Der Mindestlohn: Antworten und Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

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Das Mindestlohngesetz (MiLoG) betrifft die Vergütung von ca. 5,25 Millionen Erwerbstätigen, die momentan eine Stundenvergütung von unter 8,50 Euro erhalten. 1,8 Millionen Arbeitnehmer verdienen weniger als sechs Euro die Stunde. 1,3 Millionen Arbeitnehmer verdienen sogar weniger als fünf Euro pro Stunde.

Besonders starke Auswirkungen hat der Mindestlohn in den strukturschwachen Regionen. Hier betrifft der Mindestlohn nicht nur bestimmte bekannte Niedriglohnbranchen, er hat vielmehr branchenübergreifend Bedeutung. Auch wenn oftmals der tatsächliche Bruttolohn über 8,50 Euro liegt, setzt er sich doch häufig aus einem Grundlohn und Zulagen zusammen. So stellt sich die Frage, wie Leistungsprämien, Dienstwagen, Nahverkehrstickets, Zuschüsse zur betrieblichen Altersversorgung etc. auf den Mindestlohn anzurechnen sind.

Insofern ist der Mindestlohn – so wenig er in seiner Zielsetzung zu kritisieren ist – für eine Vielzahl von Unternehmen doch ein schwer zu bewältigender Einschnitt. Dieser wirkt umso schwerer, als dass arbeitsvertragliche Ausschlussfristen für die Geltendmachung des Mindestlohnes nicht wirksam vereinbart werden können, womit der Arbeitgeber für drei Jahre bis zur Verjährung haftet. Zudem stellen Verstöße gegen das MiLoG Ordnungswidrigkeiten dar.

Umso wichtiger ist es, sich mit dem Gesetz auseinanderzusetzen und die gestalterischen Möglichkeiten, die vorhanden sind, zu nutzen.

  1. Was ist der gesetzliche Mindestlohn?

Der gesetzliche Mindestlohn stellt eine feste Lohngrenze dar, die der Arbeitgeber grundsätzlich ab dem 01.01.2015 nicht mehr unterschreiten darf. Der Mindestlohn schützt die Beschäftigten im Niedriglohnsektor vor unangemessen niedrigen Löhnen und verringert die Zahl der Arbeitnehmer, die trotz Vollzeitbeschäftigung auf Aufstockungsleistungen angewiesen sind.

  1. Wie hoch ist der gesetzliche Mindestlohn?

Ab dem 01.01.2015 wird der bundesweit verbindliche branchenunabhängige Mindestlohn grundsätzlich bei 8,50 Euro brutto pro Zeitstunde liegen. Stück- und Akkordlöhne bleiben zulässig, sofern gewährleistet ist, dass der Mindestlohn für die geleisteten Arbeitsstunden erreicht wird.

Die Art der Arbeitsleistung oder Arbeitszeit ist irrelevant. Insofern wird es egal sein, ob Bereitschaftsdienste, Überstunden etc. geleistet werden. Es ist immer der Mindestlohn zu zahlen.

Das Gesetz sieht ab 2017 eine Anpassung des Mindestlohnes in einem Zweijahresrhythmus vor. Im Jahr 2016 wird die Mindestlohnkommission, zusammengesetzt aus Arbeitnehmer- und Arbeitgeberverbänden, darüber beraten, wie hoch der Mindestlohn ab dem 01.01.2017 sein wird. Bei der Ermittlung des neuen Mindestlohns wird sich die Kommission an der Tarifentwicklung in Deutschland orientieren.

  1. Gibt es eine Übergangsphase?

Gemäß § 24 MiLoG gibt es eine Einführungsphase bis zum 31.12.2017. Bis dahin sollen tarifliche Abweichungen nach unten von dem jeweils geltenden Mindestlohn erlaubt sein.

Jedoch kann nicht jede tarifvertragliche Vergütungsvereinbarung den Mindestlohn wirksam unterschreiten. Es ist erforderlich, dass die tariflichen Abweichungen von repräsentativen Tarifvertragsparteien abgeschlossen werden und sich auf eine Branche beziehen. Zudem müssen sie „verbindlich“ gemacht worden sein. Ein Firmentarifvertrag kann damit eine Abweichung vom Mindestlohn nicht rechtfertigen.

