde

Gerade, weil das Bundesverwaltungsgericht hier von den Beurteilungen der Vorinstanz abwich, hätte es darlegen müssen, wie es zu diesen Schlussfolgerungen kam. Da dies unterlassen wurde, wurde das Recht auf ein faires Verfahren verletzt.

Die Entscheidung stammt aus einem sehr speziellen Rechtsgebiet, dem Beamtenrecht, genauer dem Wehrdisziplinarrecht. Trotzdem können aus diesem Urteil Schlüsse für sämtliche Gerichtsverfahren gezogen werden, egal aus welchem Rechtsbereich. Immer, wenn das Gericht sich nicht die Mühe gemacht hat, den Sachverhalt vollständig herauszufinden, ist eine Verfassungsbeschwerde wegen Verletzung des Anspruchs auf ein faires Verfahren zu prüfen.

Rechtsanwalt Thomas Hummel (Kanzlei Abamatus) hat sich auf das Verfassungsrecht und insbesondere auf Verfassungsbeschwerden spezialisiert. Gerne sieht er sich auch Ihren Fall kostenlos und unverbindlich an und gibt eine erste Einschätzung ab.


Rechtstipp aus den Rechtsgebieten

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