Der DGB geht davon aus, dass hiermit nur Tarifverträge nach dem Arbeitnehmerentsendegesetz gemeint sind, die bereits heute gesetzliche Mindestarbeitsbedingungen darstellen. Hierunter fallen die Tarifverträge des Bauhauptgewerbes oder des Baunebengewerbes, der Gebäudereinigung, für Briefdienstleistungen, für Sicherheitsdienstleistungen, für Bergbauspezialarbeiten auf Steinkohlebergwerken, für Wäschereidienstleistungen im Objektkundengeschäft, der Abfallwirtschaft einschließlich Straßenreinigung und Winterdienst, für Aus- und Weiterbildungsdienstleistungen und für Schlachten und Fleischverarbeitung.

Ein anderer Ansatz ist die Betrachtung der allgemeinverbindlichen Tarifverträge als Abweichung zum Mindestlohn. Laut Bundesagentur für Arbeit zählen zu den Branchen, die eine Abweichung nach unten gemäß den einschlägigen Tarifverträgen vorsehen, die Landwirtschaft, Taxifahrer, Fleischer und Friseure. Hier besteht noch Unklarheit. Insofern empfiehlt es sich zu beobachten, was mit der Anwendung bestimmter Tarifverträge passiert, welche repräsentativ, aber nicht allgemeinverbindlich sind, so z. B. in der Systemgastronomie.

Auch Zeitungszusteller werden für eine Frist von zwei Jahren vom Mindestlohn ausgenommen, obwohl sie an keinen Tarifvertrag gebunden sind. Für sie gilt eine stufenweise Anpassung auf 8,50 Euro.

Weiterhin existiert eine Sonderregelung für Saisonkräfte. Diese werden zwar nicht vom gesetzlichen Mindestlohn ausgenommen. Jedoch werden die Arbeitgeber erst dann zu Sozialabgaben verpflichtet, wenn ein Arbeiter mehr als 70 Tage im Jahr arbeitet. Nach vier Jahren wird diese Grenze wieder auf 50 Tage gesenkt.

  1. Für wen gilt der gesetzliche Mindestlohn?

Der Mindestlohn gilt für alle ArbeitnehmerInnen, die in Deutschland beschäftigt werden. Er gilt damit auch für ausländische ArbeitnehmerInnen in Deutschland und für Arbeitgeber, die im Ausland ansässig sind.

Der Umfang der Beschäftigung hat keinen Einfluss auf den Mindestlohn. Somit haben auch MinijobberInnen einen Anspruch auf einen Stundenlohn von 8,50 Euro.

  1. Welche Ausnahmen gibt es?

Von dem Mindestlohn werden gemäß § 22 MiLoG fünf Personengruppen ausgenommen. Neben ehrenamtlich Tätigen und Auszubildenden haben Langzeitarbeitslose (mindestens 12 Monate ohne Anstellung) in den ersten sechs Monaten keinen Anspruch auf den Mindestlohn. Weiterhin werden Praktikanten, die ein Pflichtpraktikum oder freiwilliges Praktikum von maximal drei Monaten während der Ausbildung und dem Studium absolvieren, vom Mindestlohn ausgenommen. Als letzte Personengruppe fallen Jugendliche unter 18 Jahren ohne Berufsausbildung aus dem persönlichen Anwendungsbereich des Mindestlohngesetzes.

Bei Praktikanten muss in Zukunft nach dem Nachweisgesetz ein schriftlicher Praktikumsvertrag geschlossen werden, in dem Ausbildungsziel, Beginn und Dauer des Praktikums, Praktikumszeit und Höhe der Vergütung festgelegt sind.

  1. Wie werden Zusatzleistungen behandelt?

Erhält der Arbeitnehmer neben dem laufenden Entgelt weitere Leistungen oder Lohnbestandteile, so stellt sich die Frage, ob diese „zusätzlichen Leistungen“ bei der Berechnung des Mindestlohnes berücksichtigt werden.

Grundsätzlich sind alle Zahlungen anrechenbar, die als Gegenleistung für die „Normalarbeitsleistung“ entrichtet werden. Wird mit der Zahlung jedoch eine besondere Leistung abgegolten, etwa Zuschläge für Überstunden, Feiertagsarbeit, Nachtarbeit, Gefahrenzulagen oder Akkord- oder Qualitätsprämien, so ist eine Anrechnung ausgeschlossen.

Trinkgelder werden ebenso nicht angerechnet. Gerade in der Gastronomie, bei Friseuren oder Taxifahrern spielt dies natürlich eine erhebliche Rolle.

Typische Einmalzahlungen wie Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld sind dagegen nur dann auf das laufende Entgelt anrechenbar, sofern der anteilige Betrag in dem maßgeblichen Fälligkeitsdatum nach § 2 Abs. 1 MiLoG tatsächlich und unwiderruflich ausgezahlt worden ist. Wird dagegen das Weihnachtsgeld oder Urlaubsgeld einmalig ausgezahlt, so ist eine „Umlegung“ auf die anderen elf Monate fraglich.

  1. Was passiert, wenn der Mindestlohn unterschritten wird?

Vom Mindestlohn kann vertraglich nicht abgewichen werden. Der Arbeitnehmer kann auf den Mindestlohn nur durch einen gerichtlichen Vergleich verzichten. Eine vertragliche Abweichung nach unten führt zur Unwirksamkeit der Abrede. Das bedeutet, dass der Arbeitnehmer den ortsüblichen Lohn gem. § 612 BGB einklagen kann – und dieser ist immer höher als der Mindestlohn.

Wirklich problematisch wird dies dadurch, dass die Verwirkung des Anspruches gemäß § 3 S. 3 MiLoG ausgeschlossen ist. Damit finden die arbeitsvertraglichen und tarifvertraglichen Verfall- und Ausschlussfristen keine Anwendung auf den Mindestlohnanspruch. Wenn also üblicherweise Ansprüche nach 3 – 6 Monaten verfallen – je nach Ausschlussfrist –, verjährt der Anspruch auf Mindestlohn erst nach drei Jahren gemäß der §§ 195, 199 BGB.

Zudem ist ein Verstoß gegen das MiLoG eine Ordnungswidrigkeit. Die Kontrolle obliegt der Finanzkontrolle Schwarzarbeit (FKS) der Bundeszollverwaltung. Verstöße gegen das Mindestlohngesetz werden je nach Art des Verstoßes mit einer Geldbuße zwischen 30.000 und 500.000 Euro geahndet.

  1. Fazit und Handlungsempfehlungen für Arbeitgeber

Als Fazit ist Folgendes festzuhalten:

  • Vom Mindestlohn kann nur in wenigen Ausnahmefällen abgewichen werden. Für die meisten Unternehmen gilt ab dem 01.01.2015 der Mindestlohn von 8,50 Euro.
  • Den Kopf in den Sand zu stecken und alles so zu lassen wie bislang, geht nicht. Wird der Mindestlohn nicht bezahlt, stellt dies eine Ordnungswidrigkeit dar und der Arbeitnehmer kann noch 3 Jahre später Ansprüche geltend machen. Selbst wenn sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber einig sind, dass alles gut ist, wie es jetzt ist, begibt sich der Unternehmer in die Hand des Arbeitnehmers.
  • Der Arbeitsvertrag muss hinsichtlich der Vergütung und der Verfallfrist auf jeden Fall überarbeitet werden.
  • Zusätzliche Leistungen müssen vertraglich so ausgestaltet werden, dass sie zum Mindestlohn hinzugerechnet werden können.
  • Die bezahlte Arbeitszeit muss effizient geregelt sein. Pausen, Rüstzeiten, Vor-und Nacharbeitszeiten, Raucherpausen etc. müssen vertraglich als nichtvergütete Arbeitszeit ausgestaltet werden, soweit dies betrieblich möglich ist.

Insofern kann man nur empfehlen, den knappen Handlungsspielraum, den das Gesetz lässt, optimal zu nutzen.


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